Die ersten Festivalbesucher hatten sich schon zum morgendlichen 'koffie en broodje' im Restaurationsbereich vor dem großen Zelt mit den Bühnen niedergelassen, als ich das Areal der Veranstaltung im friesischen Dokkum betrat. Sonne und Wind, natürlich, wir sind ja in Friesland und da weht immer Wind, bestimmten diesen frühen Morgen des zweiten Festivaltages. Leichte Ansätze eines halbherzigen Soundchecks drangen durch die noch verschlossenen Zeltwände und gaben den Besuchern zu verstehen, dass es dann auch bald losgehen würde. Da ich mich mit dem Anstarren einer großen und verschlossenen Seitenwand nicht zufrieden geben und auch nicht den CD-Verkäufern auf dem Marktplatz beim Ausräumen ihrer Ware zusehen wollte, verkrümelte ich mich in den Backstage-Bereich und guckte, wer schon so alles unter den Lebenden weilte.
Am Tag zuvor hatte bereits eine ganze Reihe von Bands den Reigen dieses Festivals eröffnet. Bereits im siebten Jahr des Bestehens hat es sich unter der Regentschaft von Jort Visser von einem kleinen und richtigen Open Air zu einer ansehnlichen Veranstaltung gemausert. Nahe der Provinzhauptstadt Leeuwarden in Fryslân gelegen, wird einmal im Jahr mitten auf dem platten (naja, wie auch sonst hier oben) Land ein großes Areal Weideland in ein Festivaldorf umgewidmet und eine stattliche Reihe an Bands gebucht. Dieses Jahr waren es 25 an der Zahl, die ab Freitag 17:00 Uhr für eine angemessene akustische Untermalung sorgten. Wie schon fast Usus durfte der Gewinner eines Wettbewerbs als Opener für 2012 fungieren. Die Leeuwardener Nom De Plume hatten sich beim Highway To Hell-Contest gegen die Konkurrenz durchsetzen können und somit die Chance erhalten, ihr junges Können Schlag 17:00 Uhr vor hunderten von Zuschauern zum Besten zu geben. Passend zur Veranstaltung hatten sie auch ihre neue EP eingepackt, die sich angetane Zuschauer dann auch direkt mit nach Hause nehmen konnten. Stilistisch ordnen sie sich irgendwo im Bereich zwischen Post Hardcore und Alternative Rock ein.
Ein Schwenk des Körpers um 180? genügte, um nach Ende der (jeweiligen) Show schon den folgenden Act auf der zweiten Bühne sehen zu können. 'Friesen-Metal' war angesagt, denn die Jungs von Omission waren Lokalmatadore aus Dokkum und zählen sich selbst dem Death Metal-Genre zugehörig. Die Truppe würde seit Ende der Achtziger bestehen, hätte sie sich nicht im Jahre 1996 aufgelöst. Aber es gibt ein Happy End, bei dem dieses Festival eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielt, denn man traf im vergangenen Jahr genau an diesem Ort wieder auf einander und beschloss, der Sache eine neue Chance zu geben. Hier nun gab die Band beim Wiedervereinigungsauftritt den Beweis ab, dass sie noch nicht richtig viel verlernt hatte.
Polens Vorzeige-Symphonic-Power-Metal-Truppe Pathfinder stand als nächstes auf der Running Order und ihre Show erfreute sich großer Beliebtheit. Mussten sie auch ihr sonst übliches Set auf rund 45 Minuten zusammenstreichen, so konnten sie mit ihrem Mix aus Klassik, Metal und Filmmusik trotzdem voll überzeugen. Das Sextett ist bekannt dafür, als absolute Perfektionisten durchzugehen und man muss schon länger suchen, um ihnen handwerklich Ebenbürtige zu finden. Verfolgt man die Spuren ihrer Live-Auftritte in den entsprechenden Medien, so merkt man, dass sie besonders außerhalb ihrer Heimat eine große und ständig wachsende Fanschar haben. Wer sich auf ihre Musik mit bombastischen Keyboards und mächtig flinken Gitarren einlässt, der kann sich auf epische Klangerlebnisse gefasst machen.
Mit einer weiteren 180-Grad-Drehung konnte direkt danach die Old School Black Metal-Combo Eternity aus Deutschland begutachtet werden. Obwohl die Jungs bereits seit Mitte der neunziger Jahre aktiv sind, ist gerade erst ihr drittes vollwertiges Album erschienen, das hier beim Dokk'em Open Air erstmalig in den Niederlanden vorgestellt wurde.
