Beth Hart & Joe Bonamassa / Live In Amsterdam
Live In Amsterdam Spielzeit: 115:00 (DVD 1); 110:00 (DVD 2)
Medium: DVD
Label: Provogue/Mascot Music Productions and Publishing B.V., 2014
Format: NTSC
Region: Alle Regionen
Bildseitenformat: 16:9 - 1.77:1
Stil: Soul & More

Review vom 23.03.2014


Jürgen Hauß
Nach dem Sensationserfolg des gemeinsamen Debutalbums Don't Explain war es nur eine Frage der Zeit, bis die beiden Protagonisten gemeinsam auf Tour gehen würden. Dies taten sie im Juni 2013, kurz nachdem ihr zweites gemeinsames Werk Seesaw, das ähnlich erfolgreich werden sollte, erschienen war, so dass genügend Material für eine ausgiebige Live-Perfomance vorhanden war. Im Grunde war es allerdings nur eine 'Mini-Tour' mit fünf Auftritten in vier Städten, nämlich in London (UK), Bergen (N), Antwerpen (B) sowie mit zwei Konzerten in Amsterdam (NL). Und genauso zwangsläufig war es, dass dieses Ereignis für die Nachwelt festgehalten wurde. Das Abschlusskonzert der Tour am 30. Juni 2013 in Amsterdam wird - soweit ersichtlich - vollständig durch die vorliegende DVD (auch erhältlich als Blu-ray bzw. rein akustisch auf CD bzw. Vinyl) dokumentiert.
Von dem ersten Auftritt in Amsterdam am Vortag gibt es bereits seit längerer Zeit eine komplette Dokumentation auf YouTube, allerdings in deutlich schlechterer Qualität. Ansonsten besteht der größte Unterschied zwischen den beiden Konzerten darin, dass Beth Hart am ersten Abend auf roten High Heels - phasenweise wie ein Storch durch den Salat staksend - erscheint, während Joe Bonamassa dunkles Schuhwerk trägt. Am zweiten Abend in Amsterdam ist es hingegen Joe Bonamassa, der - wieder einmal - rote Lackschuhe trägt, während Beth Hart farblich etwas dezenter, dennoch aber auf mörderisch hohen Absätzen über die Bühne tanzt.
Die DVD beginnt mit einem kurzen Vorspann mit stimmungsvollen Bildern aus Amsterdam (hier sind die einzigen Bilder enthalten, die - wenn überhaupt - m. E. die Freigabe der DVD erst ab 12 Jahren rechtfertigen), bevor sich die beiden Protagonisten hinter der Bühne treffen und Joe Bonamassa selbige als erster betritt, um mit der Band den 'Opener' der aktuellen Studio-CD zu intonieren. Beth Hart folgt alsbald, und mit dem Einsatz ihres Gesangs kündigt sich an, was den Betrachter die nächsten gut 100 Minuten erwartet: eine tolle Mischung aus Blues, aus Rock, aus Funk und - in erster Linie - Soul!
Die Setlist bildet ein buntes Programm aus fast allen Songs der beiden Studio-CDs (es fehlen leider "Don't Explain" und insbesondere "I'll Take Care Of You" sowie "Ain't No Way" von der ersten und "A Sunday Kind Of Love" von der zweiten CD); flotten Stücken folgen ebenfalls rockige, aber getragener interpretierte Songs; fast schon Rock'n'Roll-Tempi ("Can't Let Go") wechseln sich mit langsamen Nummern ("If I Tell You I Love You" und insbesondere "Strange Fruit" - Gänsehaut pur!) ab. Die einzelnen Lieder habe ich bereits in den Reviews zu den beiden eingangs erwähnten Studio-CDs beschrieben, so dass ich hier von weiteren Ausführungen weitestgehend Abstand nehmen möchte, zumal die Live-Versionen sich zumeist recht nah an den Studio-Einspielungen orientieren.
Lag der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Studio-Werken insbesondere darin, dass bei "Seesaw" diese geniale Bläserfraktion zum Einsatz kam, die hier ebenfalls mit von der Partie war, wird dies vorliegend besonders augen- bzw. ohrenfällig bei "Something's Got A Hold On Me", dessen Charakter sich gegenüber der Version auf "Don't Explain" total verändert. Hier wird der Song geradezu zum 'Soul-Kracher'! Bei Nummern von "Don't Explain", die sich für einen derartigen Charakterschwenk nicht eignen, wie beispielsweise das nachfolgende "Your Heart Is As Black As Night", übernimmt die Bläser-Sektion dafür in ebenso kompetenter Qualität verschiedene Percussion-Instrumente.
