Sue Foley / New Used Car
New Used Car
Wieso ist der Status des Gitarrenhelden eigentlich eine reine Männerdomäne? Egal ob Legenden wie Jimi Hendrix, Stevie Ray Vaughan, Jimmy Page, Jeff Beck, Ritchie Blackmore, Eric Clapton, Peter Green, Rory Gallagher, Alvin Lee, Robin Trower, Paul Kossoff, Duane Allman, B.B. King, Buddy Guy oder junge (und nicht mehr ganz so junge) Wilde wie Joe Bonamassa, Kenny Wayne Shepherd, Robert Randolph, Jonny Lang, Jeff Healey, Innes Sibun, Bernard Allison, BB Chung King (Alan Mirikitani), Philip Sayce, Eric Gales, Lance Lopez, 'Monster' Mike Welch, Aynsley Lister, Derek Trucks und wie sie alle heißen … eines ist ihnen garantiert gemein: Sie sind männlichen Geschlechts!
Da kann ich schauen wo ich will … in der Regel fehlt bei der Auflistung diverser Saitenzauberer die holde Weiblichkeit in Gänze.
Warum ist das so? Ist und war das Rockmusikgeschäft von jeher Testosterongesteuert?
Es bleibt festzuhalten, dass Musikerinnen in aller Regel ihren Ruf aus der Tatsache speisen, dass sie das Mikrofon schwingen. Die großen Stimmen des Jazz, Blues, Soul , Rock und Pop, von Sarah Vaughan, über Bessie Smith, Aretha Franklin, Janis Joplin bis hin zu Alicia Keys, sie alle eint die Identifikation des geneigten Publikums mit den Qualitäten der vokalistischen Darbietungen. Und seien wir doch mal ehrlich, ob es sich heute beispielsweise um Silbermond, Wir sind Helden oder Die Happy handelt, der nationale kommerzielle Erfolg ist ihnen gewiss … mit einer unschlagbar sicheren Erfolgsformel: Die Herren schrubben die Saiten, dreschen die Felle oder hauen in die Tasten und der Fronter am Mikro ist eine Frau und gleichsam Aushängeschild der Formation.
Wo aber sind die Heldinnen der sechs Saiten, die Powerfrauen, die sich durch filigranes Spiel und Virtuosität am Instrument einen Namen gemacht haben? Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich den geschätzten Kollegen Manni Hüther zitieren, der anlässlich der Veröffentlichung von Love Comin' Down (2000) in seiner Rezension schrieb:
"Während ganze Legionen junger Männer (und Frauen) sich selbst und der Welt vormachen, sie hätten den Blues (…) zeigt Sue Foley mit dieser Platte, dass dazu mehr gehört als nur die seelenlose Variation über 12 Takte, nämlich Gefühl, Timing und Begeisterungsfähigkeit. (…) Dies ist eindeutig Musik für den erwachsenen Hörer, meilenweit entfernt von Kitsch, Unvermögen und Ausdruckslosigkeit, wie sie uns so oft unter den Laser kommen." Und meine Wenigkeit ließ anlässlich der letztjährigen Blues Karawane verlauten: "Ihre hohe 'Kinderstimme' ist irgendwie gewöhnungsbedürftig und sicherlich nicht jedermanns und -fraus Geschmack, aber ihr Gitarrenspiel und ihre Songs sind über jeden Zweifel erhaben (…). (…) Ich habe noch nie eine Frau gesehen und gehört, die vergleichsweise so seelenverwandt die Saiten spielt, wie es Leute vom Schlage eines 'Slowhand' (…) Eric Clapton zu tun pflegen (…). Und sie hat im Vergleich eindeutig die besseren selbst geschriebenen Songs!"
Dem gibt es anlässlich des brandneuen Albums "New Used Car" der kanadischen Songwriterin/Gitarristin irischer Abstammung kaum etwas hinzuzufügen.
Es handelt sich dabei bereits um ihr insgesamt 10tes Album und die inzwischen 38jährige (hey, Willkommen im Klub der 68er!) beschreibt es kurz und bündig als "rockin', direct and energetic".
Yep, so ist es, wobei nun natürlich niemand wirklich harten Rock erwarten darf. Allerdings auch keinen Bluespurismus. Sie bewegt sich vielmehr in den Schnittstellen von Bonnie Raitt, Sheryl Crow und Little Feat, groovt schwül und sexy dahin, shuffelt gerne mal, schaut beim Boogie Woogie vorbei, lässt funky Rhythmen einfließen, ohne den Blues völlig zu vernachlässigen. Letzterer ist eher eine Art Basis, von der aus jede Menge unterschiedliche Ausflüge unternommen werden, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Dabei gelingen ihr durchweg gelungene Storyteller, die meines Erachtens häufig besser zu ihrer klaren 'Jungmädchenstimme' passen, als so manches in der Vergangenheit Aufgenommene. Hier kann kein Song besonders hervorgehoben werden, denn es bewegen sich alle auf einem beachtlichen Niveau!
Aber die Krönung ist ihr Spiel auf den sechs Saiten, meinem Gehör nach überwiegend auf einer Stratocaster gespielt. Sie entwickelt bei allem Feeling eine derartige Intensität im Ton, wie ich es wirklich nur selten wahrgenommen habe. Sue spielt ein ums andere Mal sensationell beseelt/gefühlvoll und erzählt mit ihrem Instrument richtiggehend Geschichten, drückt dabei die ganze Palette von Emotionen aus. Vom Einfluss her mögen sicherlich die drei großen Kings (B.B. King, Albert King, Freddie King) Pate gestanden haben, konsequenterweise dann auch der schon erwähnte Eric Clapton.
Das ist wirklich großes Kino und prägt gemeinsam mit einem lässigen Groove, melodischen und nie belanglosen Songs eine fürwahr große Platte.
Selbstredend wurde sie dabei im Studio musikalisch kongenial begleitet und auch das Klangbild des Silberlings gibt zu keiner größeren Kritik Anlass.
Somit passt es auch hervorragend ins Bild, dass die Protagonistin federführend für das Projekt (Blues)Guitar Woman (Doppel-CD und vor allem Buchveröffentlichung) verantwortlich zeichnet. Ihren Platz im gitarristischen Olymp des weiblichen Geschlechts hat sie allerspätestens mit "New Used Car" sicher, auch wenn natürlich, wie es der Titel schon andeutet, keine neuen musikalischen Wege befahren werden.


Spielzeit: 45:04, Medium: CD, Ruf Records, 2006
1:New Used Car 2:Make It Real 3:When I Come Back To Ya 4:Absolution 5:Sugar 6:Do It Again 7:Mother 8:Long Tomorrow 9:Little Things 10:Found My Love 11:Deep Freeze 12:Change Your Mind
Olaf 'Olli' Oetken, 16.04.2006