Ein eher seltenes Erlebnis hatten die Zuschauer im Anschluss, denn die schwedischen Prog-Metaller von Andromeda standen auf der Bühne. Mittlerweile haben sie in den rund dreizehn Jahren ihres Bestehens vier Alben und eine DVD auf den Markt gebracht und machen sich aber trotz der Erfolge ihrer CDs auf dem Live-Sektor eher rar. Leider war der Auftritt von ein einigen Soundschwierigkeiten durchzogen, aber dennoch eine feine Sache.
Holländischer Death Metal stand dann mit Sinister auf der Liste, die bereits seit 1989 ihr musikalisches Unwesen treiben. Trotz aller musikalischer Strömungen der Szene in andere Richtungen sind sie ihrem Ding treu geblieben und boten dem mittlerweile vollen Zelt die geballte Packung 'ihres' Death Metal.
Mit dem Tilburger Trio Vanderbuyst hatte Festival-Organisator Jort Visser einen Griff die aktuell angesagte Kiste getan. An den Jungs kommt man derzeit nicht so recht vorbei, denn sie sind überall auf dem Billing zu finden. Ihr siebziger Jahre-Hard Rock scheint gut anzukommen und sie erfreuen sich trotz ihres relativ kurzen Bestehens von noch nicht einmal vier Jahren einer großen Beliebtheit.
Einen kleinen Genre-Wechsel brachten danach die Schweden von Bloodline mit ihrem Industrial Black Metal, der zu vorgerückter Stunde auf großen Zuspruch stieß. Eine gute dreiviertel Stunde heizten sie dem Publikum ein und machten es richtig warm für die Headliner des ersten Abends.
Die Bay Area-Thrasher von Death Angel standen zu Recht als letztes auf der Liste und gaben ein neunzigminütiges Set zum Besten. Die Kalifornier präsentierten im Verlauf ihres Auftritts u. a. ihr berühmtes Debütalbum "The Ultra Violence" und machten den Abend somit für viele der anwesenden Die Hard-Fans zu einem einmaligen Erlebnis, zumal dieses der einzige Auftritt in den Niederlanden sein sollte. In jedem Fall ein würdiger Abschluss eines bis dato gelungenen Festivals, dessen Besucher im Anschluss an den offiziellen Teil zur Afterparty mit Live-Untermalung der niederländischen Tribute-Band Damaged Justice lauschen konnten, die sich dem Covern von Produkten aus dem Hause Hetfield & Co. verschrieben haben.
Tag zwei sollte bereits gegen Mittag starten und ebenso lange dauern wie der Vortag. High Noon war als Zeitpunkt gesetzt worden, um die ersten offiziellen Töne aus den Amps von Braincasket vernehmen zu können. Diese Death Metaller aus Heerenveen prügeln schon seit 14 Jahren die Noten aus ihren Instrumenten und, die schöne Torfstadt Heerenveen liegt in Friesland, schafften es zu dieser frühen Stunde, als Lokalmatadore schon recht viele Zuschauer in das Zelt zu locken.
Ein Teil dieses Publikums zog dann leider wieder ab - ordentlich anzusehen war der Rest trotz alledem - und gab sich der mittäglichen kulinarischen Seite des Festivals hin. Max Pie standen auf dem Programm und rockten ein gutes Set mit viel stimmlicher Power und - für mich neu - einem Wechsel im Line-up. An der Sechsaitigen shreddert nun Damien, während die Felle durch Sylvain bedient werden. Verblieben aus der früheren Besetzung sind nach wie vor Olivier am Bass sowie Tony am Mikro, der kürzlich auch als Teil des Phoenix Projects fungierte. Mit ihrem zünftigen Metal sind sie derzeit übrigens als Support für Jon Oliva's Pain in Europa auf Tour.
Danach wurde es für die Niederländer von Devious wieder etwas voller vor der Bühne, die mit ihrem Death Metal alles plattwalzten und satte Gitarren sowie unablässige Double Bass-Töne in den jungen Nachmittag schickten. Das Publikum stand offensichtlich auf zwei Dinge: diese Art von Metal und die Herkunft der Band. Für mich aber war es an der Zeit, mal wieder den Backstage-Bereich aufzusuchen, in dem sich gerade eine gewisse Besorgtheit breitmachte. Offensichtlich steckte der Sänger von der nächsten Band noch im Stau und so wurden die Singapurer Wormrot vorgezogen, die sich mit einem brachialen Grindcore durch das nun gut gefüllte Zelt brüllten. Kaum zu glauben, dass drei eher zart rüberkommende kleine Asiaten sich derartige Töne entlocken können. Während der 40 Minuten ihres Auftritts habe ich nicht ein verständlich artikuliertes Wort hören können. Aber über Geschmack kann man ja trefflich streiten und es gab genügend Volk, das diesen unablässigen Lautäußerungen die notwendige Gegenliebe zuteil werden ließ.