Für "Chocolate Jesus" bekommt Beth Hart ihr eigenes Keyboard auf die Bühne geschoben (hervorragend hier wieder der zusätzliche Einsatz eines Bariton-Saxophons im Hintergrund), das sie auch für die erste Überraschung des Konzerts "Baddest Blues" verwendet.
Denn dieser Song entstammt nicht dem gemeinsamen Repertoire, sondern ihrer letzten Solo-Scheibe Bang Bang Boom Boom. Doch er passt auch hier, und ihre 'Begleitband' überlässt der Sängerin die verdiente Hauptrolle. Anschließend gönnt sich Beth Hart ihre wohl einzige Pause während des Konzerts (ich habe nicht feststellen können, dass das Konzert für eine Pause der gesamten Band irgendwann einmal unterbrochen wurde, oder aber es wurde gut 'geschnitten'), während die zweite Überraschung passiert: Joe Bonamassa interpretiert mit der restlichen Band den Freddie King-Klassiker "Someday After Awhile (You'll Be Sorry)", ein Stück, das ich von ihm bislang noch nicht auf CD oder DVD habe, welches er aber offenbar im vergangenen Jahr öfters bei Konzerten zum Besten gegeben hat - sehr emotionsgeladen und wirklich toll vorgetragen! Hier bekommt Blondie Chaplin, der ansonsten die Rhythmus-Gitarre spielt, die Gelegenheit für ein kurzes Solo, doch als Joe Bonamassa kurz darauf wieder übernimmt, wird nicht nur angesichts der größeren Lautstärke seiner Gitarre deutlich, wer hier 'die erste Geige' spielt.
Apropos Gitarren: Joe Bonamassa lässt sich zu beinahe jedem Stück eine andere Gitarre reichen, was schon optisch viel hermacht. 'Man' zeigt halt, was 'man' hat; es hat aber auch den Vorteil, ohne Eigenarbeit bei jedem Song eine gut gestimmte Gitarre zur Verfügung zu haben. Demgegenüber kommt Blondie Chaplin, der ein wenig wie ein apathisch wirkender Keith Richards anmutet, den ganzen Abend mit einer einzigen Gibson Les Paul aus, und auch beim Bassisten Carmine Rojas habe ich während des gesamten Konzerts keinen Instrumentenwechsel gesehen.
Die Musiker jedenfalls sind sämtlich grandios. Perfekt aufeinander eingespielt (obwohl sie angeblich nur wenige Tage zum gemeinsamen Proben hatten), die Einsätze sitzen auf den Punkt, und zu den genialen Soli von Joe Bonamassa - insbesondere, wenn er seine 1953er Fender Telecaster Blackguard einsetzt - muss ich an dieser Stelle nun wirklich nichts mehr sagen. Und Beth Hart? Sie schreit sich die Seele aus dem Leib, knistert mit Gefühlen, wo es derer bedarf, und bietet ansonsten insgesamt eine tolle Show (nun ja, die manchmal wie Trippelschritte eines aufgeregten Kleinkinds wirkenden Bewegungen auf ihren High Heels könnten durchaus etwas eleganter erfolgen).
Das ganze Konzert kommt dramaturgisch mit "Strange Fruit" zu seinem Höhepunkt an Intensität der Darbietung. Das ist - wie schon bei der Rezension der Studio-Aufnahme von mir geschrieben - »Großes Theater mit einem großartigen Finale«. Doch das großartige Finale des Konzerts bildet - jedenfalls vorläufig - der absolute Kracher "Miss Lady": Eigentlich schon zu Ende gespielt, wird diese durch ein tolles Schlagzeug-Solo von Anton Fig noch einmal aufgenommen, bevor sie die gesamte Band finalisiert.
Nach einem wirklich nur kurzen Schnitt gibt es insgesamt noch drei wundervolle Zugaben, die hier natürlich nicht fehlen dürfen, wobei mit "I Love You More Than You'll Ever Know" zunächst ein totaler Stimmungsumschwung erfolgt. Früher leuchteten bei solchen Songs im Publikum die Feuerzeuge auf, heute - schön zu sehen bei zahlreichen 'Totalen' - sind es die Displays der Digitalkameras, die derartige Momente für die Ewigkeit festhalten wollen. Und anschließend lässt es die Band danach noch einmal wirklich krachen mit "Nutbush City Limits", bei dem Beth Hart keinen Zweifel aufkommen lässt, dass sie die Nachfolge der großartigen »Queen of Soul« Tina Turner antreten will - zumindest gibt sie eine durchaus gelungene Bewerbung dafür ab. Mit dem Song wird wiederum der Abgang von der Bühne vorbereitet, doch nochmals kehren die Musiker zurück, um mit "I'd Rather Go Blind" den endgültigen 'Rausschmeißer' abzuliefern. Was für ein Finale!
