Beim Stöbern in alten RockTimes-Artikeln stieß ich - als bekennender Walter Trout-Fan - auf den Bericht einer gewissen Ilka Czernohorsky über ein von ihm gegebenes Konzert im März 2002 in Erfurt. Über Walter Trout erfuhr ich allerdings wenig, was ich nicht ohnehin schon wusste bzw. was man von seinen Konzerten her so kennt.
Viel interessanter war der Artikel allerdings im Hinblick auf die Ausführungen über den Supporting Act in diesem Konzert, die norwegische Rockgruppe um den Gitarristen und Sänger Peer Gynt. Genauso wenig wie seinerzeit Ilka konnte ich bis heute etwas mit diesem Namen im Zusammenhang zu Rock- bzw. Blues Rock-Musik anfangen (zu einer anderen, durchaus nahe liegenden Assoziation komme ich noch später), doch die Begeisterung, die aus Ilkas Ausführungen herauszulesen war, machte mich sofort neugierig auf weitere Informationen. Und so gelangte ich über den Künstler-Index auf RockTimes zu weiteren - ebenfalls ausschließlich von Ilka verfassten - Reviews. Zunächst eine Besprechung der seinerzeit aktuellen CD der Band Fairytale. Diese schloss mit Ilkas Einschätzung, dass man noch sehr oft von der Band hören werde. Und schließlich ein weiterer Bericht - ebenfalls noch im Jahr 2002 - über ein weiteres Konzert der Band in Erfurt, wo Peer Gynt vor gerade mal 20 Zuhörern auftrat, wahrlich bedauernswert! Bereits die in diesem Review angekündigte neue CD der Band fand auf RockTimes keine Beachtung mehr, und man hätte den Eindruck gewinnen können, dass es sie schon lange nicht mehr gibt.
Doch meine Neugier aufgrund der durchgängig positiven Beschreibungen von Ilka war geweckt. Zunächst einmal testete ich den am Ende der Reviews geschalteten Link, und siehe da: Er ist nach wie vor aktuell und man gelangt auf die Homepage der Band. Doch man hat schnell den Eindruck, dass diese Seite nicht allzu gut gepflegt wird. Auf der Seite 'Discographie' wird als aktuelles Album die hier zu besprechende CD genannt (ohne dass auf den ersten Blick ein Erscheinungsdatum erkennbar wäre). Zahlreiche Links sind nicht mehr aktuell; die Tourdaten beschränken sich auf vergangene Konzerte und auch das auf der Startseite befindliche 'new video realease' stammt bereits aus dem Jahr 2007. Und selbst der mittlerweile vorhandene Auftritt auf MySpace ist mehr als dürftig. Das alles hinterlässt keinen allzu professionellen Eindruck.
'Googelt' man ansonsten unter dem Stichwort 'Peer Gynt' im Internet, findet man beinahe ausschließlich Seiten zu dem gleichnamigen Gedicht von Henrik Ibsen bzw. - mehr noch - zu dessen musikalischer Umsetzung durch Edvard Grieg, beide bekanntermaßen - wie die Peer Gynt Band - aus Norwegen stammend. Ob es sich vor diesem Hintergrund vorliegend um eine zufällige Namensidentität oder aber um ein Pseudonym handelt, kann ich nicht sagen; für Letzteres habe ich allerdings keinerlei Hinweise gefunden.
Der weitere Versuch, über musicline.de eine erste Hörprobe zu erhalten, scheitert, da die einzige dort von der Peer Gynt Band gelistete CD "Fairytale" als nicht mehr im Katalog von Phononet geführt angegeben und damit auch ohne Hörbeispiele hinterlegt ist. Erfolgreich ist man hingegen bei iTunes, wo man sowohl "Fairytale" als auch die vorliegende CD anhören und durchaus günstig downloaden kann. Dies ist möglicherweise dem Umstand zu verdanken, dass iTunes die insgesamt 18 Tracks des als Doppel-CD erschienenen Albums als einfache CD anbietet.
Gesagt - und nach ersten 'Inf-Ohr-mationen' - getan, liegt mir nun die zu besprechende CD vor, allerdings ausschließlich in digitaler Form, so dass ich weder über ein Booklet noch über einen 'Waschzettel' der Plattenfirma verfüge; aus dem Internet-Auftritt der Band sind ebenfalls nur äußerst spärliche Informationen zu gewinnen. Von daher kann ich nur bedingt Aussagen dazu treffen, ob es sich bei den Songs um Eigenkompositionen (wohl überwiegend, da allein sieben Songs von der CD "Fairytale" stammen, die laut Ilka ausschließlich Eigenkompositionen enthält) oder aber um Coversongs handelt.