Mit der verkehrsbedingten Verzögerung kam es dann aber zu einem Highlight für mich, denn die multinationale Truppe von Eden's Curse erklomm die Bretter. Sänger Marco Sandron sprang direkt aus dem Auto an mir vorbei auf die Bühne, im Lauf noch knappe Anweisungen zum gezwungenermaßen abgeänderten Set entgegennehmend. Auf rund 30 Minuten war ihr Slot nun leider geschrumpft, aber es tat der Qualität der Darbietung keinen Abbruch. Der brandneue Frontmann (u. a. Pathosray) aus Italien gab den überzeugenden Profi und man merkte ihm den Stress von unmittelbar vor dem Auftritt nicht an. Binnen kürzester Zeit hatten die Band und er das Publikum auf ihrer Seite und 'am rocken'. Üblicherweise als Quintett unterwegs, greifen die im Jahre 2006 von Paul Logue (u. a. David Readman, Doogie White) und Michael Eden gegründeten Melodic Metaller bei Live-Auftritten zudem auf den zusätzlichen Gitarristen Marcus Thurston zurück, der den deutschen Haupt-Axtmann Thorsten Koehne und dessen weiße Dean Razorback showträchtig unterstützt. Als weitere Musiker kommen Pete Newdeck (der bei seiner zweiten Band Tainted Nation das Mikro schwingt) an den Drums und Alessandro del Vecchio (u. a. Glenn Hughes, Ian Paice) an den Keyboards hinzu. Neben einigen älteren Stücken stellten sie hier zudem ihren brandneuen Song "Time To Breathe" vor, der uns hoffentlich auch auf dem nächsten Album erfreuen wird, das gerade in der Mache ist. Kurzer Auftritt, aber für mich bislang das Highlight des Tages.
Dann wurde es wieder Zeit für einen kleinen Genrewechsel und die Harcore-Formation von Pro-Pain aus New York betrat die Bühne. Hatte das Publikum nur wenige Minuten zuvor dem Melodic Metal von Eden's Curse frenetischen Beifall gespendet, war es jetzt ebenso begeistert von diesen etwas anderen Klängen der Hardcore-Pioniere, die sich immerhin schon seit rund 20 Jahren im Geschäft befinden.
Black Metal hieß die Devise, als die französischen Glorior Belli ihr Können zum Besten gaben. Ein bisschen Doom und Sludge schreiben sie sich ebenfalls auf die Fahne, genauso wie Stoner-Einflüsse. Im Herbst soll ihre neue Platte "The Great Southern Darkness" erscheinen - mein Ding ist das nicht, also erstmal wieder raus und Festival-Atmosphäre geschnuppert.
International besetzt ging es mit den Norwegern von Trail Of Tears weiter, die einen recht gefälligen Symphonic Metal boten. Die Performance des Sextetts wurde im Duett von Ronnie Thorsen und Catherine Paulsen an den Mikros geleitet und man wusste durch sauberen Sound und einige wohl bekannte Stücke zu überzeugen.
Death Metal aus Amersfoort stand anschließend auf der Liste und von Hail Of Bullets wurde dieser auch zünftig zelebriert. Mit ihren düsteren Texten über den Krieg passte das alles wunderbar zusammen und Sänger Martin van Drunen verstand es, dieses auch noch stimmlich perfekt zu untermalen.
Anschließend gab es mal wieder ein kleines Jubiläum zu feiern, denn die niederländische Formation The Gathering wollte in Urbesetzung das Zwanzigjährige ihres seinerzeit gefeierten Albums "Always" auf der Bühne feiern. Ihr spezieller Mix aus Doom und Death Metal kam erwartungsgemäß überragend an, das Zelt war voll.
Auf die Jungs von Ancient Rites hatten wohl auch ziemlich viele Festivalbesucher gewartet, denn die flämische Horde genießt seit 1988 einen Kultstatus. Dazu kam, dass sie die Patrioten unter den anwesenden Friesen hier im Publikum sofort mit einer großen Fahne in den bekannten diagonalen Streifen und roten Blumen auf ihre Seite lockten. Death/Folk Metal stand auf dem Programm und die Belgier wären auch bestimmt standesgemäß abgefeiert worden, hätte es nicht einige Probleme mit dem Sound gegeben. So konnte man etliche Zuschauer den Weg nach draußen suchen sehen.
