Es war erst im April diesen Jahres, als die Henrik Freischlader Band im Berliner Frannz Club mein Adrenalin in ungeahnte Höhen trieb. Etwas später konnte ich Henriks Newsletter entnehmen, dass für den 20. und 21. Mai 2011 ein Doppelkonzert in Martin Meinschäfers Wohnzimmer, dem Kunstwerk am Kaiserhaus, zwecks einer DVD-Produktion, geplant sei.
Mein rechter Zeigefinger ließ keine ernsthaften Überlegungen zu und drückte spontan viermal die Entertaste meiner Tastatur, mit dem Ergebnis, dass ich in kürzester Zeit per Postweg vier Eintrittskarten erhielt. Doch anders als sonst üblich, durfte mein Dienst-T-Shirt diesmal weiterhin gebügelt im Schrank seiner Faulheit frönen, denn was würde es für einen Sinn ergeben innerhalb weniger Wochen noch einen Gig-Bericht nachzuschieben? Nachdem schnell noch ein Mietwagen geordert, und mit dem Hotel zur Krone eine Bleibe in unmittelbarer Nähe des Kunstwerks gebucht war, verging die Zeit wie im Fluge. Ehe wir uns versahen düsten wir über die A 2 in Richtung Dortmund. Innerlich freute ich mich ungemein diesmal ohne Redaktionspapiere nur als reiner Blues-Fan den Veranstaltungen beizuwohnen. Selbst Connys Nachfrage »Meinst du, du schaffst es ohne Kamera, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden auch nur eine Zeile zu schreiben, das Wochenende relaxt zu überstehen?« ließ mich ein kleinlautes »Aber sicher« erwidern.
Bereits um 12.00 Uhr auf dem Gelände des Kaiserhauses angekommen, entdeckten wir Roadie und Gitarrenwart Mark Babylon, der uns netterweise den Weg zum Hotel erklärte. Dieses lag ca. 700 Meter von der Location entfernt, super, denn damit war gewährleistet, dass ich im Anschluss der Gigs mit gutem Gewissen ein paar gepflegte Tassen einheimischer Gerstensäfte genießen durfte. Christoph, Bruder von Martin Meinschäfer, gab uns noch wertvolle Tipps, um die Zeit zwischen den Konzerten sinnvoll zu überbrücken. So konnten Neheim, Werl, Soest und Arnsberg wegen ihrer beschaulichen Ruhe, tollen kleinen Passagen, Nischen, Sackgassen und erstklassigen Cafès bei uns bestens punkten. Überhaupt hat uns das Sauerland wegen der schönen Natur äußerst gut gefallen. Doch im Mittelpunkt unseres Kurztrips standen ganz klar die Blues-Abende.
Freitag, 20 Mai. Ohne Veranstaltungsplakate oder irgendeinen anderen Hinweis trifft sich die Fangemeinde auch ohne Hilfsmittel zielsicher vor den Toren des Kunstwerks. Beim lockeren Einmarschieren entdecke ich im Rundumcheck sieben Kameras und mit Thomas, ein weiterer Bruder Martins, den Fotografen, der sich an beiden Tagen auf die Pirsch nach tollen Konzertbildern legte. Alles wirkte gut durchorganisiert und zahlreiche Helfer sorgten dafür, dass sich die Band voll auf ihr bevorstehendes Konzert konzentrieren konnte. Ziemlich pünktlich um 21.00 Uhr, als der Saal sich bestens gefüllt hatte, betrat das Quartett die Bühne und legte mit ihrem Klassiker "The Blues" los. Dabei von zwei Kameramännern direkt vor deren Nasen begleitet, wobei der eine sich oftmals auf den Monitoren rumlümmelnd versuchte die flinken Finger Freischladers zu erhaschen. An beiden Tagen eine schwergewichtige Sony gute sechs Stunden stehend oder liegend zu bändigen verdient an dieser Stelle von meiner Seite aus ein Extralob! Etwas störend empfanden wir einen Fan, der der Meinung war, ständig Kommentare abgeben zu müssen, leider auch während der Songs. Bis auf eine gut 20-minütige Pause wurde ca. 2,5 Stunden allerfeinster Blues Rock geboten, wobei es der Band insgesamt, vermutlich wegen der Beobachtung der zahlreichen Kameras und des Wissens um die Bedeutung des Abends, etwas an Lockerheit fehlte. Wahrscheinlich auch ein Grund, dass sich die Kapelle anschließend zwar blicken ließ, aber 'zufrieden' sieht anders aus. Trotzdem, für uns hatte sich der Weg schon nach dem ersten Gig gelohnt, denn die musikalische Qualität war durchaus okay.
Am darauf folgenden Tag kurbelten wir kräftig die Soester Wirtschaft an. Mittags führten wir uns bei Manollo, einem Italiener, die nötigen Kalorien zu, um auch am Abend des 21. Mai bestens vorbereitet zu sein. Gegen 19.30 Uhr schlenderten wir wieder zur alten Wirkungsstätte. Wie am Vorabend legte die Band ebenfalls mit "The Blues" los, doch diesmal hatte sich die Gruppe gleich freigeschwommen und verschmolz umgehend mit den Fans, die diesmal viel besser drauf waren als am Vorabend, zu einer verschworenen Einheit! Vielen Anwesenden war die Setliste bekannt, war sie doch nahezu identisch mit der am 10. März begonnenen und erst vor ein paar Tagen geendeten Still Frame Replay-Tour. Ein Saitenriss, etliche witzige Intermezzi, die Einbindung mit Roadie Mark, der Theo mit einer schwerwiegenden Zettelbotschaft unterstütze, der Entdeckung einer bemerkenswerten Soulstimme aus dem Publikum und die Fans insgesamt, die für allerbeste Partystimmung sorgten, trugen zu einem denkwürdigen Abend bei. Die Fans, die an beiden Tagen dabei waren, waren sich einig, dass der Samstag das bessere Konzert hergab. Sicherlich auch durch die Tatsache unterstrichen, dass die Band diesmal die Aufnahmegeräte völlig ignorierte und so auftrat, wie man es sonst auf deren Touren gewohnt war - unbefangen! Filmmaterialien von fünf bis sechs Stunden dürften ausreichen, um eine qualitativ hochwertige DVD, die vermutlich zur Adventszeit auf dem Markt geworfen wird, zu produzieren.
Auf was darf sich der Musikfreund freuen? Neben den o. g. Anekdoten, einen überragenden Henrik Freischlader der besonders am Samstag in Höchstform aufspielte und mit "Bad Dreams" ("Wolkenwinde") in gut 27 Minuten reiner Spielzeit eins unter vielen Highlights setzte! Einen Björn Krüger, der sich z. T. seine Seele an den Fellen des Kraftwerks ausschlug und die Truppe unermüdlich vorantrieb. Es war schon fast ein Wunder, dass seine Energie die anderen Musiker nicht von der Bühne fegte. Eine Frohnatur in Form vom Bassisten Fotiadis, der sich prima mit Krüger ergänzte und ebenfalls großen Anteil zum Gelingen der Abende beitrug. Einen glänzend aufgelegten Moritz 'Mr. Mo' Fuhrhop, der eher lässig wirkend meist das Publikum beobachtete, wenn er nicht gerade vom Bandchef animiert wurde, die ihm vorgeführten Noten an seiner Hammond nachzuspielen. Überhaupt zählte das Nach- und Zusammenspiel zwischen Stromklampfe und Tastatur zu einem weiteren Höhepunkt, der den Anwesenden zu wahren Beifallsstürmen veranlasste. Zum Schluss gab's noch "Foxy Lady" auf die Löffel, bei der Henrik einige Male nach Luft japsend, so als würde er die Ziellinie eines anstrengenden Marathonlaufs durchwanken, sich völlig verausgabte! Als die Messe gelesen war und wir die Abende noch bei einem Abschiedsbier resümierten, stellten wir fest, dass sich der Arnsberg-Neheim-Trip voll gelohnt hatte.
Letztlich bestätigte sich Connys Vorahnung: Das Wochenende war einfach zu prägnant und allein die Tatsache, dass mit großer Wahrscheilichkeit ich als einziger von der schreibenden Zunft anwesend war, sich damit ein exklusiver Appetithappen für unser Magazin anbot, genau der Grund ist, dass sich meine Fingerkuppen an der Tastatur austobten. Ich werde später, zum Veröffentlichungstermin der DVD, noch ausführlicher auf die Produktion eingehen, die, wenn nicht gerade vergessen wurde die Speicherkarten in den Kameras einzulegen, viel Gutes verspricht!
Line-up:
Henrik Freischlader (vocals, guitar)
Moritz 'Mr. Mo' Fuhrhop (Hammond)
Theofilos Fotiadis (bass)
Björn Krüger (drums)
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