Anlässlich des Timo Gross-Konzerts titelte der Jazz-Club Lünen »Das ist Blues wie er 2009 klingen muss«
Nicht nur 2009, so dachte ich nach dem Konzert!
 Mit seinen beiden Studio-Alben Travellin' und Desire hat sich der aus Bad Bergzabern stammende Blueser ja bereits in die Herzen vieler Blues (Rock)-Fans gespielt und das Warten auf einen Gig in Wohnort-Nähe des Berichterstatters hatte sich gelohnt.
Jeder, bei den so widrigen Wetter-Bedingungen zurückgelegte Kilometer wurde von Timo Gross, Frowin Ickler sowie Michael Siegwart mit Feeling für den 12-Takter und ein in höchstem Maße abwechslungsreiches Konzert zurück gezahlt.
Bei den Lünener Jazz-Freunden zirkulierte doch einiges an Blues-Hämoglobin in den Adern, denn anders ließ sich die Begeisterung des zahlreich erschienenen Publikums nicht erklären und Gross hatte diese Blut-Bestandteile nicht nur aktiviert, sondern auch in Vibration versetzt.
Obwohl es im Jazz-Club, bei Außentemperturen von -12º Celsius (gefühlt -20º, oder noch tiefer, Klaudia?) kuschelig warm war, hätte die Energie des Auftritts der Timo Gross Band locker dazu ausgereicht, den Schnee auf dem Parkplatz zum Schmelzen zu bringen.
 Alleine schon die auf der Bühne positionierten vier Arbeitsgeräte weckten, in der Hoffnung auch alle eingesetzt zu werden, Begehrlichkeiten beim Besucher. Auf dem Notenständer lag ein Bottleneck und Bassist Ickler hatte gleich drei Tieftöner am Start. Um es vorwegzunehmen: Auf allen Saiten-Instrumenten wurde gespielt. Außerdem stand, bei einer Netto-Spielzeit von fast 2 ½ Stunden, Einiges auf dem Programm!
Schon die Initial-Zündung des Gigs, Gross an der Dobro, seinen Ringfinger schmückte das Bottleneck, brachte Stimmung in den Raum:
»Desire
Is what I bring to town
This fire
Turns the whole world upside down…«
 Diese Text-Zeilen aus dem Song "Desire" hätte man nach dem Ende des Gigs auch als Überschrift hernehmen können.
Eine spitzfindige Nummer, die zugleich zeigte, wie eingespielt das Trio war.
Gross ließ die Zuschauer seine Leidenschaft spüren und daran teilhaben. Er berührte die richtigen Nerven-Enden und nach dieser genüsslichen Eröffnung wurde erst einmal der Hocker hinter den Verstärker gestellt, die eine der beiden E-Gitarren geschultert und der Protagonist öffnete sein prall gefülltes Paket, in dem sich der Blues Rock befand.
"Diggin' The Dirt" machte den Anfang von vielen tollen Nummern, die die Temperatur im Jazz-Club in die Höhe schnellen ließen.
Nicht nur sein Gesang passte so gut zu den selbstgeschriebenen Kompositionen.
Mit "Voodoo Priest" ging es fast ohne Pause weiter und belegte mit Vehemenz, dass die Songs von seinen Platten, im Trio vorgetragen, nichts an Intensität einbüßten. Am Ende der Nummer bearbeitete Gross seinen 6-Saiter mit der Townshend-Mühle.
 Während der nächsten Nummer packte er das Kennenlernen seiner beiden Musiker mittendrin in eine schöne Geschichte und belegte, dass er den Schalk im Nacken hatte.
Wie war das mit den Dreadlocks, der Frisörin in Bad Bergzabern und dem Reggae? Klasse Story und so setzte er Ickler sowie Siegwart in solistische Szene.
