Rock im Spreewald - Southern Rock Junkies
Blank & 'Boddi' Bodag Projekt - Burg / Cottbus
15.06. - 18.06.2006
4tes Listentreffen der Southern Rock Mailingliste Deutschland
Rock Im Spreewald
Liebe Leserinnen und Leser, es leben die Subkultur und die Subtropen!
SR Meeting 06Bereits zum vierten Male traf sich dieses Jahr vom 15. bis 18. Juni die Southern Rock-Gemeinde Deutschlands (Southern Rock-Mailingliste) in Burg im Spreewald.
Nachdem ich letztes Jahr dort meine Premiere feierte, fuhr ich diesmal in der freudigen Erwartung hin, neu gewonnene Freunde, leidenschaftliche Mitstreiter des (rock)musikalischen Enthusiasmus und liebe KollegInnen wieder zu sehen bzw. neue kennen zu lernen.SR Meeting 06 Darüber hinaus ist die Location des jakubinischen Bauernhofes nur noch von den Hausbooten in den Sümpfen Louisianas zu toppen, wobei ich auf der obligatorischen Kahnfahrt durch die Spreeauen sogar Alligatoren vor meinem geistigen Auge vorbeischwimmen sah. Diese Halluzinationen mögen belegen, dass auch die feuchtschwülheiße Witterung das Ihrige dazutat, dieses Treffen so authentisch wie möglich zu machen.
Ansonsten strumpelten ca. 60 begeisterte JüngerInnen dieser vom Aussterben bedrohten Gattung der künstlichen Musikschubladenkategorisierung durch die Gegend, meist in den diversen T-Shirt - Trophäen der eigenen Musiksozialisation gewandet und sorgten in all ihrer Lebendigkeit dafür, dass die Szene, allen Unkenrufen zum Trotz, doch noch nicht mausetot ist, sondern zumindest einmal im Jahr fröhliche Urständ feiert.
Dabei wurde selbstredend dem gehaltvollen Gerstensaft gefrönt, die T-Bone - Steaks landeten erst auf dem Grill und anschließend in diversen Mägen und neben allerlei persönlicher Konversation kam das Wohl und Wehe des Südstaatenrocks auf den Prüfstand.
SR Meeting 06Höhepunkt des donnerstäglichen Einstiegsfestes war wieder einmal die akustische Jam-Session einiger aktiv musizierender Listenmitglieder, welche selbst völlig unmusikalische Zeitgenossen (wie mich beispielsweise) zu rhythmischem Klopfen oder arg neben der Spur liegenden Refraingesängen anregen konnten. Dabei kamen beileibe nicht nur Genreklassiker aufs Tableau, sondern auch Folkies wie weiland Dylan, dessen "Knockin' On Heaven Door" in einer mitreißenden Interpretation gespielt und mitgegrölt wurde.
SR Meeting 06Nach einem derartigen Höhepunkt folgte nach einer kurzen Nacht die bereits erwähnte Kahnfahrt, auf der zu meiner Verwunderung niemand von einem Spreealligator angefallen wurde, sondern ersatzweise von unzähligen Spreemoskitos, auch 'gemeine Stechmücke' genannt.
Komplett 'abgestochen' ging es dann wenig später gleich weiter im vorzüglichen Programm, denn wir enterten wild entschlossen und gleichermaßen ausschauend die Hauptstadt Louisianas, Verzeihung, der Lausitz am Rande des Spreewalds - Cottbus - , wo an diesem Tage ein dreitägiges Stadtfest startete. Dieses gestaltete sich sehr interessant, verband es doch den typischen Jahrmarkt (die Kirmes) mit den inzwischen etwas ausgelutschten Fress- und Saufbuden nebst diversen Bühnen und bot darüber hinaus sogar etwas Mittelalterspektakel. Dabei stellte sich heraus, dass Cottbus wohl die Stadt mit den meisten (Markt)Plätzen Deutschlands ist. Das zerrte das Fest ziemlich auseinander und beschäftigte uns entsprechend lange.