Die Band ist eine typische Drei-Mann-Combo: Gitarre/Gesang sowie Bass und Drums, so dass die Musik schnörkellos dahergebracht wird. Trotz des einen Zeitraum von zehn Jahren umfassenden Album-Titels dürfte es sich durchgängig um jüngere Aufnahmen handeln, da die Band aus dem Line-up, das im Laufe des Konzerts vorgestellt wird, lediglich in den Jahren 2002 bis 2004 bestanden hat. Hierfür spricht ansonsten auch der insgesamt homogene Eindruck, den die Aufnahme macht.
CD 1 startet - nach eigener Ankündigung - mit Rock'n'Roll, allerdings aus fremder Feder: "Greenlight Girl" (von Doyle Brahmhall II) und "I Ain't Beggin'" (ursprünglich von Sky High) bringen erst mal Schwung in jeden Laden, und dort, wo die Aufnahmen entstanden sind, waren deutlich vernehmbar mehr als 20 Zuhörer.
Ganz im Stile eines Gary Moore beginnt auch der dritte, sehr dynamische Rock'n'Roll "Suzy Q", (eine Co-Produktion von Peer Gynt und Bernie Marsden), der allerdings außer dem Titel nichts gemein hat mit dem ansonsten bekannten
Südstaaten-Rock-Song von Creedence Clearwater Revival.
Anschließend begibt sich die Band in die Niederungen des Blues mit der Ankündigung: »Letīs Go Way Down To The Blues«. Doch von Niederungen keine Spur: Einen Höhepunkt fürwahr - meine Güte, was für eine Metapher! - erlebt die Show vielmehr mit dem wunderschönen "I Can Tell", in dessen Verlauf Peer Gynt seine Gitarre mit einem Vibrator bearbeitet. Leute, fragt mich nicht, woher ich über einen solchen Erfahrungsschatz verfüge, dass ich so etwas heraushöre. Nein, vielmehr hat Ilka dieses Showelement in ihren bisherigen Reviews bereits beschrieben. Und wenn man das erst mal weiß, ist es kein Problem mehr, diese Art von 'Musikinstrument' herauszuhören! Aber auch ansonsten kann dieser gefühlvolle (!) Song voll überzeugen.
Blues Rock vom Feinsten bietet das nachfolgende "To Be Your Man", das jedem Bandmitglied und insbesondere auch Peer Gynt mit seinem individuellen Gesang genügend Spielraum zur freien Entfaltung bietet.
Rock'n'Roll ist wiederum angesagt bei "Please Please Babe", bevor mit "Sams Cafe" die erste wirkliche Ballade Einzug hält. Warum nur haben Männer so eine innige Beziehung zu der Bedienung oder Besitzerin ihrer Lieblingskneipe (vgl. nur zuletzt auch Crazy 'Chris' Kramer mit "Biggies Bier Bar" von der CD
unterwegs) und können darüber so gefühlvolle Songs schreiben? Na klar, weil sie von ihnen quasi ihre Muttermilch auch im besten Mannesalter bekommen. Offenbar ist dieser Song auch bei den Fans bekannt und beliebt, denn - nach einer besinnlichen Ouvertüre - mit den ersten Textpassagen kommt zustimmender Applaus auf.
Es folgt der Auftritt einer norwegischen Trachtengruppe: Nein, wahrscheinlich nicht, doch die ersten einsetzenden Melodie-Töne von "Livin' The Life Ain't Easy" klingen doch schon sehr folkloristisch. Doch, ohne dass der Drummer seinen Rhythmus großartig ändern würde, geht der Song in einen klasse Rocksong über; ein Eindruck, der auch durch den nochmaligen Einsatz folkloristischer Elemente nicht zunichte gemacht wird. Eine absolut geniale Komposition halt, die das Zeug zu einem Klassiker hätte.
Von ähnlicher Qualität sind die folgenden Titel: Das von C. Burnett komponierte und von Stevie Ray Vaughan bekannte "Tell Me" - mit einer Laufzeit von 9:40 Minuten schon ein Longplayer - ein stampfender, Bass-getriebener Blues Rock, der nach sechseinhalb Minuten - wenn auch nur für zehn Sekunden - plötzlich in einen Swing wechselt; ein netter Beweis dafür, dass die Musiker durchaus auch anders können. Lediglich durch ein Knacksen unterbrochen, folgt "I Canīt Be Satisfied".
