Shirley Grimes / Sweet Rain
Sweet Rain Spielzeit: 48:50
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2008
Stil: Folk Pop


Review vom 08.10.2008


Ingolf Schmock
Eigentlich könnte man sich darüber wundern, nie zuvor von dieser großartigen Singer/Songwriterin gehört zu haben, brachte die Exil-Schweizerin doch schon mit "Sweet Rain" ihr mittlerweile fünftes Studioalbum in die Läden.
Der Rhythm'n'Blues-Großmeister Van Morrison persönlich nahm die gebürtige Landsmännin bei seiner diesjährigen Konzertreise durch Europa unter die Fittiche bzw. gewährte ihr, wenn auch recht stiefmütterlich, die Anheizerrolle.
Im Gegensatz zum gegenwärtigen Retro-Global-Pop-Unterhaltungsschwerpunkt einiger Damen des verwandten Musikgenres, hat die gebürtige Irin in ihrer Wahlheimat ein luftiges Songschreiber-Album eingespielt, welches eine Menge fundamentale Qualitäten besitzt und Bodenständigkeit versprüht.
Letzteres ist sicherlich nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sich Shirley eine fünfjährige Auszeit erlaubte, um zwei Kindern das Leben zu schenken bzw. dem Mutterglück zu frönen, um sich nun die neuen Songs quasi von der Seele fallen zu lassen. »Gelassenheit trifft dich mit der Zärtlichkeit eines Wimperschlags« propagiert die Sängerin dieses Gefühl, das sie während der Produktion zu "Sweet Rain "begleitet hat. Dass am Ende ein unkompliziertes Album herausgekommen ist, das den Spagat zwischen einladender Fröhlichkeit und inhaltlichem Tiefgang schafft, ist die positive Konsequenz.
Alle elf Kompositionen sind recht zeitlos instrumentiert und besitzen eine verführerische, poetische bzw. akustische Qualität, für die man den Beteiligten, insbesondere Produzent Wolfgang Zwiauer applaudieren möchte. Ein glückliches Händchen beweist Frau Grimes auch bei der Wahl ihrer musikalischen Begleitung, verzichtet des Öfteren auf verstärkte Instrumente bzw. setzt mit akustischen Gitarren, Bouzouki, Violine und Flöte frappierende Akzente, verleiht damit dem Ganzen einen Hauch von traditionellem aber keineswegs altbackenem Anstrich.
Die Arrangements geben sich meist sehr beschwingt, erfreuen den Zuhörer mit sanft wogenden und puristisch interpretierten Melodien von einprägsam vorgetragener Schlichtheit, übermitteln auf der anderen Seite vergleichsweise üppig instrumentierte Pop-Kompositionen mit klarem Country- und Folkeinschlag, bei denen Shirleys erdige, klare Stimme zeitlos im Vordergrund steht.
Die rothaarige Sängerin erzählt in ihren bitterzarten Songs von den Sehnsüchten innerhalb gesellschaftlicher Normen, vom Wunschdenken einfacher Leute an das Gute dieser Welt, verkündet einfach Aussagen einer gereiften Frau, die sich ihre ureigene Poesie bewahrt hat.
Sie verschließt sich in ihren Texten auch nicht tiefmenschlichen Themen und scheut sich nicht davor, allgegenwärtige Resignation gegenüber der Weltsituation ("Face In The Dirt") anzuprangern.
Das Spektrum ihrer wunderbaren Begleitcombo (Oli Hartung an den sechs Saiten, Tieftöner Wolf Zwiauer, Sämi Baur am Schlagzeug, Joe McHugh an Dudelsack & Low Wistles, Karin Widmer an Bouzouki, Violine sowie routinierte Gäste wie Hank Shizzoe an der Slide-Gitarre und Andi Hug an den Tasten), reicht von drängenden akustischen Akkordgebaren bis zu zart-lyrischen Melodielinien.
Wer sich die Mühe macht, tiefer in dieses Werk hereinzuhören, wird die zerbrechlichen Gitarrenlicks, relaxten Wurlitzer oder Flötenklänge in den Songs lieben lernen, die eine lebensbejahende Shirley, die ihren Ruhepunkt gefunden zu haben scheint.
Dazu verfeinert sie ihre zeitgemäßen Interpretationen mit den musikalischen Traditionen ihrer ursprünglichen Herkunft mit modernen Country-Pop-Arrangements: »Irische Musik ist immer auch Musik mit Country-Elementen « philosophiert die Sängerin, und erinnert im Opener "Lesson Learned" an Hunderttausende von irischen Auswanderern, die in Begleitung ihres Hungerelends das Glück im Goldenen Westen gesucht und ihre stolze Musik mit auf die Reise genommen hatten.
Der charmant eingängige Titelsong widmet sich all den naiven Blumenkindern, die ihre Ideale vergessen oder gar verdrängt haben.
Die Songschreiberin lässt mit ihren Texten kleine poetische Blüten sprießen, bewahrt sich auch in den restlichen neun Songs ihre eigene unverkrampfte Perspektive auf das Leben und seine Umtriebe. Logischerweise begleiten den Konsumenten dabei Moll-Akkorde für den Schmerz ebenso wie aufgekratzte, gezuckerte Melodiebögen für die Freude.
Die schon angesprochenen instrumentalen Zutaten und immer wieder berückenden Vokalharmonien bieten Shirleys bezaubernder Stimme die nötige Plattform und Entfaltung. Und wenn es doch einmal elektrischer zugeht, wie im fesselnden "You'll Stay", das mit einem euphorischen Gitarrensolo kurzzeitig aus der Haut fährt, schrammen die Protagonisten dennoch leicht am Rock'n'Roll vorbei.
Streckenweise muss sich das Album den Vorwurf, etwas glatt gebügelt bzw. gefällig zu wirken sowie die ein oder andere Harmoniefolge oder Partitur doch schon einmal in dieser bzw. ähnlicher Form gehört zu haben, gefallen lassen. Der Konsument muss sich auch keine Sorgen darüber machen, dass diese unabhängige Produktion salbungsvolle Neuinterpretationen von Volksliedgut propagiert, auch wenn hintergründig die Sehnsucht nach der Heimat mitschwingt.
Am Schluss verspricht die schläfrige Melancholie bei "The Lakes Of Ponchartrain" weniger eine ermüdende Geste, sondern die Chance, als beseelter Zuhörer den Herzschlag des Lebens zu erspüren, der uns selbst dann begleitet, wenn wir ihn nicht gerade wahrnehmen.
Mit "Sweet Rain" sollte es diesem begabten und sympathischen weiblichen Wesen doch nun endlich gelingen, aus dem schweizer Nischendasein auszubrechen, um ihre musikalischen Kleinode in die weite Welt zu tragen. Und wen diese Qualitäten nicht hinter den Ofen hervorlocken können, der sollte es sich wenigstens gönnen, mit diesem Silberling die langen Herbstabende zu versüßen.
Tracklist
01:Lesson Learned
02:Sweet Rain
03:Kitchen Window
04:Face In The Dirt
05:You'll Stay
06:Storm In A Teacup
07:My Old Self
08:Washing Day
09:My Way Up To Heaven
10:A Hundred Miles
11:The Lakes Of Ponchatrain
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