SR Meeting 06Zur schlussendlichen Stärkung diente dann aber doch ein klassischer Italiener, gleich um die die Ecke des Bebel-Clubs, Standort des Highlights des gesamten Listentreffens, nämlich der Southern-Jam-Bluesrock - Session mit den Southern Rock Junkies und dem Blank & 'Boddi' Bodag-Projekt.
Doch bevor wir uns frohgemut ins dortige Getümmel stürzten, bekamen wir von der netten (und jungen!) Bedienung knallhart unseren Status Quo aufgezeigt:
Southern Rocker: »So, es hat wirklich lecker geschmeckt. Wir gehen jetzt in den Musikklub, gleich hier um die Ecke. Den kennen Sie doch bestimmt auch!«
Kellnerin: »Wie jetzt, hier gibt es einen Musikklub in der Nähe?«
Southern Rocker: »Ja, der ist doch nur ein paar Schritte von hier entfernt, der Bebel-Club«.
Kellnerin: »Waaaas, der komische Schuppen da???«
Southern Rocker: »Wieso komischer Schuppen?«
Kellnerin: »Och, da sind ja nur alte Leute, da senke ich ja total den Altersdurchschnitt«, (»wie peinlich«. - dies äußerte die Gute aber nur in Gedanken, der Verfasser)
SR Meeting 06Nun, da konnte ja nix mehr schief gehen und unsere Gruppe alter Menschen begab sich in freudiger Vorerwartung in den Club - und umgehend wieder raus. Puh, tropische Temperaturen sorgten für eine gepflegte Saunaatmosphäre. Es ist ja wohl ein offenes Geheimnis, dass schwitzende KonzertbesucherInnen einen großen Durst entwickeln. Wozu also eine Klimaanlage und/oder Lüftung aktivieren?
Der Club füllte sich nach unserer Listentreffen-Invasion nur langsam, so dass die Southern Rock Junkies erst gegen 21.45 Uhr die kleine, hell erleuchtete Bühne enterten.
SR Meeting 06Dabei handelt es sich um den Zusammenschluss von sieben gestandenen Musikern (spielen in verschiedenen Stamm[Freizeit]bands und sind teilweise selber Listenmitglieder), die letztes Jahr extra zum Listentreffen dieses Projekt gründeten und dabei dermaßen begeisterten, dass es dieses Jahr glücklicherweise zu einer Neuauflage und somit einem zweiten Konzert dieser besonderen Zusammenarbeit kommen sollte.
Nach immerhin(?!) zwei Proben rockten die Junkies gewaltig das Haus und rissen mindestens die angereiste Southern Rock-Gemeinde von Anfang an aus ihrer Tropenlethargie. Jeweils 3x Molly Hatchet, Lynyrd Skynyrd und ZZ Top wiesen den programmatischen Weg, hier wurde gehobelt, dass die Späne nur so flogen. Voller Einsatz, und das bei dieser Hitze, speziell auf der permanent von Scheinwerfern ausgeleuchteten Bühne, das verlangte einem höchsten Respekt ab. Übrigens auch für das (überraschend?) flüssige, homogene und kompakte Zusammenspiel.
SR Meeting 06Klar in den Vordergrund spielte sich dabei für mich Gitarrist und Sänger Dieter Dressel, der den typisch singenden Southern Rock-Sound auf seinen Klampfen wunderbar recycelte. Kongenial unterstützt wurde er vom zweiten Gitarrero Eberhard 'Epi Keith Townshend' Schmidt, der wahlweise das berühmte Flügelrad auspackte, oder ultralässige wie harte 'Palmenriffs' vom Stapel ließ, weniger mit dem singenden Ton, sondern eher mit hardrockig zerrendem/aufjaulendem Sound ausgestattet.
Zusammengehalten und vorwärtsgetrieben wurde das Ganze vom versierten und punktgenau spielenden Schlagwerker Robert Schwarz, Rhythmusgitarrist Christian Schneider und dem Basser, 'Mastermind' und guten Seele der Band, Robert Hiemer, der eine erstaunliche Bühnenpräsenz entwickelte und geradezu entfesselte Läufe auf den dicken Saiten durch die Boxen jagte.
