 Manchmal muss man sich doch wirklich wundern. Da gehen mit Destruction und Candlemass unter dem Motto 'The Alliance Of The Hellhounds Of Doom And Thrash' zwei echte Metal-Legenden aus den Achtzigern gemeinsam auf Tournee, und was passiert? Keine Sau geht hin.
Was zu Anfang wie eine kleine Sensation aussah, entwickelte sich für beide Bands zu einer ziemlichen Pleite. Wie man im Nachhinein hörte, soll der Zuschauerzuspruch vor allem in Deutschland durchgehend miserabel gewesen sein. So auch im 'N8' in Osnabrück.
Dort muss auch schon der Vorverkauf schlecht gelaufen sein, denn beim Einlass wurde ich zusammen mit einigen anderen Kollegen der schreibenden Zunft von einem grimmigen ältern Herren mit den Worten "erstmal die Leute mit Geld" unsanft ans Ende der (kurzen) Schlange befördert.
 Im 'N8', einer ziemlich ungemütlichen Diskothek, verliefen sich dann im Laufe des Abends, ganz vorsichtig geschätzt, gerade mal einhundert bis einhundertfünfzig Figuren, von denen nach meinem Blick auf die Gästeliste mindestens fünfzig für lau hereingekommen sein mussten. Kein Wunder, dass der Typ an der Kasse so schlecht gelaunt war.
 Vor dieser spärlichen Kulisse war es zunächst an Deathchain diesen, wie es ein Freund von mir scherzhaft bemerkte, "internationalen Frühschoppen" (vier Bands aus vier Nationen), zu eröffnen. Eine mehr als undankbare Aufgabe wie sich herausstellen sollte, denn die anwesenden Zuschauer zeigten sich von der derben Mischung aus Death und Thrash Metal der fünf jungen Finnen sichtlich unbeeindruckt, so dass die Musiker gerade mal Höflichkeitsapplaus ernten konnten obwohl sich diese auf der Bühne redlich abmühten. Sicher mag es daran gelegen haben, dass der Großteil der Anwesenden, wie auch der Verfasser dieser Zeilen, nicht mit dem Material der Band vertraut war. Aber eigentlich hätten die Songs der Skandinavier genau den Nerv der Destruction Fans treffen müssen, bewegte sich ihr Stil doch irgendwo zwischen dem Thrash Metal der Achtziger wie ihn Bands wie Slayer und Kreator spielen und skandinavischen Thrashern wie Maze Of Torment und Merciless. Mir hat der Auftritt jedenfalls recht gut gefallen, so dass ich sicher bei Gelegenheit mal eine ihrer CDs anchecken werde.
 Ein ähnliches Schicksal wie Deathchain ereilte dann im Anschluss die Belgier von After All.
Auch ihnen sollte es nicht gelingen, das verschlafene Osnabrücker Publikum aus der Reserve zu locken, das in einigen Metern Sicherheitsabstand zur Bühne fast teilnahmslos in der Gegend herumstand. Die Musiker ließen sich aber von diesem widrigen Umstand nicht entmutigen, im Gegenteil: die Jungs gaben nach dem Motto 'jetzt erst recht' sofort richtig Vollgas. Die Band konnte den guten Eindruck, den sie mit ihrem aktuellen Album The Vermin Breed bei mir hinterlassen hatten noch untermauern und präsentierten ihre abwechselungsreichen Power/Thrash Nummern mit sehr viel Elan. Man merkte ihnen sofort an, dass sie nicht erst seit gestern zusammenspielen, sondern schon auf eine fast fünfzehnjährige Karriere zurückblicken können.