Erbarmen, wie beeindruckend konnte der Bassist mit seinem Tiettöner, begleitet vom Drummer, umgehen! Gross kam zurück auf die Bühne und, höchst erfreulich, nahm die Nummer einfach kein Ende…
Im zweiten Set hatte Ickler ein weiteres Mal die Gelegenheit, seine Fingerfertigkeit unter Beweis zu stellen. Unglaublich, über welche Distanz er auf den vier Bass-Saiten Akkorde in der Manier eines Rhythmus-Gitarristen spielte. Alles in einer Geschwindigkeit, bei der den Zuschauern schwindelig werden konnte. Und die geslappte Spielweise stand ihm ebenfalls teuflisch gut zu Gesicht.
Der 55-minütige erste Teil des Gigs hatte einen "Desire"-Album-Schwerpunkt und jeder erfreute sich an dem knackigen Gitarren-Sound, als "Driven Soul" geboten wurde.
 Nach der Pause mussten die akustischen Instrumente nicht länger auf ihren Einsatz warten. Dann zeigte sich das Trio äußerst flexibel und ging auf das Bedürfnis eines Besuchers ein. Dieser hatte Timo in der Pause gesagt, dass es zu laut sei.
Sorry, das war Schmarrn! Es war ein Konzert mit wohltemperierter Lautstärke, so wie es sich für einen derartigen Auftritt gehörte.
Nichtsdestotrotz, die drei Musiker suchten sich einen anderen Arbeitsplatz aus.
Im Publikum an einem Stehtisch spielte man zwei Nummern, nun gänzlich ohne Verstärkung und die beiden Stücke, unter anderem das Lyle Lovett-Cover "She's Not A Lady She's My Wife" waren ebenfalls stark. Siegwart hatte die Jazz-Besen in Händen und spielte auf einem DIN-A4-Blatt Papier. Klasse, diese Einlage und zurück auf der Bühne wurde abermals das Päckchen mit der Zitaten-Sammlung geöffnet. Vorher gab es schon eine tolle Interpretation von "Further On Up The Road". Auch mit Otis Rushs "All Your Love" zeigte Gross, welch ein großartiger 'zwischen-den-Zeilen-Leser' er war.
 Für die einen ist es "Voodoo Chile", für andere Blues Rocker die "Foxy Lady" und er zollte Jimi Hendrix durch "Red House" ein ganz starkes Tribut.
Die Gitarre hinter dem Kopf und mit der Zunge spielend sorgte er für Begeisterung und nicht nur deswegen forderten die Besucher eine Zugabe, aus der schlussendlich zwei wurden.
Gross zitierte Elisons "Some Kind Of Wonder", ebenfalls, wie auf der "Desire"-CD mit einem "Can I Get A Witness"-Part. Icklers sowie Siegwarts Backing Vocals waren nicht nur an dieser Stelle eine perfekte Ergänzung.
Nachdem Gross & Co. abermals auf die Bühne applaudiert wurden, machte man mit einer relaxten unverstärkten Instrumental-Nummer leider endgültig den Sack zu. Dafür suchte sich der Bassist einen ganz entspannten Platz zum Spielen.
 Viele Blues Rock-Konzerte habe ich bereits gesehen, von denen nicht wenige sehr gut waren. Nach meinem nun ersten Live-Kontakt mit der Timo Gross Band komme ich zum Fazit, dass sich zumindest die deutsche Genre-Szene, nicht nur wegen der momentanen winterlichen Eis-Schrank-Temperaturen warm anziehen muss.
Verdammt viel hatte die Band geboten und man spürte in jedem Konzert-Moment, mit welcher Begeisterung die Musiker ihre Gefühle zeigten.
Den Blues-Fans unter unseren Lesern kann ich nur wärmstens ans Herz legen, den gut gefüllten Gross-Gig-Kalender zu studieren und sich Zeit für einen Auftritt zu nehmen…
Man kommt voll auf seine Kosten!
Line-up:
Timo Gross (guitar, vocals)
Frowin Ickler (bass, backing vocals)
Michael Siegwart (drums, backing vocals)
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