Wenn man von den großen weiblichen Rockstimmen in Deutschland spricht, dann kommt man bei Aufzählen nicht sehr weit. Neben Inga Rumpf und Nina Hagen gehört aber auf jeden Fall Anne Haigis dazu.
Als Jugendliche wurde es ihr im heimatlichen Rottweil schnell zu eng und sie ging auf Tour mit ihrer Gitarre ab in den Süden. Vielleicht hat sie sich dabei ihre heißere Stimme geholt. Wieder zurück mit Zwischenstation in der Spätzleland-Hauptstadt gewann sie den Nachwuchspreis der Deutschen Phonoakademie im Bereich Jazz und die Beachtung von Wolfgang Dauner. In dessen Schlepptau trat sie auch im Vorprogramm des United Jazz & Rock Ensembles auf und wurde dessen Elevin. Anfang der Achtziger Jahre entstanden ihre ersten LPs "For Here Where The Life Is" und "Fingernails". Die waren noch in englisch und jazzmäßig gesungen, aber dann stand die schöne Badenerin an der Spitze der deutschsprachigen Szene mit ihren nachfolgenden Alben und bekam reichlich Fernsehauftritte. Edo Zanki, Tony Carey und Wolf Maahn, waren ihre Wegbegleiter, 1989 erhielt sie für "Indigo" den Goldenen Bären von Radio Luxemburg. Damit war wieder (weitgehend) Schluss mit der Singerei in deutsch. Und auch mit der großen Medienaufmerksamkeit.
Allerdings war Frau Haigis keineswegs untätig und sammelte internationale Erfahrungen in Zusammenarbeit mit u.a Melissa Etheridge, Eric Burdon, Nils Lofgren oder den Harlem Gospel Singers. Auch wenn es bei uns ruhiger um sie wurde, ihre unverwechselbare Stimme war doch immer wieder mal mit neuen Songs zu hören, mit denen sie sich in verschiedenen Stilrichtungen bewegte. Aber dass dieses Organ wie geschaffen für den Blues ist, stellten nicht nur die Fans bei ihren Live-Auftritten fest. Und nun hat sie endlich ein ganzes Bluesalbum gemacht, wie schon zuletzt fast allein mit ihrem Partner, dem exzellenten Gitarristen Jens Filser. Eine gute Entscheidung und "A Good Day For The Blues"!
Ein Coveralbum. Aber glücklicherweise keins, mit dem auch sie die Uralt-Klassiker zum x-ten Mal aufbrüht. Die Haigis hat sich mit gutem Gespür für ihre Kragenweite Songs aus unterschiedlichen Bereichen zusammengestellt und bläst ihnen ordentlich den Blues ein.
Filser eröffnet gefühlvoll mit dem Bottleneck auf der Dobro, dann steigt die Lady mit der zweiten Gitarre ein und röhrte die ersten Songzeilen. Wen das jetzt gepackt hat, der braucht nicht weiter probehören. Die auf diese Spielweise umgeschriebenen, teils bekannten Titel, machen das Kraut dann noch richtig fett. Wem dieses Intro und die ersten heißeren Töne der Haigis jedoch nicht zusagen, der sollte lieber sein Geld woanders anlegen!
"Can't Let You Go" ist noch traditioneller Blues, wobei das Slidespiel sehr an Sam Mitchell erinnert, später mischt die Mandoline das Stück noch kräftig auf. Bei "Sweet Forgiveness" (aus der Feder von Shannon McNally) schreit die Künstlerin den Schmerz bis an die Belastungsgrenze heraus, dazu gibt's feinstes Fingerpicking. "Simple Man" (nicht die LS-Nummer!) kombiniert die beiden Gitarrenstile, aus der Countrynummer macht das Duo (das auch für die Produktion verantwortlich zeichnet) einen schön swingenden Delta-Blues. Dann wird's aber richtig deep blue. Den Etta James-Titel "Love's Been Rough On Me" lässt sie noch verhalten glühen, um dann mit "Like A Rock" das Feuer richtig anzufachen. Starke Version des Bob Seger-Klassikers mit eindrucksvoller Slide und Detroit-Soul-Groove.
Mit dem Titeltrack wird's dann wieder gängiger, "Top Of The World" (mehr Americana als Blues) bemüht sogar etwas elegisch Streicherarrangements, um dann auf die Rickie Lee Jones-Adaption "Chuck E's In Love" einzuschwenken. Dem Westcoast-Hit verpasst die Anne einen lasziven Touch, was Geschmackssache ist. Mit Jörg Hamers liefert sie sich auf "When Love Comes to Town" ein starkes souliges Duett, das leider auf der CD einmalig bleibt.
Dass Stones-Nummern im leichteren Akustik-Sound auch gut kommen, haben die Herren ja selbst schon bewiesen. Diese Version von "You Got The Silver" kann daran allerdings nicht anknüpfen, das klingt doch recht bemüht. Gut gelungen ist dagegen die Edelschnulze "Rio Esperanza", bei der die Haigis noch einmal alle Register zieht.
Dass der Vergleich mit Janis Joplin bei diesem Organ öfters fällt, ist naheliegend. Und beim Bonustrack "Maybe", der mit ihrer damaligen Band Anfang der 1990er Jahre im Probenkeller mitgeschnitten wurde (soundmäßig einwandfrei), zeigt die Künstlerin, dass ihre Röhre auch bei diesem Klassiker neben der unerreichten Kollegin bestehen kann.
"Good Day For The Blues" ist ein Album für Blues- und (Slide-)Gitarrenliebhaber und für diesen Kreis auch eine dicke Empfehlung. Für Haigis-Fans sowieso. Dass sich an dieser Stimme die Geister scheiden, wird sich auch mit der neuen Produktion nicht ändern. Wie gut, dass wir auch noch solch eigenständige, selbstbewusste und ausdrucksstarke Künstler im Land haben. Das ist alles andere als mainstream, aber ein Album mit ganz eigenem Charakter und darin liegt die Stärke. Sicher nicht für jeden Tag. Aber für einen guten Blues-Tag!
Und damit ist der kratzbürstigste Teil meiner derzeitigen 'Ladies-Night' auch abgehakt!
Line-up:
Anne Haigis (vocals, guitar)
Jens Filser (6-string, 12-string, electric - guitar, mandolin, dobro, background vocals)
Roman Metzner (piano #5, accordion # 11, strings on # 7)
Jörg Hamers (vocals and background vocals on #7, background vocals on # 5)
Tracklist |
01:Can't Let You Go
02:Sweet Forgiveness
03:Simple Man
04:Love's Been Rough To Me
05:Like A Rock
06:Good Day For The Blues
07:Top Of The World
08:Chuck E's In Love
09:When Love Comes To Town
10:You Got The Silver
11:Rio Esperanza
12:Maybe (Bonustrack)
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