The Fall war die Lieblingsband des großen Radio-DJs John Peel, dessen Memoiren
ich erst jüngst besprochen habe. Er schätzte sie wegen ihrer Kreativität in mittlerweile drei Jahrzehnten (es sind erst drei und keine vier, liebe PR-Abteilung!). Gegründet als Punk-Gruppe 1976 in Manchester, entwickelte The Fall eine Dynamik, die sich in rastlosen Stilwechseln und enormem Musikerverbrauch (bis heute etwa 50 verschiedene) niederschlug; u.a. verließen drei der damaligen Mitglieder die Band während einer US-Tour letzten April. Einzige Konstante blieb Mastermind und Bierliebhaber Mark E. Smith.
Anlass für mich, der bis dahin noch keine ihrer Veröffentlichungen (es werden nach unterschiedlichen Quellen bis zu sagenhaften 50 Singles, 25 Studio-CDs und 50 Livealben gelistet!) im Player hatte, das neue Album "Reformation! Post TLC" in RockTimes vorzustellen.
Das ist alles andere, als normale Rockkost und selbst für einen, der die von Wikipedia als Einflüsse mitgenannten Can, Velvet Underground und Captain Beefheart durchaus zu schätzen weiß, sehr gewöhnungsbedürftig. Eine andere Klassifizierung als 'Independent' fällt mir dazu nicht ein.
Mit üblichen Hörmustern ist dieser Musik nicht beizukommen. Kellerrock, Lo-Fi-Sounds, irgendwie gekonnt-roh in den Digitalrecorder reingerotzt, dazu Soundcollagen und wilde Klangmuster, die an die Anfänge elektronischer Musik erinnern und mit Punkgebrüll gepaart sind.
Mit einem wilden Lacher und dem Satz: »I think it's all over now« beginnt diese schräge Scheibe ja schon mal recht vielversprechend. Der alles dominierende Bass pumpt einen aufpeitschenden Rhythmus, die anderen Instrumente sind in dem Soundbrei kaum auszumachen. Dazu röhren Smith und eine dumpfe Stimme in Hintergrund. Das erinnert mich tatsächlich an Cpt. Beefheart und - die Scherben! Im gleichen Schema laufen auch die nächsten Stücke ab, mal mit mehr, mal mit weniger Punk-Attitüden. Raue Energie, die sich aus einem kaum variierten Grundschema aufbaut.
Bei dem dann etwas melodischeren "White Line Fever" schalten meine Ohren erstmals nicht auf Durchzug. Das geht klar in Richtung Lou Reed/Velvet Underground. Über einem simplen Rhythmus von Schlagzeug und Blubberbass ertönt - ich glaub's nicht - sowas wie Countrygesang. Abgedreht, aber gut! Die Erzählstimme bleibt dann bei der Headline des letzten Songs, allerdings ändert sich die Szenerie. Der Bass wird nun geslappt und das Ganze hört sich stimmungsmäßig an wie "The End", aber von den Sex Pistols gecovert. Der monotone Gesang setzt sich fort, ab "Coaches And Horses" wird es mehr waviger. Bei "The Wright Stuff" übernimmt Elena Poulou das Mikro und gibt dem Song einen Patti Smith-Touch. "Scenario" ist wohl live eingespielt, zum Tieftöner geilt sich die Gitarre auf, das wäre in den Spätsechzigern als 'Underground' gefeiert worden.
Dann dreht sich das Soundkarussell weiter. Bei "Das Boat" scheinen die frühen Tangerine Dream und Kraftwerk (die ersten Alben mit dem Pylonen) aufzuerstehen, ein 10-minütiger Trip durch Raum und Elektronik, der dann ins Wave-Zeitalter flashbackt. Harte Elektronik-Beats beim kurzen Outro - geschafft!
Das war hartes Brot für jemand, dessen Experimentalphase doch schon länger zurück liegt. Klar, die Beats pushen, vor allem bei entsprechender Lautstärke. Und die Zeitreise ist auch nicht uninteressant, wobei Punk mich damals allerdings nicht sehr tangiert hat. In der Musik von The Fall stecken Energie und eine Menge Ideen, das powert live im Club sicher recht ordentlich. Aber was mir an der heimischen Anlage doch sehr auf die Eier geht, ist dieser dumpfe Gruftsound. Jungs nehmt doch mal die Nietenkutten von den Mikros und hört endlich auf, in die Boxen zu schiffen!
Line-up:
Robert Barbato (bass guitar)
Elena Poulou (keyboards, vocals)
Mark E. Smith (vocals)
Orpheo M (drums, vocals)
Tim Presley (lead guitar)
Dave Spurr (bass guitar)
With Special Guests
Peter Greenway (rhythm and lead guitar)
Gary Bennett (rhythm guitar)
Tracklist |
01:Over! Over!
02:Reformation
03:Fall Sound
04:White Line Fever
05:Insult Song
06:My Door is Never
07:Coaches and Horses
08:The Usher
09:The Wright Stuff
10:Scenario
11:Das Boat
12:The Bad Stuff
13:Systematic Abuse
14:Outro
|
|
Externe Links:
|