Für Henrik Freischlader war der 1. Mai im Berliner Quasimodo das 41. Konzert seiner Tour 2010. Für mich hieß es mittlerweile: Henrik zum 9.! Und beim Betrachten unseres Künstler-Index stellte ich fest, dass unser Magazin bereits 21(!) Freischlader-Beiträge online gestellt hat! Macht es da überhaupt Sinn, noch einen weiteren Artikel hinzuzufügen? Nach guten 2,5 Stunden allerbester Live-Unterhaltung wurde mir schnell klar: Es macht Sinn! Obwohl ich Freischlader, wie bereits oben erwähnt, zum neunten Mal bestaunte, war es doch eine kleine Premiere für mich, da ich die Band im aktuellen Line-up mit Theofilos Fotiadis, Moritz Fuhrhop und Hardy Fischötter noch nicht erlebt hatte.
Erfreut stellte ich fest, dass die Hütte fast ausverkauft war! Und anders, als es mein Kollege Jürgen in Goslar erfuhr, verließ kein Anwesender vorzeitig das Konzert! Warum auch? Immerhin gab einer der erfolgreichsten, vielleicht sogar der erfolgreichste, deutsche Bluesrocker seine Visitenkarte ab! Und dieser brachte gehörige Portionen Selbstvertrauen, Spielfreude und gute Laune mit nach Berlin. Sicher, man konnte schon erwarten, dass sein letztes Album Recorded By Martin Meinschäfer im Focus des Konzerts stehen würde. So eröffnete er auch den Gig mit "I" und ließ später noch "Breakout" oder "Bad Dreams" folgen, ein Song den ich nun zum dritten Mal live genießen durfte und dank des Improvisationstalents des Ausnahmemusikers in einer neuen Version inhalierte. Doch er hatte auch reichlich Repertoire aus seinen ersten beiden Studio-Alben The Blues und Get Closer im Petto, das die Fans ebenfalls wohlwollend aufsogen. Dass das Unternehmen Freischlader auch für Arbeitsplätze sorgt, stellte ich nicht nur beim Line-up (vom Trio zum Quartett) fest, sondern auch, weil diesmal ein Roadie die Gitarren stimmte und sich am Verkaufsstand eine nette weibliche Person um den Verkauf diverser Tonträger und Souvenirs kümmerte.
Vom Equipment gab es für mich auch zwei Neuheiten, eine vanillefarbende Telecaster, die bestimmt eine Menge uralter Fingerabdrücke aufwies und eine schwarze Gibson SG, für die normalerweise nur Angus Young privilegiert ist. Doch Henrik bewies, sehr zu meiner Freude, mehrmals, dass er mit dem 'Gitarren-Ferrari' glänzend umzugehen wusste! Um nicht gänzlich die diesjährigen Freischlader-Konzertberichte zu kopieren, konzentrierte ich mich mehr auf die außergewöhnlichen Geschichten, die dieser Abend schrieb. Dabei führte der Hauptprotagonist mehrere Dialoge mit seinen Fans und Bandmitgliedern, wie ich es vorher noch nie von ihm erlebt hatte. So erzählte er vom letzten Frühstücksfernsehen auf SAT 1, wobei die Band die unheimlich netten Berufskollegen Jürgen Drews und DJ Bobo kennenlernten und sie (angeblich) später zusammen musizierten! Ich konnte und wollte die Story nicht recht glauben, bis seine Demonstration eines Hip Hop-Songs, den er absolut fehlerfrei und wie ein richtiger Rapper vortrug, mich total verunsicherte! Hatte der Schweizer DJ ihn einer Hirnwäsche unterzogen und dieses Liedgut beigebracht?
Den absoluten Lacher hatte er vor "Disappointed Woman", indem er eine lustige Geschichte, siehe unteren Clip, über das Tour-Leben der Band erzählte. Dass es zum Teil auch ziemlich mystisch zuging, empfand ich, als er mit Fuhrhop das ein oder andere Solo zelebrierte und sie sich dabei fast in Telepathie-Zustand, von Angesicht zu Angesicht gegenüber standen! Überhaupt Fuhrhop. Dieser spielte sehr gekonnt im Hintergrund und begleitete seinen Frontmann oftmals fast unbemerkt! Während Bassist Theo, die Frohnatur in Person, meist verschmitzt lächelnd an seinen dicken Saiten den Rhythmus mit vorgab. Wie man es von den vergangenen Freischlader-Gigs gewohnt war, blies auch Hardy Fischötter, unter einem vom Band-Chef animierten kräftigen Anfeuerungsgesang der Fans zur Attacke und beackerte sein Kraftwerk in gut sieben Minuten ohne jegliche Unterstützung eines seiner Kollegen. Klasse Vorstellung, Hardy! Das fünfte Element der Band, Martin Meinschäfer, der extra für diese Tour mitreiste, regulierte die Regler des Mischpultes mit absoluter Professionalität! Solch einen fetten, ausgewogenen Sound habe ich selten im Quasimodo erlebt. Laut, aber nicht übertönt! Was mir am meisten imponierte, als Henrik einmal ca. 30-40 cm hinterm Mikro stand und ich glaubte zu hören, wie Martin die Schallwellen aus Freischladers Kehle förmlich einsog und sie erstklassig über die Boxen widerspiegelte!
Traditionell wurden frenetisch Zugaben gefordert, in denen hauptsächlich Jimi Hendrix-Songs, z.B. "Foxy Lady" zum Besten gegeben wurden. Dass hier ausgerechnet beim letzten Song des Abends "Cry Again", einer meiner Lieblingssongs, plötzlich ein Fuß-Pedal streikte, bewies, dass dieser Ausnahmekünstler auch nur aus Fleisch und Blut besteht! Gott sei Dank! Nichts ist für mich schlimmer, als einen sterilen Gig zu erleben. Gerade von diesen kleinen Zwischenfällen und diverser Showeinlagen zehrt ein Live-Erlebnis und bürgt für einen Einmal-Effekt!
Das anschließende Signieren diverser Tonträger mit dazugehörigem Smalltalk rundete einen unvergesslichen Rockabend ab. Für all diejenigen, die die Band nur von einigen Tonkonserven kennen, sei angeraten, sich diesen Vierer unbedingt mal live reinzuziehen! Ein Nichtgefallen kann ich fast ausschließen!
Line-up:
Henrik Freischlader (vocals, guitar)
Theofilos Fotiadis (bass)
Moritz Fuhrhop (organ)
Hardy Fischötter (drums)
Bilder vom Konzert
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