Flower Kings / The Sum Of No Evil
The Sum Of No Evil Spielzeit: 75:00
Medium: CD
Label: SPV, 2007
Stil: Prog Rock


Review vom 24.09.2007


Ingolf Schmock
Es ist schon unglaublich phänomenal mit Paradox Hotel, dem Livealbum Instant Delivery nebst einer FloKi-Restrospektive und nun dem neuen Album, gingen in den letzten beiden Jahren vier reguläre Flower Kings-Veröffentlichungen über die Ladentheke, einmal von den zahlreichen anderen Projekten des Oberblumenkönigs Roine Stolt abgesehen.
Da stellt sich mir persönlich schon die Frage: Kann der gemeine FloKi-Liebhaber mit dem Konsumieren überhaupt noch genussvoll Schritthalten? Womöglich leidet sogar die Qualität unter soviel Arbeitswahn? Klares Nein, dafür sind die Schweden und Anwärter auf den Thron der Progszene zu sehr Profis, um in Gefahr zu geraten, sich immer wieder selbst zu reproduzieren.
Auch wenn die typischen Flower Kings-Arrangements oder wohl eher die immer ähnlich werdenden Roine Stolt-Intonationen, für so manchen nicht ganz unkritischen Proggie jedes Mal wieder eine Herausforderung darbieten, fallen die ehrliche bzw. musikalische Hingabe der Macher beim ersten Durchlauf positiv auf.
Eine Diskussion darüber, wie progressiv der Progrock sein muss, erübrigt sich für Gitarrist, Sänger und Hauptkomponist Roine Stolt samt seinen 'Blumenkönigen', welcher im Laufe der Jahre ein eigenes unverwechselbares Songwriting, eine signifikante Handschrift, die über jeglichen Zweifel erhaben ist, kreiert hat.
Eigentlich sollte das neue Flower Kings-Opus schlicht "Love" heißen. Hauptkomponist und Produzent Roine Stolt erzählt dazu: »Ich plante, das Album einfach 'Love' zu nennen, bis ich plötzlich in der Zeitung las, dass die Beatles ihr neues Werk ebenso nennen. Vermutlich wäre das Universum für so viel Liebe in nur einem Jahr nicht groß genug gewesen. Also spielte ich mit dieser Idee gedanklich herum und kam auf "The Sum Of No Evil" was im Grunde 'Love' gleichkommt«
Was soll man sagen, dieses neue Album ist wirklich der Prototyp für zeitlosen Progrock, welcher sich mit Klassikern messen lassen kann, es ist die Rückkehr zu wirklich Puristischem. Musikalisch verzichtet man auf unnötige experimentelle Elemente, zelebriert feinen symphonischen Rock, der in ausladenden instrumentalen Passagen etliche Brüche bzw. Wechsel zulässt und neben Unisono-Intonationen, schwülstigen Bombast auch kurze Jazz-Tupfer mit integriert.
»Seine Markenzeichen sind die Melodien, die Mischung aus kompliziertem Prog/Fusion und großen symphonischen Stücken.« erklärt Stolt. »Um all dieses zu einer wahren Abenteuerreise für Progrock-Fans zu machen, haben wir in einem Studio gearbeitet, das auf altes Aufnahmeequipement der Sechziger und Siebziger spezialisiert ist. Zudem benutzten wir eine Menge analoger Keyboards,Hammond Orgel,Wurlitzer, Rhodes und Grand Pianos plus viele Mini Moogs und alte Röhrenverstärker für die Gitarren.« Es muss schlicht als große Gabe bezeichnet werden, wenn Musiker auf so individuelle und doch homogene Weise, eine gemeinsame musikalische Aussage treffen können und dabei an Virtuosität und Emotionalität keinesfalls sparen.
Der unverbesserliche Hippie Stolt beweist hier bei aller Selbstherrlichkeit seine Kompetenz als grandioser Gitarrist und Komponist, mit dem Quäntchen eines Hangs zu harmoniesüchtiger Lieblichkeit. Die sechs Schweden wirken einfach sanierter und besser als davor, ihr Spiel driftet nicht ins Belanglose noch verirrt man sich in langweiligem Allerwelt-Sound.
Es gibt wie gewohnt epische Nummern, welche sich fast schon unverschämt der musikalischen Handschrift großer Vorbilder bedienen ("Lone More Time"), aber auch einige mit atmosphärischer Dichte, zudem sogar zugängliche Kompositionen ("Trading My Soul"; "Life In Motion"), die sich in den Gehörgängen der Konsumenten geradezu anbiedern werden.
Aus dem konzeptionellen Gefüge, und deshalb auch etwas ungewöhnlich, fällt das groovige Instrumentalstück "Flight 999 Brimstone Air" heraus, welches vom Tastenprotagonisten Tomas Bodin beigesteuert wurde. In seinem wilden Mittelteil offeriert Schlagzeuger Zoltan Csörsz ein präzises Solo, während Bassist Jonas Reingold ein Ostinato im Zappaesken Stile anstimmt und Percussionist Hasse Bruniusson eigenwillige, wirre Klangspielereien hinzufügt.
Herzstück der Scheibe bildet das fast 25-minütige Epos "Love Is The Only Answer" (Liebe ist die einzige Antwort), eine wahrhaftig aufregend intonierte Reise durch die gesamte Bandbreite des progressiven Musikuniversums. Hier wird Schönklang und Refrain en Gros aufgeboten, ein musikalisches Stimmungs-Paket von leider viel zu üppig benutzten ab- und anschwellendem Bombast.
Schöne, gut anhörbare Melodien gibt es jedenfalls zuhauf, doch obwohl exzellent produziert und solide arrangiert, bleibt vom musikalischen Rüstzeug zu wenig hängen, auch wenn das Album nach mehrmaligem Hören durchaus an Qualität gewinnt. "The Sum Of No Evil" ist zwar zeitlose, anspruchsvolle, unheimlich gefällige Rockmusik, es fehlen aber Haken und Ösen oder Überraschungseffekte, welche mehr aus diesem Album machen könnten.
Trotzdem bieten drei Songs über dreizehn Minuten, der längste über Vierundzwanzig, einer um sechs, einer um fünf Minuten, summa Summarum fünfundsiebzig Minuten feinen melodischen Progressiven Rock mit dem typischen FloKi-Branding. Mögen Medien nach Innovation und neuen Szenarien verlangen, so mancher Genreanhänger mit einer härteren Ausrichtung liebäugeln, für die Blumenkönige gilt, dass sich Selbige um vermeintlich neue Trends nicht scheren müssen, sondern ihren selbsternannten altehrwürdigen Symphonischen Prog Rock unbeirrt fortführen.
Keine Ahnung, was die Zukunft für diese schwedische Ausnahmeformation noch bringen wird. Man darf und muss wohl immer mit einigen Überraschungen dabei rechnen dürfen. Das neue Flower Kings-Werk besitzt ganz bestimmt die Elemente, die den aufmerksamen Hörer und Fan glücklich machen wird. Es ist erdverbunden und gleichzeitig himmlisch.
Tracklist
01:Lone More Time
02:Love Is The Only Answer
03:Trading My Soul
04:The Sum Of No Reason
05:Flight 999 Brimstone Air
06:Life In Motion
Externe Links: