Nachdem es viel zu viele Monate lang so aussah, als ob die Club-Szene im Nordosten der USA krisengeschüttelt und schwer angeschlagen nur noch taumelnd und vollgepackt mit Tribute-Bands vor sich hinzuvegetieren schien, ist jetzt glücklicherweise Aufwind wahrzunehmen. Der erste große Fisch, der auch in Johnson City wieder aufschlug, war Warren Haynes mit seiner Band Gov't Mule, was ich mir natürlich nicht entgehen lassen konnte.
Grace Potter & The Nocturnals
Eine bedauerliche Unart der Magic City Music Hall (MCMH) ist allerdings, die Konzerte überpünktlich zu starten, sodass die Vorband Grace Potter & The Nocturnals (von denen mein geschätzter Kollege Joe ja schon die letzten beiden Studio-Alben hier in Rocktimes besprochen hatte) bereits auf der Bühne war und einen sehr ruhigen Song ihres letzten Longplayers zum Besten gaben, als ich eintraf. Dieser endete pünktlich, als ich endlich bezüglich eines guten Platzes und gefundener Ruhe in der Lage war, mich voll und ganz auf das Geschehen auf der Bühne zu konzentrieren.
Und dann legt das Quartett los! Ein knisternder Drum-Beat, ein fettes Riff der Potter an der Rhythmus-Gitarre, bevor der Rest der Band über den Song herfällt. Der Bass pumpt, Gitarrenlicks und -soli lassen den Laden erzittern, den Drummer hält es schon hier nicht mehr auf seinem Hocker und die Energie des Songs zwingt ihn, wie im weiteren Verlauf der Show immer öfter, seine Felle im Stehen, bzw. in ekstatischen Bewegungen zu vermöbeln.
In der Mitte der Bühne befindet sich Grace Potter, die sich die Seele aus dem Leib singt, wenn sie nicht gerade mit enormem physischen Einsatz ihre Sechssaitige bearbeitet und mit dem rechten Fuss den Takt mitstampft. Ich kannte die Musik der Band bis dahin nicht und war wie vom Donner gerührt. Diese Band 'fuckin' rocks'!! Hier ist eine Einheit auf der Bühne, eine echte Band, die Rockmusik zelebriert und lebt! Egal, ob Rock, Blues Rock oder ein von Grace rein gesanglich vorgetragenes Stück, bei dem das Publikum fest eingebunden wird und begeistert mitmacht.
Diese Lady und ihre drei Jungs haben das gewisse Etwas und deshalb auch keine Probleme, die anwesenden Musikfreunde sehr schnell von sich zu überzeugen. Fast ist alles vorbei…aber nein, sie kommen zurück! Und dann, zum ersten Mal seit meinem
Eintreffen, nimmt Miss Potter hinter der Hammond B-3 Platz. Es folgt ein weiterer Rocker und die vollen Hammond-Akkorde jagen mir wohlige Schauer über den Rücken, ebenso wie der Song an sich. Als die Band sich schließlich verabschiedet, ist mir eines ganz klar: Nämlich, dass ich da in den letzten Jahren eine Wahnsinns-Band verpasst habe, die noch eine ganz große Zukunft vor sich hat und von der ich mir umgehend alle verfügbaren Alben besorgen werde.
Lasst euch einen guten Rat geben, Freunde: Wenn Grace Potter & The Nocturnals sich mal nach Deutschland verirren sollten, dann lasst euch das nicht entgehen!!
Gov't Mule
Es gibt sicherlich wenige Bands, die einer solchen Vollbedienung dann noch folgen können. Aber schließlich haben wir es hier mit Gov't Mule und Warren Haynes zu tun, der mit frenetischem Applaus begrüßt wird. Für die ersten beiden Songs hat der Saitenhexer eine göttliche Gibson Firebird am Start, mit der er auch gleich innerhalb von zehn Minuten klarmacht, wo der Gitarren-Hammer hängt! Da gibt's keine Warm-Mach-Nummer, sondern die gesamte Band geht gleich voll zur Sache. Es folgt der Track "Bad Little Doggie", bevor Warren zur Gibson Les Paul wechselt und erneut ein um den anderen Klassiker bringt.
Aber auch Stücke des letzten Studioalbums High & Mighty, wie zum Beispiel der Titelsong, sind im Repertoire enthalten. Sowohl Drummer Matt Abts, als auch Andy Hess am Bass und Danny Louis an den Keyboards sind in starker Form, bevor es nach ca. 70 Minuten erstmal in die Halbzeit geht. Gestärkt zurück, spielt sich die Band von einem Rausch in den nächsten und überrascht die Fans auch mal mit einem Cover-Song wie "The Letter" (u.a. 1970 mal ein Riesenhit für Joe Cocker).
Neben den Songs an sich ist natürlich auch noch jede Menge Platz zum Jammen da und selbstverständlich bekommt auch jeder Musiker ausreichend Zeit für ein Solo. Das reguläre Konzert beschließt dann eine extrem gefühlvolle Version von "Soulshine", bei der Haynes mit seinen Slide-Qualitäten den ganzen Saal nochmal in Seelenwallungen versetzt, was ihm beim Finale des Tracks auch gefühlte 2000 emporgestreckte, respekterweisende Hände einbringt.
Ich bin platt, aber noch nicht fertig, denn ich will mehr. Das Licht wird wieder gedimmt, die Band kommt zur Zugabe zurück, Haynes fuchtelt ein bisschen an seiner Gitarre herum, sucht nach Worten, bevor er dann schlicht »We'll bring Grace Potter back to the stage« ankündigt. Noch bevor ich fertig bin mich zu freuen, beginnen die Protagonisten dann den Talking Heads-Song "Take Me To The River" anzustimmen.
Da ist so gut wie nichts eingeprobt, sowohl Warren wie auch Grace haben hier und da Probleme mit Text und Arrangement zurecht zu kommen, was aber professionell überspielt und gelöst wird. Aber so eine Kleinigkeit spielt eh keine Rolle mehr, denn wenn man zugeschaut hat, hat man gesehen, dass die beiden einen mordsmäßigen Spaß zusammen auf der Bühne hatten. Das ist gut so, denn sowas macht dann auch dem Konzertbesucher viel Freude und die Kollaboration war ein würdiger Abschluss dieser Nacht, während Warren Haynes nochmal die Saiten und die unglaubliche Grace Potter ihre Stimmbänder zum Glühen brachten.
Was für dein Fest!! Sowohl Grace Potter & The Nocturnals, wie auch Gov't Mule seien jedem Rock- und Blues Rock-Fan allerwärmstens empfohlen!!
Hingehen, Freunde, koste es, was es wolle, denn ihr werdet es nicht bereuen! Und bei meinem nächsten Grace Potter-Konzert werde ich dann auch die Songs bereits im Vorfeld kennen.
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