Emmylou Harris hat nach fünfjähriger Abstinenz ein neues Solo-Album vorgelegt; mehr als 25 sind es inzwischen. "Stumble Into Grace" war ihr letztes, dazwischen lag das schöne Duett mit Mark Knopfler All The Roadrunning und die Vierfach-Compilation Songbird. Im April wurde die Ikone in die Country Hall of Fame aufgenommen und damit hat die zwölffache Grammy-Gewinnerin eine weitere hochkarätige Auszeichnung über dem Kamin. Auf dem Cover gibt sich die silberhaarige Lady schon etwas verfrüht spätherbstlich, aber genauso ist auch die durchgehende Stimmung des Albums. Es erinnert damit an ihr großes Werk "Wrecking Ball", allerdings ist die Machart des von ihren ersten Alben bekannten Produzenten Brian Ahern (gleichzeitig auch auf der Mehrzahl der Tracks an diversen Saiteninstrumenten vertreten) bei weitem nicht so ätherisch, sondern gefühlsbetont angelegt. Vier Jahre lang haben die Einspielungen in Nashville benötigt, die dennoch stilistisch wie aus einem Guss wirken.
Nein, kein neues Country-Album. Davon ist sie weit entfernt. Es ist ihr ureigenes Americana-Kapitel, sanft, verletzlich, folkig, den Roots sehr nah. Auf wenigen Songs sind die typischen Country-Arrangements vorhanden, aber auch hier nur sehr dezent.
Vielleicht liegt es ja daran, dass dafür einfach noch nicht die rechte Zeit ist. Aber trotz aller emotionalen Zartheit und makellosen Schönheit der Produktion will beim erklärten Emmy-Fan nicht die rechte Stimmung für dieses Album aufkommen. Die Songs sind es sicher nicht, neben den eigenen ist die Cover-Auswahl völlig auf ihren Stil zugeschnitten. Auch an den Gästen mit ihren geschmackvollen Beiträgen gibt es nichts zu kriteln, das ist alles erste Sahne. Was (mir) fehlt, ist einfach Abwechslung und ein bisschen Leben in der Bude. Und ein paar knackige Hooklines mit Wiedererkennungswert. Die Songs fließen im gemäßigten Tempo dahin, Emmylou singt wie immer engelsgleich, die Arrangements umschmeicheln ihre Stimme und über allem liegt Melancholie.
Nicht jedoch die schon so oft gekonnt zelebrierte Bittersüße, noch die esoterischen Wandlungen, noch die schwärmerischen Folk-Balladen - es ist eine vornehme Blässe, die das ganze Werk bedeckt. Es scheint, als ob zwischen dem lebensfrohen "All The Roadrunning" und diesem Album das Alter eingekehrt ist, was bei einer so scheinbar zeitlosen 61-Jährigen einfach unpassend ist. Zu früh für das Schattenreich, Emmy und das kann es definitiv nicht gewesen sein, was du immer sein wolltest! Klopf doch einfach wieder bei Herrn Lanois an und mach für den Knopfler noch einmal die "Red Staggerwing", for your own pleasure, babe.
Auch der früher so souveräne Umgang mit den feinen Nuancen der Melancholie, das Spiel mit den wehmütigen Gefühlen, das rutscht ihr mehr als einmal in allzu dick aufgetragene Sentimentalität ab. Da wird mir doch des Öfteren zu sehr geschluchzt und ein mir bisher zumindest nicht aufgefallenes Nuscheln trübt die Engelsstimme.
Als Mitstreiter sind diesmal u.a. die werten Kollegen Bill Payne, Buddy Miller, natürlich Dolly Parton, die McGarrigle-Schwestern und Greg Leisz an Bord.
Freilich wird das Album noch reichlich Gelegenheit haben, sich auf der heimischen Anlage bei gedämpftem Licht und wärmenden Getränken zu bewähren.
Wenn dann draußen die Nebel wabern und drinnen Frau und Katzen das Sofa belagern.
Aber bis dahin bleibt noch Zeit, es ist Sommer, Mädel, und das Herz ist weit!
Aber trotzdem vorab mein Rat an interessierte Leser (sofern nicht hoffnungslose Emmy-Fans like me) - richtg reinhören vor der Bestellung!
Tracklist |
01:Shores Of White Sand (Jack Wesley Routh)
02:Hold On (Jude Johnstone)
03:Moon Song (Patty Griffin)
04:Broken Man's Lament (Mark Germino)
05.Gold (Emmylou Harris)
06:How She Could Sing The Wildwood Flower (Emmylou Harris, Kate and Anna McGarrigle)
07:All That You Have Is Your Soul (Tracy Chapman)
08:Take That Ride (Emmylou Harris)
09:Old Five And Dimers Like Me (Billy Joe Shaver)
10:Kern River (Merle Haggard)
11:Not Enough (Emmylou Harris)
12:Sailing Round The Room (Emmylou Harris, Kate and Anna McGarrigle)
13:Beyond The Great Divide (J.C. Crowley and Jack Wesley Routh)
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