Von Flandern ging es dann in einem großen Schritt nach Portugal, denn die Jungs von Moonspell schritten zur Tat. Für diesen Auftritt hatten sie sich eine spezielle 'vintage setlist' ausgedacht, deren Fokus auf Stücken der beiden ersten Alben "Wolfheart" und "Irreligious" lag. Zudem ist vor wenigen Wochen das neuste Werk "Alpha - Omega" in die Regale gekommen, dessen technisch ausgefeilter Metal bei den Fans ebenso gut angekommen ist wie beim Auftritt in Dokkum.
Vor der von mir besonders erwarteten Show von Jon Oliva's Pain brauchte ich eine Pause und verzog mich zum Leeren einiger Dosen Bier mit ein paar Jungs ins Catering-Zelt, so dass der Auftritt der Floridaner Obituary mit ihrem Death Metal eher zur Hintergrundmusik wurde.
Rechtzeitig ging es dann wieder in Richtung des großen Festzeltes, das sich bestimmt bis auf den letzten Quadratmeter gut gefüllt hatte. Der Mountain King saß noch locker hinter der Bühne und flachste gut gelaunt herum bis es Zeit war, eben diese zu betreten. Vorher hatte sich schon die Band positioniert und wartete auf den Meister. Unter frenetischem Gejohle und Geklatsche setzte Jon sich hinter einen großen weißen Flügel (der sein E-Piano beherbergte) und stimmte die legendären ersten Töne zu "Gutter Ballet" an. Damit wäre es natürlich ein Leichtes gewesen, das Eis zu brechen und das Publikum auf seine Seite zu ziehen. War aber gar nicht nötig, denn dieses sang von der ersten Zeile des Openers bis zur letzten Zugabe alles mit. Da waren zu Beginn noch das häufiger gespielte "Edge Of Thorns" oder das grandiose "Death Rides A Black Horse", Olivas Anspielung auf den vierten der Apokalyptischen Reiter. Zwischendurch gab es immer wieder humorvolle und selbstironische Ansagen mit einem starken Bezug zu seinen Vorlieben außerhalb der Musik. »I love Holland because you guys are always as stoned as I am!« oder auch sein Wunsch, sich in den Niederlanden niederzulassen und einen Coffee Shop eröffnen zu wollen. Einen späteren, wohl sehr dringenden und kräftigen Schnäuzer in sein Handtuch kommentierte er mit dem lapidaren »Oh well, that was worth another 120 Euros…«
Die gesamte derzeit noch andauernde Tour steht unter dem Motto des Albums Hall Of The Mountain King und so wurde (und wird) dieses erstmalig in seiner vollen Länge auf der Bühne zelebriert. Mit "24 Hrs. Ago", dem Opener des Meisterwerks an Platte, wurde der spezielle Teil des Sets eröffnet. Insgesamt gut zwei Stunden lang brachten Oliva und seine Band das Volk zum Kochen. Neben Jerry Outlaw an der Gitarre und Christopher Kinder an den Fellen, der sich ja schon länger zur JOP-Belegschaft zählen kann, kommen für die Tour an der zweiten Gitarre Joe Diaz und Jason Jennings am Bass hinzu und nicht nur hier in Dokkum gab es einen gelungen Mix aus Savatage, JOP und Doctor Butcher. Das schier ausflippende Publikum hätte noch mindestens eine weitere Stunde aushalten können, aber das Regelwerk sah es anders vor und so musste es sich nach den letzten Verbeugungen damit begnügen, die letzten Drehung um 180 Grad für diesem Abend zu vollziehen, da sich auf der anderen Bühne die Schweden von Arch Enemy breit gemacht hatten. Mit ihrer kernigen Frontfrau boten sie noch einmal melodischen Metal, aber mittlerweile hatte der friesische Himmel sämtliche Pforten geöffnet und binnen Minuten das komplette Areal in eine Fangopackung verwandelt, so dass ich mich in der Hoffnung, mein Auto noch vor der Masse der Tagesbesucher von der Wiese zu bekommen, auf den Weg zum Parkareal machte.
Entgegen meiner Befürchtung war das Ausparken allerdings kein richtig nennenswertes Problem und ich konnte mich voll der Gewissheit, ein gut organisiertes und trotzdem sehr relaxtes Festival besucht zu haben, auf die ländlichen Straßen Frieslands gen Heimat aufmachen. Herzlichen Dank an Jort Visser und sein Team für die freundliche Akkreditierung und die Organisation generell sowie an Gianni Riga und Nick Sourbron für you know what!
Bilder vom Event
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