Garnieren, würzen, abschmecken, abrunden - das war die Sache von Sänger Christian Haller und Harmonikaspieler Maik Schorrat.
SR Meeting 06Neben den bereits erwähnten Klassikerbands bekamen wir noch ein krachendes "It's All Over Now" (Rolling Stones), ein packendes "Train, Train" (Blackfoot) mit Shorty Medlocke Gedächtnis- Harp-Intro, einen soliden "Statesboro Blues" (Allman Brothers Band) und ein für mich persönlich besonders erfreuliches "Wishing Well" (Free) geboten.
Als ob es nicht schon heiß genug gewesen wäre, nun war der Siedepunkt annähernd erreicht. Unter großem Jubel traten die Junkies ab, ihren eigenen Ankündigungen nach leider für immer. Schade, denn so lasse ich mir Cover-Bands wirklich gefallen!
SR Meeting 06Da hatte es das nach einer Umbaupause loslegende Blank & 'Boddi' Bodag Projekt ungleich schwerer. Begannen die jeweils drei Musiker der Bands Blank und Engerling, uns Nordlichtern nicht wirklich ein Begriff und an diesem speziellen Abend zu einer Jam-Band der besonderen Art fusioniert, doch mit einer sächsischen Eigenkomposition. Darüber hinaus konnte zunächst das Zusammenspiel nicht überzeugen. Es fehlte einfach an einer gewissen Homogenität. Aber plötzlich, als Tastenmann und Vokalist 'Boddi' Bodag, übrigens ein Lookalike unseres geschätzten Kollegen Ulli Heiser, den Small Faces-Knaller "All Or Nothing" ankündigte und anschließend mit kratzig rauer Kehle auch anstimmte (okay, Steve Marriott erreicht freilich so leicht keiner!), platzte der Knoten. Das Zusammenspiel steigerte sich von Stück zu Stück, um schließlich geradezu in einen Fluss von rockmusikalischem Infernogeflechts zu münden.
SR Meeting 06Somit folgte eine ausgesprochen geschmackvolle wie spannende weitere Reise in Sachen popularmusikalischer Rockvergangenheit, indem solch unterschiedliche Sachen wie Marianne Faithfulls "Broken English", Jagger/Richards "Sway" und "Jessica" von der Allman Brothers Band zum Besten gegeben wurden. Haute mich schon die absolut gelungene Interpretation des nicht so abgenudelten "Sticky Fingers"-Klassikers von den nicht an den verschwitzten Füssen befindlichen Socken, so versetzte das Dickey Betts Alltime-Denkmal den RockTimes-Musikredaktör geradezu in Ekstase. Mir doch völlig schnuppe, dass hier viel zu schnell gespielt wurde - umso besser, die Kutsche war eh gerade so schön in Fahrt.
SR Meeting 06In meiner wachsenden Begeisterung vernahm ich noch einen weiteren Small Faces-Knüller ("Tin Soldier"), Stones-Material der unbekannteren Sorte ("Dead Flowers", ebenfalls vom Zungen-Album), Lynyrd Skynyrds "I Know A Little", das Allman'sche "It's Not My Cross To Bear", wobei der geschätzte Kollege János Wolfahrt Stein und Bein schwört "Don't Want You No More" gehört zu haben, den Green'schen Fleetwood Mac Frühzeitrocker "The Green Manalishi" und im Zugabenteil das Steely Dan-Stück "Reelin' In The Years". In selbigem bekamen wir auch noch einen Stephen Stills-Oberhammer um die verschwitzten Ohren gehauen (vermutlich vom "Manassas"-Album) und der junge Gitarrist und Vokalist Hannes Schulze bediente frech hinter seinem Stammschlagwerker für einen Abend, Jürgen Schötz, diverse Bestandteile des Drum-Kits. Das hatte ich, so zumindest meine schwache Erinnerung, zuletzt vor knapp 15 Jahren bei Melissa Etheridge und Band gesehen.
