Und es gibt sie doch noch, die kleine, aber feine Americana- und Folk-Szene in Deutschland! Nicht, dass wir bei RockTimes daran gezweifelt hätten, aber die Anzahl neuer zu reviewender Alben aus diesem Umfeld war in den letzten Jahren doch eher übersichtlich. Wie dem auch sei, der Musiker und Songwriter Wolf Schubert-K. (Ex-Cosmic Twins) gebar die Idee zu diesem schönen Festival, das – soviel ist bereits jetzt klar – in dieser wie auch anderer Form weitergeführt wird. Aber dazu später mehr.
Die sehr passende Location an diesem Spätsommertag war der Innenhof des HoffArt-Theaters in Darmstadt, der den insgesamt etwa einhundert anwesenden Besuchern großzügigen Platz bot, dabei gut gefüllt war und dennoch jederzeit und jedem genügend Bewegungsfreiheit gewährte, sodass der Wohlfühl-Faktor erhalten blieb. Gegen 17:00 Uhr wurde der Reigen von der Singer/Songwriterin Vanessa Novak eröffnet. Die aus Detroit stammende, aber bereits seit vielen Jahren in Darmstadt lebende Musikerin überzeugte dann auch umgehend mit gutem Songwriting und sehr feinem Fingerpicking, mit dem sie ihren Gesang unterstützte. Aufgrund der sechs Bands und dem straffen Zeitplan (es gab Auflagen der Stadt) war der Auftritt der Amerikanerin dann leider (gefühlt) viel zu schnell schon wieder vorbei.
Mit Candyjane enterten anschließend echte Darmstädter Lokalmatadoren die Bühne. Die (mit Keyboards, Stand-up Bass und neben der Gitarre noch der Lap Steel angetretene) Band - bei der für diesen Auftritt kurzfristig Carmen Knöll (Percussion) für den verhinderten Stammdrummer eingesprungen war – benötigte ebenfalls nur wenige Minuten, um das Publikum mit zumeist selbstkomponiertem Americana-Sound auf ihre Seite zu ziehen. Und die wenigen Coversongs wie "Further Up On The Road" ( Bruce Springsteen) sowie das Traditional "Wayfaring Stranger" trugen ihr Übriges dazu bei, den guten Auftritt abzurunden. Nach einer kurzen Umbaupause machte dann die Frankfurter Band Die Doubledylans klar, dass sie dem Publikum nicht lediglich Coverversionen, sondern vielmehr ganz eigene Interpretationen von Bob Dylan-Tracks zu bieten hatte. Teilweise auf englischer, meist jedoch in deutscher Sprache wurden Songs wie etwa "Maggie's Farm", "Subterranean Homesick Blues" oder "Blind Willie McTell" in völlig umarrangierten Versionen dargeboten, was jede Menge Spaß machte. Und durch die teilweise ironischen Texte kam bisweilen sogar noch kabarettistisches Flair mit ins Spiel.
Nicht, um den vorherigen Musikern etwas abzusprechen, aber anschließend wurde bereits beim ersten Song ("Sweet Pain") von Wolf Schubert-K. & The Sacred Blues Band klar, dass die Besucher nun endgültig in der ersten Liga deutscher Musik angekommen waren.
Das Quartett wurde für das anwesende RockTimes-Team durch seinen starken Frontmann (und Namensgeber), den klasse Gitarristen 'Muli' Müller, den sehr guten Bassisten (und Background-Sänger!) Tony Spagone sowie das Groove-Tier Wolfgang Stamm am Schlagzeug zu einer echten Entdeckung. Neben rockigeren Titeln konnten dabei durchaus auch die etwas ruhigeren Stücke (wie etwa "The Ballad Of Rusty & Sin") durch die Bank überzeugen. Als Gast wurde schließlich Bine Morgenstern ( The Slags) auf die Bühne gebeten, die zusammen mit Wolf Schubert-K. ein klasse Duett zum Besten gab. Die gesamte Band und vor allem der Leader wirkten sehr authentisch, gänzlich mit ihrem Songmaterial bzw. den Texten verwachsen und man hatte das feste Gefühl, dass da sehr viel Autobiographie drin steckte. Beendet wurde der sehr starke Gig mit "Long May You Run" vom gleichnamigen Neil Young/ Stephen Stills-Album aus dem Jahr 1975. Großartige Band, großartiger Auftritt!