Mit "Peer Gynt Guitarsolo" und "B.P. Drumsolo" endet die erste CD mit zwei Songs, die bereits in ihrem Titel darauf hinweisen, dass sie in erster Linie eine solistische Präsentation des jeweiligen Bandmitglieds darstellen; schade eigentlich nur, dass nicht auch dem Bass-Mann eine vergleichbare Gelegenheit gegeben wurde.
Deutlich knapper bestückt ist CD 2 mit lediglich sechs Titeln. "She's My Woman" erinnert ein wenig an die (neuen) Ten Years After, bedarf aber ansonsten keiner weiteren Erwähnung. Mein absoluter Lieblingssong ist "Little Wing", ein Slow Blues der Extraklasse und mit einer Spielzeit von 10:39 Minuten auch der Extralänge.
Insbesondere Peer Gynt himself improvisiert dieses Jimi Hendrix-Cover in den unterschiedlichsten Klangfarben, mehrfach durch
Zwischenapplaus vom Publikum wohlwollend aufgenommen.
Es folgt der Blues-Rocker "Oh Well", der übergangslos zunächst in "Fairytale" und anschließend in ein kurzes Reprise "Oh Well, Pt. 2" übergeht, in dessen Verlauf Peer Gynt kurz die Band vorstellt. Auch der letzte Track des Albums
"Hallingcaster" schließt sich wiederum 'quasi übergangslos' an; allerdings - wenn man genau hinhört - werden die Stücke tatsächlich nicht durchgespielt, was wohl bedeutet, dass die vier hier wiedergegebenen Songs tatsächlich nicht bei ein und demselben Auftritt hintereinander weg gespielt worden sind. Dennoch meint man zu spüren, wie die Band zum Abschluss noch einmal ihr Bestes gibt und dem Publikum - wie auch sich selbst - keine Verschnaufpause mehr gönnen will. Dabei ist "Hallingcaster" als letzter Song sehr gut gewählt: ein flottes, wiederum folkloristisch geprägtes Stück - die Sologitarre ersetzt die traditionell zu erwartenden Violinen - mit dem die Band kurz und knapp einen knackigen Schlusspunkt unter einen erfolgreichen Auftritt setzt, denn - wenn man den langen Schlussapplaus abzieht - nach gut zwei Minuten ist der Song schon zu Ende. Schade, ich könnte noch lange weiter zuhören!
Ich kann nur hoffen, dass man tatsächlich in Zukunft wieder etwas von Peer Gynt hören oder auch lesen wird. Der Hinweis auf der Homepage der Band, dass in diesem Jahr nur wenige Konzerte gegeben werden, da sie mit Aufnahmen beschäftigt sei, gibt dieser Hoffnung Nahrung.
P.S.: Mittlerweile ist es mir gelungen, über eBay von einem Verkäufer in Schweden (!) eine Original-CD zu erwerben. Das beiliegende schmale Booklet macht zum Glück keine Korrektur des bislang Geschriebenen erforderlich. Es enthält in erster Linie eine Auflistung der in den Jahren 2002 bis 2004 gegebenen Konzerte (erstaunlicherweise ist dort nur der zweite eingangs erwähnte Auftritt in Erfurt aufgeführt, obwohl andere Auftritte als "Supporting Act" durchaus erwähnt sind), sowie etliche Tour-Fotos einschließlich eines Beweises für die 'Vibrator-Nummer'. Dass keine Angabe enthalten ist, wo und wann konkret die vorliegenden Aufnahmen entstanden sind, bestätigt vor diesem Hintergrund allerdings die o.g. Vermutung, dass die Aufnahmen - trotz des eine Dekade umfassenden Albumtitels - ausschließlich in den Jahren 2002 bis 2004 entstanden sind.
Line-up:
Peer Gynt (guitar, vocals)
Lars Fish (bass)
Bård Petter ('BP') Hovik (drums)
Tracklist |
CD 1:
01:Greenlight Girl (3:27)
02:I Ainīt Beggin' (4:24)
03:Suzy Q (3:42)
04:I Can Tell (5:41)
05:To be Your Man (5:11)
06:Please Please Babe (3:16)
07:Sams Cafe (5:21)
08:Livin' The Life Ain't Easy (5:51)
09:Tell Me (9:40)
10:I Can't Be Satisfied (5:37)
11:Peer Gynt Guitarsolo (5:20)
12:B.P. Drumsolo (3:42)
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CD 2:
01:She's My Woman (4:41)
02:Little Wing (10:40)
03:Oh Well (3:53)
04:Fairytale (7:15)
05:Oh Well, Pt. 2 (1:41)
06:Hallingcaster (2:38)
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Externe Links:
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