Rocktimes: Hallo Henrik, es passiert unserem Magazin recht selten, dass wir einen Musiker innerhalb weniger Monate gleich zwei Mal um ein Interview bitten. Doch im letzten Jahr hat sich bei Dir soviel Neues ergeben, sodass ich noch mal richtig nachhaken möchte! Da wäre an erster Stelle Dein neustes Album Recorded By Martin Meinschäfer, das Du komplett allein eingespielt hast. In Deinem Studio-Video-Tagebuch, das man auf Deiner Homepage anschauen kann, erzähltest Du, dass die Idee eines solchen Albums schon ziemlich lang in Deinem Kopf herumschwirrte. Seit wann genau? Und welchen Anteil besitzt Martin Meinschäfer an diesem Album?
Henrik Freischlader: Ja, vielen Dank für Dein und Euer Interesse an der neuen CD. Die Idee für dieses Album trage ich bereits über zehn Jahre mit mir herum. Die damaligen Aufnahmen, die ich im Alter von 16 mit Hilfe einer alten 4 Spur Tascam gemacht habe, besaßen schon einen gewissen Charme, und ich war eigentlich sicher, dass ich das irgendwann einmal professionell wiederholen würde. Anfang letzten Jahr fügte sich dann alles in diese Richtung, wir hatten eine lange Tour hinter uns, und hatten uns gleichzeitig in der Band ein wenig müde gespielt. Da erfuhr ich von meinem Freund Udo Pipper von Martin Meinschäfers Studio im Sauerland und habe seiner Empfehlung blind vertraut. So kam eins zum anderen.
Martins Anteil an der neuen CD zu beschreiben, würde jetzt Seiten füllen. Die beste Antwort gibt die CD selbst. Dieser natürliche, warme, satte Klang ist das Ergebnis von Martins ganz spezieller Sound-Kunst. Es ist nicht allein die brillante technische Ausstattung, es kommt darauf an, wie er seine Mikrophone einsetzt. Das ist der Clou. Wir haben ein Mikrofon für den Nahbereich und ein Raummikrophon benutzt. Die dadurch entstandenen Laufzeitunterschiede der verschiedenen Schallereignisse muss man hören und angleichen können, das ist das Phänomenale, das ist die echte Kunst daran! Und wenn man diesen Sound dann bereits beim Einspielen hört, dann beflügelt das natürlich ungemein!
Drei Wochen haben wir zusammen gearbeitet, danach wäre ich am liebsten bei Martin im Studio eingezogen!
Rocktimes: (Ich muss lachen) Da hätten Eure Frauen aber nicht schlecht gestaunt….Beim betrachten des Covers sind mir zwei Dinge besonders ins Auge gefallen.
Zum einem der Verstärker der Marke Realtone und zum anderen die Klampfe. Ich vermute eine ältere Fender, die aussieht, als hätte sie so manche Story parat. Gibt es vielleicht eine Geschichte zu dieser Gitarre? Weißt Du auch etwas übers Realtone-Equipment zu erzählen?
Henrik: Meine Strat ist von 1963 und kommt ursprünglich aus Texas. Sie war jahrelang im Besitz von Tom Wittrock, DEM Les Paul Experten aus den USA. Er verkaufte sie irgendwann an einen befreundeten Gitarrensammler aus Deutschland, und vor ca. einem Jahr ist sie dann zu mir gezogen (Ich vernehme freudige Augen und ein verschmitztes Lächeln in Henriks Gesicht..)
Meine Realtone Amps spiele ich seit einer halben Ewigkeit! Sie sind für mich die besten Amps, die ich je gespielt habe. Ich liebe ihren dynamischen, unverfälschten und ehrlichen Charakter.
Rocktimes: Mich hat die CD, im Zusammenhang mit den Doppel-Vinyls, begeistert! Beim genaueren Hinhören und Vergleich zwischen CD und Vinyls hatte ich den Eindruck, dass die Platten noch ein wenig mehr herauskitzeln als es der Silberling hergibt. Ist dem wirklich so? Und wenn ja, woran liegt es?
Henrik: Da ist was Wahres dran, obwohl wissenschaftlich ohne Beweis. Die treuen Fans der Schallplatte waren immer schon der Auffassung, dass eine analoge Tonaufzeichnung mittels mechanischer Abtastung Klangverfälschungen im positiven Sinne erzeugt. Die sogenannten harmonischen Verzerrungen, die gegenüber dem CD Standard mehr Lebendigkeit erzeugen.
Diese klanglichen Nuancen waren aber nicht der Grund warum ich gerne auch eine Schallplatte herausbringen wollte. Mich begeistert so eine schwarze Scheibe einfach, allein schon um der Nostalgie willen, wenn man bedenkt, dass die alten Blueskünstler sich auch auf diesen schwarzen Scheiben verewigt haben, dann verbindet das sehr.
Rocktimes: Klasse Henrik, wie ich finde, eine tolle Ansicht! Zumal ich, dank Deiner Vinyls, überlege, mir einen neuen Plattenspieler zuzulegen. Gab es auch Momente, an denen Du an der Umsetzung des Albums zu zweifeln begannst? Hat sich das Einspielen von den Instrumenten als sehr easy oder eher schwierig erwiesen?
Henrik: Nein diese Momente gab es glücklicherweise nicht. Es hätte sie geben können, aber nicht im Studio von Martin Meinschäfer. Neben dem motivierenden Soundphänomen, fühlte ich mich auch atmosphärisch dermaßen wohl, dass die Töne uneingeschränkt fließen konnten. Das Einspielen der Instrumente ging überwiegend leicht aber es kam auch gelegentlich zu schwierigeren Passagen, wenn ich es mir selbst nicht recht machen konnte (dabei muss er selbst schmunzeln).
Rocktimes: OK, Selbstkritik fördert bestimmt die Qualität. Dürfen sich die Fans auf Deine im Februar 2010 beginnenden Tour mit Deiner neuformierten Henrik Freischlader Band, auch auf Tracks des neuen Albums freuen?
Henrik: Selbstverständlich! Wir werden sehr viel vom neuen Album spielen aber auch alte Klassiker im Programm lassen. Die Fans schicken öfters Emails, in denen sie sich das eine oder andere Stück für die Tour wünschen. Das sind gute Anregungen für die Zusammenstellung der Setlist. Also immer gerne schreiben!
Rocktimes: Sag mal Henrik, hat sich mittlerweile Deine Gitarren-Sammlung weiterhin vergrößert? Besitzt Du vielleicht die neue Gibson, die Deinem Freund Joe Bonamassa gewidmet ist? Immerhin soll es davon ja nur 300 Stück geben. Kann man den Erwerb solch einer Klampfe auch als Kapitalanlage betrachten?
Henrik: Nein, eine Joe Bonamasa Les Paul besitze ich nicht, und ich würde es auch nicht wagen eine Prognose über Ihren zukünftigen Marktwert abzugeben. Das können andere besser als ich.
Ich habe ein Endorsement mit Jägerguitars. Florian Jäger, ein bekannter Gitarrenbauer aus Oberstdorf im Allgäu, hat für mich ein s.g. Makeover meiner 1559 RI Les Paul gemacht und an diese Les Paul kommt meinem Gefühl nach so schnell keine andere ran.
Rocktimes: Im letzten Jahr hattest Du mit Deiner neuformierten HFB für manche Schlagzeilen gesorgt. Da wären z.B. die gemeinsamen Auftritte mit Johnny Winter , Peter Green, B.B. King und Gary Moore! Und zum Jahresende hast Du noch eine erfolgreiche 5 LIVE-Tour gespielt. Welche Eindrücke hast Du da mitgenommen? Gab es auch ein witziges Erlebnis, dass Du uns unzensiert erzählen kannst?
Henrik: Ja die Herbsttour mit 5 LIVE war eine richtig runde Sache. Ohne unser Zutun, d.h. ohne viel Werbung ist da eine sehr interessierte, freundschaftliche Fangemeinde gewachsen, dabei ging es uns in erster Linie einfach nur darum zusammen zu jammen. Wir freuen uns schon auf den Herbst.
Die Supportgigs mit meiner Band waren natürlich auch immer ein großes Erlebnis. Da schwärmt man seit seiner Kindheit für diesen oder jenen, unerreichbar weit weg, und plötzlich teilt man sich eine Bühne mit ihm. Das ist schon unglaublich spannend, für uns alle! Theo, Mo und Hardy haben das auch so empfunden!
Witzig war beim B.B. King-Konzert, dass ich mir sofort nach Vorverkaufseröffnung einen Platz in der ersten Reihe gebucht hatte. Damals hätte ich ja nicht im Traum daran geglaubt, dass wir seine Supportband sein würden. Nach dem Support habe ich von diesem Platz aus das Konzert des großen Meisters genossen. Das war ein kurioses Gefühl.
Rocktimes: Noch ein Wort zu Johnny Winter. Da hatten wir in unserem Forum einige Kritiken von Lesern unseres Magazins, die den alters- und gesundheitsbedingten Zustand von Johnny kritisierten und zu dessen Karriereende rieten. Wie hast Du Johnny Winter erlebt?
Henrik: Das ist natürlich schade, dass sich manche in Eurem Forum so geäußert haben, vor allem aber schade, dass sie es so sehen. Ich bin anderer Meinung. Ein Musiker ist ein Musiker, bleibt ein Musiker! Bis zum letzten Atemzug. Die Bühne ist ein wichtiger Raum seines Lebens, der immer für ihn offen stehen muss. Es gibt einige wenige 'Berufe' bei denen es so etwas wie Ruhestand nicht gibt, man ist, was man ist, eine Leben lang, ohne jede Alternative. Ich glaube es tut sehr weh, wenn man dann im Alter spüren muss, dass einen das geliebte Publikum, aufgrund von Schwäche und Gebrechlichkeit nicht mehr sehen will, womöglich peinlich findet.
Mich hat sein Auftritt geschmerzt, weil viele Menschen der Auffassung waren, er solle seine Karriere beenden. Das konnte man leider sehr deutlich spüren. Gerne hätte ich ihn von dieser verletzenden Erfahrung abgeschirmt, und ich hoffe, dass das ein anderer tun konnte (Henrik wirkt bei diesem Thema sehr nachdenklich).