Mit Spannung erwarteten wir dann den Auftritt von Markus Rill und die (hoffentlich erfolgende) Bestätigung, dass der Mann ebenso stark auf der Bühne, wie auf seinen Alben rüberkommt. Aber falls jemals eine (nicht vorhandene) Skepsis angebracht gewesen wäre, sie hätte sich schon beim Stimmen und dem Soundcheck in Luft aufgelöst. Wer bereits zur Abstimmung der Anlage - vor dem eigentlichen Auftritt - Steve Earles "Guitar Town" intoniert, der kann nur jede Menge Vertrauen in sein eigenes Material haben. Und natürlich war es dann auch so. Der mittlerweile in Bayern ansässige Musiker lieferte einen 1 A-Gig ab und überzeugte mit neuerem ("Late Night Sunday Drive" oder "The Kid From Tupelo"), als auch älterem ("Hobo Dream", "Sarah Stein") Material auf ganzer Linie. Auch vom neuen Album (mit seiner Band The Troublemakers geht es in der kommenden Woche ins Studio) kam ein sehr vielversprechender Song ("Dream Anyway") zum Einsatz. Als Gast kam dazu Biber Herrmann auf die Bühne, um mit Rill die Elvis-Nummer "It's Alright, Mama" zu zelebrieren und als Zugabe fand auch seine Hommage an den großartigen Townes Van Zandt (R.I.P.), "The Late Great TVZ", Berücksichtigung. Aber nicht nur das, Markus Rill erwies sich zwischen und manchmal auch während der Stücke als richtig cooler und witziger Entertainer, der ein paar Schwänke aus seinem Leben zum Besten gab. Neben Wolf Schubert-K. & The Sacred Blues Band war Markus Rill bis dahin das absolute Highlight des Abends.
Der letzte Act an diesem schönen Sommerabend war dann niemand anderes als der Komponist und Blues-Musiker Biber Herrmann, der das 1. Germanicana Folk Festival mit eigenen Songs wie auch Titeln von Muddy Waters (u. a. "Got My Mojo Workin'") auf einer ganz hohen Note ausklingen ließ. Auch er hatte mit der Karlsruherin Anja Sachs eine Gastsängerin am Start, die ihn vortrefflich unterstützte. Bei Herrmann handelt es sich definitiv um einen weiteren Tipp, den Mann mal bei einem seiner Konzerte oder auf einem Album (ganz aktuell ist in diesem Jahr die Scheibe "Grounded" erschienen) anzuchecken. Speziell diejenigen, die sich für ungewöhnliche Spieltechniken auf der Gitarre interessieren, sollten hier nicht zögern, denn in Biber Herrmanns Gitarre steckt eine komplette Band.
Wer neben der tollen Atmosphäre der Location und den klasse Bands ebenfalls sehr zum Gelingen des Abends beitrug, war der Amerikaner Roger Jones, der die Umbaupausen durch seine Poetry und die A-capella vorgetragenen Songs (zumeist Traditionals) noch sehr viel kürzer erscheinen ließ, als diese sowieso schon waren. Hatte einer der anwesenden Gäste bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Schimmer von der Historie der Rock- und Bluesmusik und war darüber hinaus des Englischen einigermaßen mächtig, war er am Ende des Abends allerbestens informiert.
Das Germanicana Folk Festival wird es definitiv auch in der Zukunft geben, da es bereits mehrere Anfragen von anderen Städten in Deutschland gibt. Somit könnte bzw. wird sich die Angelegenheit scheinbar zu so etwas wie einem Wanderzirkus entwickeln, der (wahrscheinlich) mit immer wechselnden Bands durch die deutschen Lande zieht. Eine klasse Idee, eine tolle Sache, der man aus vollem Herzen viel Glück und Erfolg wünscht!
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