Unter dem Label Factory Of Dreams verbinden zwei Menschen aus weit voneinander entfernten Ecken Europas ihre Talente: Der Portugiese Hugo Flores, der die Musik schreibt und alle Instrumente bedient, und die Schwedin Jessica Lehto, deren Stimme so etwas wie das Aushängeschild der 'Traumfabrik' darstellt. Flores ist mit seinem Project Creation seit Längerem in der Progressive-Branche aktiv und manchem Insider sicherlich ein Begriff. Jessica Lehto nimmt seit Jahren unter eigenem Namen und mit der von ihr gegründeten Band Once There Was Demos und Alben im Gothic-Bereich auf. Übrigens zeichnet sie sich auch verantwortlich für's Übersetzen der Nightwish-Homepage ins Schwedische - die Band dürfte nicht nur zu ihren Arbeit- sondern auch Inspirationsgebern zählen. Mit Factory Of Dreams treffen ihr stark klassisch geprägter Gesang und das progressive Songwriting von Hugo Flores aufeinander.
Auf "A Strange Utopia", dem zweiten Album nach Poles (2008), stehen dem Hörer überraschend schwer verdauliche 69 Minuten und 48 Sekunden bevor. Schuld ist vor allem das gewöhnungsbedürftige Songwriting des Herrn Flores. Hier komme ich zu ganz ähnlichen Beurteilungen wie RockTimes-Kollege Christoph bei seinem Review zum Project Creation-Album Dawn On Pyther: Die Stücke bestehen aus zahlreichen fragmentierten Einzelteilen ohne erkennbaren Zusammenhang, die einander einigermaßen sprunghaft abwechseln. Die Einzelteile können sich allerdings oft hören lassen, seien es bombastische Symphonic Metal-Refrains mit Opern-Attitüde im Stile von frühen Nightwish, zauberhafte Melodien mit engelsgleichem Edenbridge-Gesang oder süßlich-schwebende Sphären à la Enya, die als Gegenpart zum schweren Metall taugen.
Jessica Lehto kann mit all diesen musikalischen Facetten prima umgehen; nicht ganz unzutreffend gibt sie Frauen wie Anneke van Giersbergen, Sarah Brightman, Björk oder Enya als ihre Einflüsse an. Wie all die verschiedenen Zutaten aber miteinander vermischt werden, das klingt zum Teil verdächtig nach Zufallsgenerator. Selbst, wenn man sich konzentriert auf die Musik einlässt... wenn wildes Geschrubbe plötzlich derart abrupt von himmlischem Geklimper abgelöst wird wie in "The Road Around Saturn", dann ist das wie Sauerbraten mit Zabaione - das ist beides unheimlich lecker, aber zusammen genossen doch ein Fall für den Geschmackspsychiater. Ähnlich verquert strapaziert auch Songschreiber Hugo Flores die akustischen Geschmacksnerven des geneigten Hörers - es fällt schwer, die guten Momente auf "A Strange Utopia" nachhaltig zu genießen.
Das Sounddesign der Platte macht's einem nicht einfacher. Die Produktion ist zwar superordentlich, und Flores hantiert wirklich gekonnt mit elektronischen Effekten, kreiert fesselnde, mechanisch wirkende Drives, die zusammen mit dem Gesang eine hypnotische Wirkung entfachen. Doch leider weiß er nicht, wann es mal gut ist. Es kommen immer mehr und mehr Effekte, Samples und Instrumente hinzu, bis alles arg überladen klingt. Anspiel-'Tipp' ist in diesem Fall "The Weight Of The World" - das Stück ist zwar gut strukturiert und verfügt über eindringliche Melodien; doch ab einem bestimmten Punkt wird so viel parallel gewuselt, dass es klingt, als würde man zwei Songs gleichzeitig hören. Dieses Gefühl, das Verlangen, einen Teil des Ganzen abzuschalten, beschleicht mich doch des Öfteren. Als ein weiteres Manko erweisen sich zumindest mancherorts die programmierten Drums. Das macht Flores meist gut - doch da, wo der Schlagzeugklang mit Computereffekten verfremdet wird, klingt das Ganze wie die Blue Man Group auf Speed.
Positiv zu erwähnen ist wiederum das Mitwirken diverser Gäste. Kansas-Geiger David Ragsdale veredelt zwei Songs mit seinen Violinen-Soli, und diverse Background-Sängerinnen, die zum Teil schon beim Project Creation mit dabei waren, tragen ihren Teil zu den pompösen Gesangsarrangements bei. Schade, dass dabei doch immer wieder über's Ziel hinausgeschossen wird - das Potenzial ist enorm, und in starken Momenten erinnert "A Strange Utopia" immer wieder angenehm an Ayreon. So wankelmütig diese Musik daherkommt und irgendwo zwischen bombastischem Symphonic Prog Electro Goth Metal und psychopathischem Wirrwarr hin- und herschwankt, so sehr pendelt auch meine Beurteilung im Minutentakt zwischen Daumen nach oben und Griff ins Klo. Ich vergebe salomonisch ausgewogene 5,5 von 10 RockTimes-Uhren und empfehle Kaufinteressenten, diese (nicht uninteressante) Chose erstmal anzutesten. Ich jedenfalls brauch nach diesem Hörerlebnis erstmal einen großen Pott Schlaf- und Nerventee vom Apotheker meines Vertrauens.
Line-up:
Hugo Flores (guitar, bass, keyboard, programming, vocals)
Jessica Lehto (vocals)
Guest Musicians:
Gaby Koss (vocal melodies - #12)
Antonella (vocal melodies, vocal duets - #7)
Zara (backing vocals - #3, 9)
Cheryl Childs (choir melodies - #3)
David Ragsdale (violin solos - #3, 10)
Tadashi Goto (keyboard solos - #3, 10, 12)
Shawn Gordon (keyboard solos - #7, 8)
Chris Brown (guitar - #8, 12)
Tracklist |
01:Voyage To Utopia (4:36)
02:The Weight Of The World (5:54)
03:Inner Station (6:18)
04:Sonic Sensations (4:18)
05:The Road Around Saturn (4:21)
06:Garden Of All Seasons (4:20)
07:Dark Utopia (4:50)
08:Vacation In Venus (4:26)
09:Chaotic Order (4:09)
10:Slow Motion World (5:08)
11:Destructible Destruction (5:57)
12:E-Motions (9:32)
13:Broken (2:23)
14:The Weight Of The World [Radio Edit] (3:26)
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