Rocktimes: Das Thema hatte mich auch eine Weile beschäftigt und mich veranlasst, einen kleinen Beitrag Wann soll Schluss sein? zu verfassen. Henrik, ich habe Dich bereits acht Mal Live erlebt, dazu noch alle Deine Tonträger rauf und runter gehört. Dabei ist mir Dein besonderes Gespür fürs Songschreiben aufgefallen. Wie ist z.B. "Bad Dreams" entstanden, den Du bereits mit 16 Jahren komponiert hast? Wie sieht bei Dir die Entstehung eines Songs aus?
Henrik: Tja, danach werde ich sehr häufig gefragt, und ich kann - glaube ich - keine zufriedenstellende Antwort darauf geben. Es gibt leider kein Patentrezept. Als ich den Song eingespielt habe, war ich 16; damals hatte ich keine Freundin, keine eigene Wohnung, kein Auto, keine Alkoholerfahrung, habe noch hustend geraucht, aber habe den Text für diesen Song aus der Perspektive eines wahrscheinlich 15 Jahre älteren Mannes geschrieben. Das ist die Inspiration der Musik, die das bewirkt. Sie ist es, die die dazugehörige Story erzählt. Erst kommt immer die Musik und bisher war der dazugehörige Text immer eine Art Automatismus, ich denke kaum darüber nach. Darum könnte ich wahrscheinlich nie einen Text schreiben, den ich dann vertonen sollte, oder einen Text für ein Lied schreiben, das ein anderer komponiert hat. Ich brauche die Symbiose in der Entstehung.
Rocktimes: Ich habe das Gefühl, und berichtige mich, falls ich da völlig falsch liege, dass Du Dich mit einem halben Fuß oftmals im Jazz bewegst, vor allem mit der 5 LIVE-Band. Wie groß ist da eigentlich der Spagat vom Blues zum Jazz?
Henrik: Ursprünglich entstanden ist 5 LIVE was mich betrifft, und aus meiner heutigen Sicht, als eine Art Erholung vom Hardrock. Ich konnte damals auf der Bühne in einem Slowblues-Solo regelrecht versinken. Sehr zum Kummer der damaligen Bandmitglieder, die immer ungeduldig auf das Ende eines Intros oder eines Solos warteten.
(Ich muss schmunzeln, als mir ein Hamburg-Gig vom Downtown Bluesclub einfällt, wo er bei "Voodoo Chile" in sagenhaften 28 Minuten (!) seine Mitstreiter an den Rand des Wahnsinns gespielt hatte). Dann ergab es sich, dass ich über Gregor Hilden Tommy Schneller kennen gelernt habe. Wir haben damals das Stück "Get Closer" gejammt und Tommy hat mit seinem Saxophon ein Solo geblasen, dass einem die Tränen kommen konnten.
Daraus mussten wir natürlich etwas machen. Nie im Leben hätten wir an diesem Abend einfach wieder auseinander gehen können: So ist 5 LIVE entstanden. Niemand von uns hat das bis heute bereut, und wir freuen uns jetzt im Frühjahr bereits auf die Tour im Herbst.
Rocktimes: Darauf freue ich mich auch! Bei Deinen Konzerten wurde ich oft gefragt worüber Deine Songs berichten? Du bist ja Deutscher und lebst auch in Deutschland, und nicht alle Landsleute sind der englischen Sprache mächtig. Können Deine Fans damit rechnen, dass Du irgendwann mal ein deutschsprachiges Album auf den Markt wirfst?
Henrik: Ja, A Tribute to Colonia Duett! Diese beiden liebe ich seit meiner Kindheit (wir müssen beide lachen). Aber das mit dem Tribute ist eher als Scherz zu verstehen. Ob ich mich mal an deutsche Texte wage, hmm, man soll ja nie 'nie' sagen, aber irgendwie tendiere ich doch dazu.
Rocktimes: Henrik, Dein neustes Werk vermarktest Du ja nun komplett allein. Alles selbst eingespielt und unter eigenem Label ins Leben gerufen. Dann scheinst Du mit Timo Wilke einen eigenen Bandfotografen und mit Meinschäfer einen engen Vertrauten an Deiner Seite zu haben. Wie wichtig ist Dir Dein persönliches Umfeld?
Henrik: Sehr wichtig!! »Der Kreis des Vertrauens«, wie es Robert de Niro in seinem herrlichen Film "Meine Braut, ihr Vater und ich" immer nennt. (lacht herzhaft). Es ist einfach unheimlich entspannend, dass es diesen Kreis gibt, in dem ich mich niemandem erklären muss. Und umgekehrt natürlich. Nenn es Seelenverwandtschaft!
Rocktimes: Dass kann ich gut nachvollziehen! So Henrik, vielen Dank für Deine spontane Zusage, mir die Fragen zu beantworten! Abschließend würde mich interessieren, welche CD in der letzen Woche die meisten Runden in Deinem Player drehte?
Henrik: Doyle Bramhall II - "Welcome".
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