Schon vor "So" galt Ex- Genesis-Sänger Peter Gabriel als Kultkünstler, aber erst durch dieses Album wurde er in einem Atemzug mit Größen wie den Beatles, Rolling Stones, Bob Dylan oder Fleetwood Mac genannt, so äußert sich sinngemäß David Fricke vom Rolling Stone in der Einleitung dieser DVD. Über die Classic Albums Serie noch viele Worte zu verlieren wäre wohl Eulen nach Athen getragen, von Black Sabbath ( ABBA hat den Einzug in diese Serie bisher noch nicht geschafft und verhunzt mir somit das Wortspiel) bis Zappa sind Vertreter dieser Reihe, die ursprünglich als Doku für das amerikanische Fernsehen gedreht wurde, schon im RockTimes-Index vertreten.
Widerspruchsgeist regt sich bei mir, als ich auf dem Album-Cover lese »"So" was very much an album of the MTV generation« - das mag vielleicht noch als Verkaufsargument durchgehen, wird aber meiner Meinung nach dem Stellenwert des Albums nicht so ganz gerecht. Zumindest dann nicht, wenn man mit MTV 'bunt, oberflächlich und kurzlebig' assoziiert. Genau diese Vorbehalte hatte ich damals gegen Peter Gabriel, bis mich sein Gig im Offenbacher Fußballstadion im September 1987 vom Gegenteil überzeugte. Dort wurde mir klar, dass diese Songs etwas Größeres, Überdauerndes in sich tragen.
»Er machte ein klassisches Album, einfach indem er die ihm damals bestmöglichen Aufnahmen machte. Und das macht klassische Alben aus: Das Beste zu tun, was man zu diesem Zeitpunkt machen kann, sodass es einen überdauert. Das ist ihm gelungen.« so resümiert Fricke am Ende der DVD.
Wie ihm das gelungen ist, wird auf dieser "Classic Albums"-DVD eindrücklich gezeigt. Es wird erkennbar, wieviel Freiraum er den beteiligten Musikern gelassen hat, aber auch, wieviel Kreativität und Können er ihnen damit abverlangte. Gabriels Experimentierfreude und Perfektionismus führen nicht nur dazu, dass er Ashcombe, ein altes Farmhaus weit draußen auf dem Land, anmietet und sich dort, wo nur ab und zu eine Kuh die Fensterscheibe ableckt, ein eigenes Studio einrichtet, weil er erkannt hat, dass dies für sein langsames Arbeitstempo die preiswertere Lösung wird. Damit strapaziert er auch die Nerven der Beteiligten, speziell des Co-Produzenten Daniel Lanois gelegentlich so sehr, dass es zertrümmerte Telefone und zugenagelte Stalltüren gibt.
Doch trotz dieser, im Rückblick witzigen Episoden, war die Zusammenarbeit insgesamt wohl sehr konstruktiv, kreativ und vor allem innovativ. Wie es dabei zum »wunderbar windelweichen Basssound« kam und warum die fruchtbare und langjährige Zusammenarbeit mit Manu Katché fast gescheitert wäre, bevor sie überhaupt angefangen hat, will ich hier gar nicht verraten.
Auch wenn vielleicht der Rückblick nach 25 Jahren für ein wenig 'rosarote Brille' sorgt, merkt man "So" heute noch (oder vielleicht heute ganz besonders) die Sorgfalt an, mit der die Songs ausreifen durften. Ganz sicher schlägt jeder Produzent (nachvollziehbar) die Hände überm Kopf zusammen, wenn eine Band mit der Idee ankommt, einen Song in 96 mehrspurigen Versionen aufzunehmen und daraus dann taktweise die endgültige Nummer zusammenzumontieren. "In Your Eyes", das so entstand, beweist aber noch heute seine Qualitäten, auch wenn es damals nicht, wie ursprünglich von Gabriel gewünscht, ans Ende der Platte konnte, weil die Bässe auf den letzten Spuren der Schallplatte nicht tief genug geprägt werden konnten.
Überhaupt die Bässe – Gabriels Lieder leben von Bass und Schlagzeug - entsprechend viel Sorgfalt, Liebe und Einfallsreichtum wird diesen Instrumenten zugebilligt. Tony Levin, der seit 1977 mit Gabriel Studioaufnahmen und Live-Gigs gestaltet und Manu Katché, der dann glücklicherweise zur "So" doch noch dazukam sowie im Anschluss für etliche Jahre mit Gabriel aufnahm und tourte ergänzen sich so gut, dass sie den Songs eine ganz eigene Dynamik und Wärme geben. Wie gut die beiden auf der Bühne harmonieren, ist in den Live-Schnipseln schön zu erkennen. Gerade die Live-Ausschnitte zeigen, wie sehr sich Peter Gabriel auf seine Mit- und Gastmusiker wie beispielsweise Youssou N'Dour einlassen und ein Geben und Nehmen praktizieren kann.
Auch wenn Gabriel meiner Meinung nach bei "So" noch lange nicht auf dem Höhepunkt seines Schaffens angelangt war, gehört sein erstes Album mit Namen (die ersten vier hießen alle nur "Peter Gabriel" und wurden anhand der Artworks unterschieden) auf jeden Fall zu seinen Highlights.
Die "Classic Album"-DVD gibt interessante, unterhaltsame und aufschlussreiche Informationen zu dieser Platte und verführt dazu, sie mal wieder ganz intensiv anzuhören (sofern sie nicht ohnehin in Dauerrotation läuft).
Und wer jetzt wissen will, wie es dazu kam, dass Peter im Studio übernachten und noch vor der ersten Tasse Kaffee eine Stunde singen musste, dem bleibt wohl nichts anderes übrig, als sich die DVD zuzulegen – es lohnt sich!
Tracklist |
01:Introduction
02:Red Rain
03:Ashcombe House
04:Sledgehammer
05:Don't Give Up
06:Mercy Street
07:Lyrics
08:This Is The Picture / Excellent Birds
09:The Running Order
10:In Your Eyes
Bonusmaterial:
11:Big Time
12:Amnesty Tours
13:The Making Of Sledgehammer
14:In Your Eyes
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