Mit Sänger Piet Focroul verfügt die Truppe auch wirklich über einen hervorragenden Frontmann. Er war ständig in Bewegung, nutzte jeden Zentimeter der kleinen Bühne aus, turnte auf der PA herum und versuchte immer wieder die lahmarschigen Zuschauer zum Mitmachen zu animieren. Vergeblich. Ich habe selten so ignorante Konzertbesucher erlebt wie an diesem Abend in Osnabrück. Ich werde es mir wirklich zweimal überlegen, ob ich in Zukunft noch mal ein Konzert in dieser Stadt besuche. Es ist mehr als unfair eine Support-Band die über wirklich erstklassiges Songmaterial verfügt und sich auf der Bühne den Arsch abspielt so mies zu behandeln. Erst als am Ende des Sets noch eine Coverversion in Form von Slayers "Raining Blood" zum Besten gegeben wurde, kam doch noch ein wenig Leben in die Bude und man sah einige Matten fliegen. After All hätten nach einer so coolen Show echt mehr Anerkennung verdient.
 Ein völlig anderes Bild bot sich als die deutschen Thrash-Pioniere Destruction die Bühne enterten und mit "Soul Collector" vom neuen Album Inventor Of Evil die Show eröffneten. Plötzlich waren die Fans aus ihrer Lethargie erwacht und verwandelten zumindest den vorderen Bereich des 'N8' in ein Tollhaus. Es wurde gebangt was das Zeug hielt, und vereinzelt sah man auch einige Stagediver durch die Luft segeln.
Mit einer Songauswahl wie an diesem Abend konnten die drei Süddeutschen auch nicht viel falsch machen. Der Schwerpunkt lag selbstverständlich bei den Klassikern aus den Achtzigern. Songs wie "Mad Butcher", "Eternal Ban", "Life Without Sense" oder "Unconcious Ruins" fehlten genauso wenig wie "Curse The Gods", "Total Desaster" und "Bestial Invasion". Als besondere Überraschung gab es auch noch das seit Ewigkeiten nicht mehr live gespielte "Confused Mind" zu hören. Aber auch Songs neueren Datums wie "Metal Discharge", "The Butcher Strikes Back" oder "The Defiance Will Remain" standen bei dem überwiegend jüngeren Publikum fast ebenso hoch im Kurs wie die alten Hits und wurden entsprechend lautstark abgefeiert.
Leider war die Band während ihres Auftritts nicht immer bester Laune, da sie schon den ganzen Tag über mit technischen Problemen zu kämpfen hatte, die Sänger und Bassist Schmier zu einigen Wutausbrüchen auf der Bühne veranlasste. Außerdem beschwerte er sich noch lautstark über die geringe Zuschauerzahl, wofür er natürlich dem Veranstalter den schwarzen Peter zuschieben wollte. Vielleicht sollte die Band auch mal darüber nachdenken, dass sie durch ihre Auftritte bei diversen Sommerfestivals 2005 ein wenig überpräsent war und eine anschließende Tour auch gehörig in die Hose gehen kann.
Den anwesenden Fans versicherte Schmier aber dennoch "200 Prozent zu geben" und "dass es doch viel geiler wäre vor so wenig Zuschauern zu spielen", sein übliches Blabla eben.
Was die 200 Prozent betraf, hatte der hünenhafte Frontmann nicht zuviel versprochen. Trotz ihrer immer wieder auftretenden Schwierigkeiten mit dem Monitorsound bot das Trio ein wirklich mitreißendes Konzert, das seinen absoluten Höhepunkt erreichte, als im Zugabenteil Candlemass-Sänger Messiah Marcolin die Bretter betrat um mit Schmier "The Alliance Of The Hellhounds" im Duett zu singen. Nach dieser Einlage verließen Destruction dann unter tosenden Applaus endgültig die Bühne und konnten den Gig sicher als vollen Erfolg verbuchen.
 Nach diesem Thrash-Gewitter war es nun an der Zeit für das Kontrastprogramm. Während bei den vorangegangenen Gruppen mehr rohe Gewalt und Geschwindigkeit im Vordergrund standen, setzten Candlemass mehr auf schleppende Rhythmen, tonnenschwere Gitarrenriffs und melancholische Gesangsmelodien. Auf die schwedischen Doom Metal-Götter hatte ich mich persönlich am meisten an diesem Abend gefreut. Gut fünfzehn Jahre sind vergangen, seit die Skandinavier das letzte Mal durch deutsche Landen gezogen sind (die Festivalauftritte nach der Reunion 2002 einmal nicht mitgerechnet). Nun sollte ich endlich in den Genuss einer richtigen Headlinershow kommen. Bedauerlicherweise schien ein Teil des Publikums meine Begeisterung nicht so ganz zu teilen, denn direkt nach dem Ende des Destruction Gigs leerte sich der Saal erheblich. Gerade mal fünfzig bis siebzig Fans blieben zurück um der Band den gebührenden Respekt zu erweisen. Wirklich traurig. Aber diese handvoll Leute sollte es nicht bereuen, geblieben zu sein.
Angeführt von ihrem wie immer mit einer Mönchskutte bekleideten übergewichtigen Frontmann Messiah Marcolin servierten die Schweden der überschaubaren, aber mittlerweile gut aufgelegten Meute großartiges 'Greatest Hits'-Programm. Die Musiker waren erfahren genug, um sich von einer fast leeren Halle nicht ins Bockshorn jagen zu lassen und zeigten sich sehr spielfreudig. Sänger Messiah stampfte wild gestikulierend über die Bretter, feuerte immer wieder die Fans an, und sang dabei wie ein junger Gott. Sein charismatischer Gesang verursachte bei mir mehr als einmal eine wohlige Gänsehaut, besoders bei dem epischen "Samarithan" oder dem todtraurigen "Solitude". Solche Göttersongs leben einfach von dieser einzigartigen Stimme, genauso wie die ebenfalls gespielten Doom-Hymnen "Mirror, Mirror", "The Well Of Souls", "Dark Are The Veils Of Death", "Crystal Ball" und das lautstark mitgesungene "Bewitched". Ohne Messiah Marcolin wären Candlemass nur die Hälfte wert, vor allem live, denn neben seiner großartigen Stimme verfügt der Kerl noch über echte Entertainer-Qualitäten. Zwischen den doch eher düsteren Songs sorgte er mit seiner sympathischen Art und seinen überaus witzigen deutschen Ansagen immer wieder für große Lacher.
 Von ihrem famosen, selbstbetitelten Comeback-Album, das gerade mit dem schwedischen Grammy für die beste Hard Rock Performance ausgezeichnet wurde, kamen mit "Assassin Of Light", "Black Dwarf", "Born In A Tank" und "Copernicus" gleich vier Stücke zum Einsatz.
Der einzige kleine Wermutstropfen des wirklich geilen Candlemass-Auftritts war das Fehlen des Rhythmusgitarristen Mappe Björgman, der die laufende Tournee kurz vor der Show in Osnabrück verlassen musste um nach Schweden zurückzukehren. Dadurch hatte Leadgitarrist Lars Johansson alle Hände voll zu tun, das entstandene Soundloch zu stopfen, was ihm aber, unterstützt durch die fetten Bassläufe von Bassist und Bandgründer Leif Edling, bestens gelang, so dass man die zweite Gitarre kaum vermisste.
Alles in allem muss man trotz der ernüchternden Zuschauerzahl und der beschämenden Publikumsreaktionen bei den Supportbands von einem sehr gelungenen Konzertabend sprechen.
Die mehrere hundert Kilometer lange Anreise hatte sich auf alle Fälle gelohnt (an dieser Stelle noch mal vielen Dank an meinen Kumpel Markus, der die Strapaze auf sich nahm, die weite Strecke zu fahren.)
The Alliance Of The Hellhounds Of Doom And Thrash Tour 2005, 21. November 2005, N 8, Osnabrück
Stefan Gebauer, 26.03.2006
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