2008. Mit ihrem sechsten Studioalbum "Torn" feiern Evergrey ihr 15-jähriges Bestehen, zehn Jahre im Business (seit "The Dark Discovery" 1998), die Premiere beim neuen Label Steamhammer/SPV und einen wohltuenden Schritt 'back to the roots'! Die glattgebügelten Melodien und der etwas leblose, mechanisch wirkende Sound des experimentellen und durchwachsenen Vorgängers Monday Morning Apocalypse sind bereits Vergangenheit.
"Torn" erklingt wieder in einem prächtigen, druckvollen Sound und ist auch deutlich härter und aggressiver. Und die Melodien und Riffs graben sich so unerbittlich im Gehörgang fest, wie man das von den Meistern des düsteren, progressiven Melodic Power Metal gewohnt war. Kurzum - "Torn" ist wieder Leidenschaft pur und für mich das beste Werk der Schweden seit "Recreation Day".
Doch "Torn" ist pointierter, die Songs noch ein Stück weit kompakter als damals. Das mag daran liegen, dass es sich nicht um ein Konzeptalbum handelt. "Torn" ist heavier und gitarrenlastiger. Ruhige Momente sind rarer geworden. Das Keyboard hat weniger Melodieanteile, sticht aber natürlich durch hohe Klaviermelodien als Kontrast zu düsterem Riffing immer wieder hervor.
Akustik-Balladen im Stile von "Faith Restored" oder "State Of Paralysis" gibt es dieses Mal gar keine. Aber Sänger Tom Englund braucht diese Solo-Auftritte nicht, um zu glänzen. Es ist einfach umwerfend, wie er mit seiner unverwechselbaren, kraftvollen Stimme dem tonnenweise geschmiedeten Schwermetall voller Passion Paroli bietet. Einfach begnadet, wie die Emotion in dieser Stimme den wie immer düsteren und beklemmenden Lyrics Ausdruck verleiht.
In den elf Songs des Albums spielen Evergrey mit alter, neuer Stärke ihre ureigenen Trademarks aus. Mal mit fiesen Staccato-Gitarren im Mid-Tempo, mal mit rasantem, thrashigen Riffing wird viel harte Erde umgegraben, bevor man dann das Tempo rausnimmt und in getragene Refrains wechselt. Atmosphärisch, schaurig, betörend. Zudem agiert die Band technisch gewohnt anspruchsvoll und produziert auch mit ihrem neuen Bassisten Jari Kainulainen (Ex- Stratovarius) reihenweise Mörder-Grooves.
Kaum eine andere Band versteht es so gekonnt, Aggressivität mit Melodie zu verknüpfen und diese geniale Symbiose außerdem auf so abwechslungsreiche rhythmische Unterbauten zu packen, um drohender Monotonie zu entkommen. Am meisten im Ohr hängen bleiben somit die rhythmisch einfache, aber genial versetzte Düster-Hookline von "Soaked", der unnachgiebig nach vorn peitschende Drive von "In Confidence" und die intensive melancholische Atmosphäre im Chorus von "Fail" - Tom Englund singt so eindringlich, dass man glauben könnte, er sei dabei am Heulen!
Etwas aus dem Rahmen fällt der Titelsong "Torn", ein ständiger Wechsel aus schwergewichtiger Power-Ballade und Akustikpassagen, welche zu den ganz wenigen, richtig balladenhaften Momenten der Scheibe zählen. Ein formidabler fieser Metal-Ohrwurm ganz ohne Ruhepause ist "Nothing Is Erased".
Ein kompaktes Album mit zahlreichen Höhepunkten und ohne Durchhänger endet schließlich doch noch mit einem leichten epischen Touch. Beim knapp sechsminütigen "These Scars" gibt es eine längere, progressiv angehauchte Instrumentalstelle und den inzwischen fast obligatorischen Gesangsauftritt von Tom Englunds Frau Carina.
Alles in allem gehen hochverdiente 8,5 von 10 RockTimes-Uhren nach Schweden für ein Album, mit dem Evergrey ihren Stil freilich nicht neu erfinden können, das aber endlich wieder so gut ist, wie man es von ihnen erhoffen darf. Und noch einen Tick besser...
Line-up:
Tom S. Englund (vocals, guitar)
Henrik Danhage (guitar)
Jari Kainulainen (bass)
Rikard Zander (keyboard)
Jonas Ekdahl (drums)
Tracklist |
01:Broken Wings
02:Soaked
03:Fear
04:When Kingdoms Fall
05:In Confidence
06:Fail
07:Numb
08:Torn
09:Nothing Is Erased
10:Still Walk Alone
11:These Scars
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