Frequency Drift / Ghosts
Ghosts Spielzeit: 58:57
Medium: CD
Label: ProgRock Records, 2011
Stil: Prog Rock

Review vom 20.01.2012


Boris Theobald
Frequency Drift lieben es, mit Geheimnissen zu spielen. Und genau das machte die Gruppe aus Bayreuth schon auf ihren ersten beiden Alben "Personal Effects" 1 und 2 so faszinierend und so anziehend. Keine Bandfotos - stattdessen schemenhafte Comiczeichnungen, welche die erzählte Geschichte grafisch untermalten. Und auch musikalisch war die Band kein Freund von Selbstdarstellung und Effekthascherei, sondern präsentierte tiefgehenden Progressive Rock. Markenzeichen der Band für mich: Der extrem feinfühlig dosierte Einsatz von Instrumentalisierung, Dynamik und Lautstärke. Erst inmitten leiser Töne entfaltet ein Crescendo schließlich eine überwältigende Wirkung. Auf ihrem dritten Album hat die Band um Keyboarder und Songschreiber Andreas Hack nun ihre Stärken nochmals ausgebaut.
Wieder ist ein Konzeptalbum entstanden. Aber es ist keine Geschichte, die die Stücke auf "Ghosts" miteinander verbindet, sondern »Dinge und Erinnerungen, die uns verfolgen, um den einzelnen Menschen und die Erinnerungen, die ihn prägen«, so die Band, die sich dafür auch einen 'Schauplatz' ausgesucht hat: die Natur. Eine bessere Wahl hätte es nicht geben können, denn Frequency Drift schaffen es damit in bestechender Manier, ihren musikalischen Ideen und Neigungen eine fühlbare Umgebung zu verleihen. Unterm Kopfhörer, und mit geschlossenen Augen, wird das Erlebnis perfekt und es entstehen zahlreiche Bilder vor dem inneren Auge bzw. Ohr.
Das einleitende, rein instrumentale "Crows" 'fühlt' sich in die Atmosphäre des Albums ein. Wind ist zu hören, die Rufe von Krähen, Schritte... die lyrischen, zerbrechlichen Klänge von Klavier und Electroharp komplettieren das auditive Bild einer nebelumhüllten Naturszene. Das passt. Der Zwölfminüter "Dreams" bringt erstmals auch Gesang ins Spiel, aber erst nach einem behutsamen, ausführlichen Aufbau (erinnert leicht an Galleons "From Land To Ocean"). Wie ein entferntes Echo des Songs, das sich langsam nähert. Der zarte und zugleich intensive Gesang Antje Auers (sehr starker Neuzugang in der Band) wirkt leicht verklärt, wie in einem süß-surrealen Traum. Besonders brillant ist der Refrain mit einem stoisch langsamen Double Bass-Drive und mehreren Gesangsspuren, die - sehr unkonventionell - leicht gegeneinander versetzt arrangiert sind. Das klingt außergewöhnlich!
Die Struktur des Stückes ist komplex - nicht nur in seinem Arrangement, sondern auch in seiner Dynamik! Im instrumentalen Mittelteil steigt das Energielevel rasant an. Außer der Gitarre tauchen in einem plötzlich erstaunlich intensiven, dramatischen Melodiegeflecht auch Querflöte und Violine als Soloinstrumente auf. Deren organischer Klang verstärkt diesen 'naturnahen' Eindruck der Musik. "Tempest": Noch so ein hypnotisches wie hypnotisierendes Stück Kino für die Ohren. Ein psychedelisch anmutendes Klangmosaik, das von Minute zu Minute zunehmend Besitz vom Hörer ergreift - von atmosphärischen Synthie-Sequenzen über hauchzart-wehmütige Doppel-Lead-Gitarren bis hin zum Gesang, der erst nach vier Minuten zunächst ganz wehmütig einsetzt und sich nahezu explosiv steigert.
Die atmosphärischen Unterschiede auf "Ghosts" sind immens; und es braucht manchmal nur Sekunden, um sie einander gegenüberzustellen. Das gilt für komplette Stücke, wie das psychedelische, teils sprunghafte "Tempest" im Vergleich zum heavy groovenden "Sadness" mit seiner straighten Hookline. Oder für das balladenhaft-verträumte "Mermaid" gegenüber "Dance No More" mit seinem markanten Hard Rock-Riff - eine von mehreren stilistischen Überraschungen, mit denen die Band aufwartet. Aber kein einziger Song ist von vorn bis hinten ausnahmslos das, was beim Hören sofort hängen bleibt! Das harte "Dance No More" ist am Anfang, Ende und zwischendrin in eine hauchzarte Hülle eingelullt, die das Stück 'atmen' lässt. Und das lyrisch-schwerelose "Mermaid" mit seinen unglaublich schönen, gedoppelten Vocal-Lines baut in einem fast avantgardistischen B-Part ungeheure Spannungen auf.
Doch statt einfach auf Lautstärke zu setzen, entstehen selbst intensivste, atmosphärisch extrem dichte Passagen nicht weniger detailversessen als intimste, unverstärkte Klang-Introspektiven. Und das macht diese Musik so emotional nachvollziehbar. Die Gegensätze fühlen sich an wie Ebbe und Flut, Sturm und Sonne, raue Felslandschaften und idyllische Auen. Die Übergänge sind kaum spürbar. Es ist, als ob Frequency Drift die Launen der Natur im Schnelldurchlauf erleben und hier und da die Zeit anhalten, um ihre Eindrücke zu beschreiben. Das mag allzu poetisch klingen - aber "Ghosts" ist nun mal Poesie für die Ohren. Ein ganz starkes Werk!
Line-up:
Antje Auer (vocals)
Christian Hack (guitar, flute)
Jürgen Rennecke (bass, stick)
Andreas Hack (keys)
Martin Fox (drums)

Guest musicians:
Wolfgang Ostermann (drums - #4,6)
Frank Schmitz (viollin - #2,7,8)
Rainer Hartmann (guitar - #2,4)
Nerissa Schwarz (electroharp - #1,5,7)
Sebastian Koch (guitar)
Tracklist
01:Crows (2:04)
02:Dreams (11:55)
03:Sadness (4:12)
04:Tempest (10:04)
05:Ringshine (2:58)
06:Dance No More (9:59)
07:Mermaid (9:46)
08:Come (7:54)
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