Quasi Stunden zuvor dem Flieger aus Südostasien entstiegen, machte ich mich auf den Weg ins benachbarte Belgien, um mir nach mehrwöchiger Abstinenz direkt mal wieder eine volle Packung abzuholen. Eisden (bei Maasmechelen) ist ja für uns Bewohner des euregionalen Dreiecks Belgien - Niederlande - Deutschland ein wahrlich kurzer Katzensprung und so landete ich bei allerschönstem Sonnenschein auf dem Festivalgelände mitten im Auftritt der Jungs von Desperation, aber davon später mehr. Das großflächige Areal war schön bequem am Ortsrand gelegen, bot zudem ausreichend Platz zum Parken der Autos und verfügte neben einer Vielzahl von Verkaufsständen auch über zwei Bühnen, eine davon in einem großen Festzelt, während die Main Stage groß und hoch und unter freiem Himmel war. Hier hatten sich bereits am Tage zuvor rund zehn lokale Bands die Ehre gegeben und das Publikum lautstark auf den zweiten Teil des Festivals eingestimmt.
Der Sonnabend stand dann ganz im Zeichen eines Mixes aus verschiedenen europäischen Bands; Belgien und die Niederlande waren ebenso vertreten wie Skandinavien oder auch Deutschland. Leider hatte ich aus Zeitgründen die Auftritte der mir bereits bekannten Truppen Keyrah und Civilian verpasst, die mir live bislang immer sehr viel Spaß gemacht haben. Mir wurde anschließend auch glaubhaft versichert, dass die Shows perfekt inszeniert und gut angekommen waren. Ah well, next time. Mein 'Auftritt' traf, wie eingangs erwähnt, mit dem der Belgier von Desperation zusammen und ich konnte mir einen guten Eindruck dieser m. E. vollkommen unterbewerteten Metaller verschaffen. Im Grunde hätten sie vor Jahren schon einen Siegeszug durch Europa antreten müssen, denn das Dargebotene ließ nicht die Spur eines offenen Wunsches zurück. Besonders Frontmann Andrzej, der mir bis dato lediglich aus einigen privaten Unterhaltungen mit ihm bekannt war, hat mit seiner Stimmgewalt und vor allem -variabilität mächtig Eindruck bei mir hinterlassen. Dass das kein positiver Ausrutscher war, konnte ich wenige Tage danach im Vorprogramm von Crimson Glory bestätigt finden und ich freue mich darauf, Desperation bald auch als Support für den Ripper zu sehen, wenn der am 9. September sein einziges für mich erreichbares Konzert im belgischen Genk gibt.
Als nächstes ging es dann nach draußen zur großen Bühne, wo das Septett von Anwynn die Instrumente stimmte und die Falten in den Kilts zurechtrückte. Mit ihrem Symphonic Death Metal und ihrer Bühnenshow zogen sie so ziemlich jeden Zuschauer aus den schattigen Bereichen in die Sichtweite der Bühne. Ihre textlichen Inhalte beziehen sie aus der keltischen Mythologie und tragen sie üblicherweise im Wechselgesang zwischen Amandine und McBouc vor. Erstere ist als Frontfrau für die verständlicheren Parts zuständig, während der in piktischer Kriegsbemalung auftretende Kollege mehr für die Growls verantwortlich zeichnet. Zwei Gitarristen, ein Bassist und der Drummer runden das Bild ab. Auf keinen Fall zu vergessen ist die Keyboarderin Astrid, die leider ein wenig an den Bühnenrand gedrängt schien, aber dennoch für einen ordentlichen Soundteppich, und ob der wüsten Kollegen auch für einen optisch eindrücklichen Kontrast sorgen konnte.
Sin7sinS hieß der folgende Act und ließ das Publikum erneut eine 180 Grad-Drehung in Richtung Zelt vollziehen. Eine weitere Female Fronted Metal Band, diese hier aus dem niederländischen Utrecht, stand somit auf dem Programm und rockte die spätnachmittägliche Menge mit ihrem Metal. Während draußen die Sonne unablässig vom Himmel brannte, taten die Niederländer Selbiges auf der Bühne und brannten ihr musikalisches Feuerwerk ab. Ihr aktuelles Album war gerade vor wenigen Wochen auf dem Markt erschienen und musste hier dann natürlich auch vorgestellt werden. Für mich aber ging es erstmal zur Verkostung, denn der leere Magen rief lauter als die Stimme von Lotus, der Sängerin und Frontfrau der Band.
Danach wurde es dann hessisch in Limburg, zumindest auf der Bühne, denn die Frankfurter von Sapiency zogen in den Kampf, um uns ihren deutschen Modern Metal auf die Ohren zu hauen. Ich hatte sie schon mal im Vorprogramm von Power Quest und Pathfinder gesehen, was aber wegen persönlicher situationsbedingter Umstände eher eine beiläufige Angelegenheit gewesen war. Bekanntermaßen arbeiten die Jungs mit zwei Vokalisten, die sich den 'sauberen' Gesang und die 'vergrowlten' Töne teilen. Hier zogen sie nun eine sehr saubere Show ab, die von großen Teilen des anwesenden Publikums mit viel Applaus bedacht wurde. Da kamen echt gute Laune und Spielfreude rüber und ich muss gestehen, dass mir die Show sehr viel besser gefallen hat als das, was ich von unserem letzten 'Zusammentreffen' in Erinnerung hatte. Respekt!
Mit den Niederländern von Nemesea gab es danach eine Mischung aus Metal, Alternative und Elektro, die die Zuschauer wiederum ins Zelt lockte. Erneut eine Female Fronted-Band, die für das Festival gebucht worden war und die bereits seit gut zehn Jahren in der Szene aktiv ist. Hier stellte das Quintett aus der Provinz Groningen (das ist ganz weit im Norden) nun zu ansehnlichem Applaus den allerneusten Silberling "Quiet Resistance" vor. Wie auch von fast (!) allen anderen Bands, konnte man an dem großen und stets super freundlich besetzten Merchandise-Stand die neusten Fan-Artikel und Scheiben dieser Truppe käuflich erwerben, was nach meinem Eindruck auch recht rege getan wurde.
Hannover hat neben anderen Errungenschaften im außermusikalischen Bereich nicht nur die Scorpions hervorgebracht - eine Tatsache, die ja hinlänglich bekannt ist. Und so stammte der nächste Act auf der Liste des Festivals, die deutschen Thrasher von Cripper, nun ebenfalls aus der niedersächsischen Landeshauptstadt. Mir war es anfänglich ähnlich gegangen, wie dem Thrash-Kollegen Jens, der in seiner Rezension von einem 'angepissten Typen' am Mikro sprach. Weit gefehlt, mittlerweile auch hinlänglich bekannt, die Frontfrau Britta Görtz ist für sämtliche Lautäußerungen verantwortlich - und da kommt echt eine ganze Menge aus der Kehle! Super Auftritt der von den Kollegen liebevoll Elchkuh Genannten, kurzweilige Show, für mich die zweite richtige Überraschung des Tages. Dieser Thrash hat echt Spaß gemacht und auch die Kollegen anderer Bands fanden sich vor der Bühne ein, um das Quintett zünftig abzufeiern.
Im Anschluss wurde es dann im Zelt sehr nordisch, denn der Vierer aus dem norwegischen Stavanger betrat die Bühne, es war die Zeit für Sirenia gekommen. Seit Anfang 2001 dreht sich das Karussell um Morten Veland, der neben seiner Gitarrenarbeit und dem Gesang auch noch für das Komponieren dieser Mischung aus Gothic Metal, Classic Rock und natürlich rein klassischer Musik verantwortlich ist. Am zentralen Mikro steht, mal wieder an diesem Abend, eine Frau, die auf den schönen Namen Ailyn lauscht. Lauschen konnte auch das Publikum, nämlich ihrer kristallklaren Stimme, mit der sie ein paar eindrückliche Akzente setzen konnte. Zu Beginn des Jahres hat die Formation ihr neustes Album "The 13th Floor" auf den Markt gebracht, aus dem logischerweise auch einige Stücke vorgetragen wurden.
Noch bevor Sirenia ihr Ding zu Ende gebracht hatten, scharten sich bereits die ersten Jünger der Totengräber vor der großen Bühne. Grave Digger waren als Headliner des zweiten Abends, bzw. des Festivals überhaupt geladen und wurden freudig erwartet. Kurz vor dem Auftritt konnte man noch Gitarrist Axel Ritt sehen, wie er an der Absperrung einige Plektren verteilte und dann gingen auch schon die Lichter aus. Intro vom Band, alles auf die Bühne und der Reigen wurde mit "The Round Table" stilvoll eröffnet. Der Power Metal-Fünfer aus Teutonien spielte sein Set routiniert und zumindest bei den sichtbaren Mitgliedern voller Spielfreude runter. Nicht zu sehen war Keyboarder Hans Peter Katzenburg, der sich mit Maske und langem Gewand als der Tod verkleidet hatte und erhaben und effektvoll angestrahlt über Allem thronte. Besonders Gitarrist Ritt schaffte das Publikum (und wohl auch sich selbst) mit seiner powervollen eindrücklichen Show. Das Set bestand aus einer Mischung von Stücken aus dem 'Scottish History Set' und anderen Songs, die dankbar und lautstark angenommen wurden. Als absolut krönenden Abschluss gab es natürlich den guten und uralten "Heavy Metal Breakdown", der abgefeiert und mitgesungen wurde, aber auch unwiderruflich den letzten Titel einer geilen Show einläutete. Etwas schade fand ich die Tatsache, dass man nicht den Hauch einer Devotionalie von der Band kaufen konnte, da habe ich so einige enttäuschte Gesichter gesehen und Stimmen gehört.
Weil man ja eigentlich nicht einfach so nach dem Headliner nach Hause gehen kann, hatte Veranstalter Koen mit seinem Team noch zu einer After Party geladen, die ebenfalls im Zeichen eines Liveauftritts stand. System Pilot hieß der endgültig letzte Act des Abends, besser, der Nacht. Den Saitenhexer Marcel Coenen hatte ich erst kürzlich in einem seiner multiplen anderen Projekte und Bands mehrfach bewundern können und auch der Rest dieses Zusammenschlusses darf sich wahrlich sehen lassen. Ihr Anliegen ist es, bekannte und auch nicht so bekannte Songs internationaler Größen mit technisch hohem Anspruch zu covern. Wie gut das ankommt, das konnte man an diesem Abend sehen. Nicht nur ein paar wenige Kollegen der anderen Bands standen, sangen und tobten in der ersten Reihe - es war eine richtige Party im wahrsten Sinne des Wortes. Und auch nach dem offiziell letzten Stück wollte sie keiner der Anwesenden von der Bühne lassen, weiter und weiter sollte es gehen. Egal ob regulärer Bestandteil des Programms oder schlichte Improvisation, Hauptsache es konnte zünftig abgefeiert werden.
Für die tolle Organisation, die Akkreditierung und die vielen anderen Dinge möchten wir dem fantastischen und immer freundlichen Team (ganz große Klasse!!) von Rommelrock 2012 herzlich danken und hoffen, dass wir 2013 wieder mit an Bord sein dürfen.
Bilder vom Event
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