SR Meeting 06Bestimmt habe ich auch einiges Material einfach nicht erkannt, aber was wunder, der Musikredaktör schüttelte längst seine graue Restmatte direkt vor der Bühne und kam kaum noch dazu, seinen Flüssigkeitshaushalt zu regulieren.
Angetrieben vom enorm präzisen Jürgen Schötz, potenziert durch den ebenfalls sehr jungen und ungemein forschen wie elastischen Bassisten Michael Pflüger und kongenial begleitet von 'Boddi' Bodag an den Tasten, gaben uns die drei Saitenakrobaten Hannes Schulze und seine beiden älteren Mitstreiter Carsten Große und Heiner Witte wirklich das volle Brett überragender Saitenartistik mit viel Gefühl und Groove in den flinken Fingern. Hut ab, das war ganz großes Tennis mitten in der Provinz (sorry Cottbus). Ob Slidegewitter oder stimmiges Stratsolo, irgendwann verschwammen bei mir die Grenzen der einzelnen Songs und das Projekt mutierte doch noch zu einem Monsterjam.
An dieser Stelle auch meinen Respekt für den umtriebigen Organisator und Veranstalter dieses Events und des Listentreffens, Torsten Starke. Ein positiv Musikverrückter, der unser Aussterben vielleicht doch noch etwas herauszögern kann.
SR Meeting 06Nach diesem Ereignis benötigte die betagte Southern Rock-Gemeinde den Samstag zum 'Outchillen' und traf sich abends/nachts in vereinter Zusammenkunft am romantischen Lagerfeuer, um Geist und Seele baumeln zu lassen. Darüber hinaus gab's natürlich das ein oder andere Schwätzchen und ich glaube, dass sich alle wirklich einig waren:
Sofern es Gesundheit(!), Arbeitsplatz/Chef/Chefin und Terminkalender zulassen - wir treffen uns nächstes Jahr wieder! Gleiche Welle, gleiche Stelle und hoffentlich mit listenaktivem Nachwuchs - sonst sterben wir womöglich trotz aller Bemühungen doch noch aus. Es wäre jammerschade um diese bunte, fröhliche und friedliche Subkultur!
Setlist Southern Rock Junkies:

SR Meeting 06 1. "Flirtin' With Disaster" (Molly Hatchet)
2. "Statesboro Blues" (Blind Willie McTell/Allman Brothers Band)
3. "Gimme Three Steps" (Lynyrd Skynyrd)
4. "Whiskey Rock-A-Roller" (Lynyrd Skynyrd)
5. "It's All Over Now" (Womack & Womack/Rolling Stones)
6. "Let The Good Times Roll" (Molly Hatchet)
7. "Wishing Well" (Free)
8. "Train, Train" (Blackfoot)
9. "Tube Snake Boogie" (ZZ Top)
10. "Dreams I'll Never See" (Gregg Allman/Molly Hatchet)
11. "That Smell" (Lynyrd Skynyrd)
12. "La Grange" (ZZ Top)
13. Encore: "Tush" (ZZ Top)


Erkannte Songinterpretationen des Blank & 'Boddi' Bodag Projekts:

SR Meeting 06 "All Or Nothing" (Small Faces)
"Broken English" (Marianne Faithfull)
"Sway" (Rolling Stones)
"Jessica" (Allman Brothers Band)
"Tin Soldier" (Small Faces)
"I Know A Little" (Lynyrd Skynyrd)
"It's Not My Cross To Bear" (Allman Brothers Band)
"The Green Manalishi" (Peter Greens Fleetwood Mac)
"Dead Flowers" (Rolling Stones)
"Reelin' In The Years" (Steely Dan)
Ein Song von Stephen Stills
evtl. "Don't Want You No More" (Allman Brothers Band) → statt "It's Not My Cross To Bear"
evtl. ein Song von James Gang
Impressionen
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4. Listentreffen der Southern Rock Mailingliste Deutschland in Burg, Spreewald, vom 15. bis 18 Juni 2006
Olaf "Olli" Oetken, Fotos: Norbert Neugebauer, 04.07.2006