Was auf der DVD noch folgt, ist der Abspann unter dem Titel "Antwerp Jam". Musikalisch werden die ausführlichen Credits, die u. a. auch die Komponisten aller Tracks auflisten, durch eine Jam-Session begleitet, die die Band als Soundcheck für ihr Konzert in Antwerpen gespielt hat, und die ein schönes Abbild einer lockeren Atmosphäre zwischen den beteiligten Musikern zeigt.
Als ich las, dass das Konzert auf einer Doppel-DVD veröffentlicht würde, befürchtete ich schon, dass man zwischendurch die Scheibe wechseln muss, um es in voller Länge zu sehen. Doch falsch gedacht: Das Konzert mit einer Länge von insgesamt 109 Minuten - einschließlich vor und Nachspann - ist auf der ersten DVD vollständig erfasst, während der zweiten DVD das Bonusmaterial vorbehalten bleibt.
Sie beginnt mit einer knapp einstündigen Dokumentation der Tournee mit Bildern von den Proben und den Konzerten in Bergen (ein Open Air-Konzert bei Regen!), London (ebenfalls Open Air vor toller Kulisse, Antwerpen und (sehr kurz) Amsterdam, garniert mit zahlreichen Interview-Schnipseln der Musiker. "The Making Of 'Live In Amsterdam'" widmet sich auf über 40 Minuten auf ähnliche Weise dem vorliegend dokumentierten Konzert, wobei es bei den Interviews vereinzelt 'Doubletten' gibt, was aber nicht weiter schlimm ist. Der dritte Bonustrack ist die Aufnahme von "Someday After Awhile (You'll Be Sorry)" vom Vorabend auf derselben Bühne, ohne dass große Unterschiede zwischen den beiden Interpretationen erkennbar wären. Und schließlich gibt es noch ein Fotoalbum mit zahlreichen recht persönlich wirkenden Schnappschüssen im Umfeld des Londoner Konzerts sowie des ersten Auftritts in Amsterdam (farbig/schwarz-weiß), unterlegt mit dem Song "Rhymes". Das letzte Bild zeigt die ausgezogenen roten High Heels von Beth Hart. Das war's - nach insgesamt knapp zwei Stunden Bonusmaterial - also endgültig!
Technisch sind DVD und Bonus-Disc einwandfrei. Bild und Sound lassen keine Wünsche offen, zumal sie absolut synchron daher kommen (was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, oftmals aber nicht erreicht wird). Man kann sowohl einen klassischen Stereo-Sound auswählen als auch ein Dolby-DTS-5.1-Signal. Die Bildschnitte entsprechen der flotten Musik, ohne hektisch zu wirken. Keine Frage, dass ich diese Dokumentation uneingeschränkt empfehlen kann!
Line-up:
Beth Hart (vocals, piano)
Joe Bonamassa (guitar, vocals)
Anton Fig (drums)
Blondie Chaplin (guitar)
Arlan Schierbaum (keyboards)
Carmine Rojas (bass)
Lee Thornburg (trumpets, percussions)
Ron Dziubla (saxes, percussions)
Carlos Perez Alfonso (trombone, percussions)
Tracklist
DVD 1:
01:Amsterdam, Amsterdam
02:Them There Eyes
03:Sinner's Prayer
04:Can't Let Go
05:For My Friends
06:Close To My Fire
07:Rhymes
08:Something's Got A Hold On Me
09:Your Heart Is As Black As Night
10:Chocolate Jesus
11:Baddest Blues
12:Someday After Awhile (You'll Be Sorry)
13:Well, Well
14:If I Tell You I Love You
15:See Saw
16:Strange Fruit
17:Miss Lady
18:I Love You More Than You'll Ever Know
19:Nutbush City Limits
20:I'd Rather Go Blind
21:Antwerp Jam (Credits)
DVD 2 (Bonus):
01:Up, Down, All Around - Behind The Seesaw
02:The Making Of "Live In Amsterdam"
03:Someday After Awhile (You'll Be Sorry) - Alternate Version
04:All Access Pass: Beth & Joe Photo Collection
Externe Links: