Zugegebenermaßen habe ich eine starke emotionale Beziehung zu Gram Parsons (1946 - 1973) bzw. dessen Musik. Und somit zwangsläufig auch zu Emmylou Harris, die ihm im Jahr 1972 von (Ehre, wem Ehre gebührt) Chris Hillman (Ex- The Byrds, Ex- The Flying Burrito Brothers, Ex- Manassas, Desert Rose Band) empfohlen wurde und die im Anschluss Grams beide Solo-Alben gesanglich veredelte. Bis weit in die Achtziger nahm Emmylou immer wieder einen Song von Parsons mit auf ihre Alben, was schließlich in ihrem Konzept-Album "The Ballad Of Sally Rose" (1985) gipfelte, auf dem die wenigen, dafür umso intensiveren gemeinsamen Jahre musikalisch verarbeitet wurden.
In einer Zeit, als ich meiner Schwester die gute Emmylou und ihre Musik näher zu bringen versuchte, meinte sie einmal: »Die sieht aber immer so komisch aus, so als wäre sie sauer oder traurig«. Halb aus Scherz und halb aus Vermutung erwiderte ich dann: »Weil sie bis heute nicht über den Tod von Gram Parsons hinweg gekommen ist!« So weit, so gut. Jetzt liegt mir das brandneue Album von Emmy vor und direkt beim ersten Song, "The Road", zieht es mir bereits die Schuhe aus:
»I can still remember every song you played
long ago when we were younger and we rocked the night away
how could I see the future then? that you would not grow old?
with such a fire in our belly, such a hunger in our souls
I guess I probably loved you when those words rolled off your tongue
it seemed that we were travelin' under some old lucky sun
I know I couldn't save you and noone was to blame
but the road we shared together once will never be the same«
Kein Zweifel, wem diese Nummer gewidmet ist. Angetrieben wird sie von einer rockenden, groovenden Gitarre und die Seele ist neben dem Text Emmylous sehr gefühlvoller Gesang, der sich zwischen den Strophen wie ein Klagelied, ein indianischer Chant für die Toten anhört, deren Seelen man damit auf den Weg zum richtigen, einem guten Ort im Jenseits bringen will. Da muss sogar ein gestandener Rocker mal eine Träne aus dem Augenwinkel wischen.
Dass Emmylou schon lange keine reine Country (-Rock)-Sängerin mehr ist, wird auch auf ihrem neuesten Album klar. Eingespielt wurde die Scheibe lediglich von Emmy selbst, dem Produzenten Jay Joyce und dem Gitarristen Giles Reaves. So hat man doch das ein oder andere Mal das Gefühl, dass die Drums aus dem Computer stammen. Wenn das allerdings dann trotzdem SO echt klingt und SO kräftig rockt wie auf "New Orleans", dann verpufft sämtliche Kritik umgehend wie eine Luftblase. Ein klasse Rocker und der wohl schnellste Song auf "Hard Bargain".
»I wandered in the wilderness for a while I was so lost
for everything there is a season and every blessing has its cost
so I took what you urged me and put it to some use
kept looking for an answer with those three chords and the truth
I come down from the mountain I come walking in your shoes
I was seeking for a gambler when I had no more to lose
when you put me on that pattern, how could I refuse?
and now I spend my whole life down here working on the blues«
Ebenfalls ein dicker Gewinner ist "Big Black Dog", das nicht unähnlich der frühen Johnny Cash-Songs verhalten und dennoch zielgerichtet geradeaus marschiert, getragen von der an ein Kinderlied erinnernden Gesangsmelodie, die man so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Auch textlich ist Miss Harris meilenweit von jeglichen Plattitüden oder Banalem entfernt, was z. B. auch hervorragend in der tragischen Ballade "My Name Is Emmet Till" deutlich wird. Bei der Titelfigur handelt es sich um einen 14-jährigen Farbigen aus Chicago, der seine Verwandtschaft im tiefen Süden (Mississippi) besucht, sich dort mit einem weißen Mädchen unterhält und allein dafür gelyncht wird.
Wenn auch nicht unbedingt ganz im Vordergrund dieses doch deutlich perkussiv bestimmten Albums, so glänzt doch immer wieder die starke (Steel-) Gitarrenarbeit von Giles Reaves. Oft hat man das Gefühl, dass sowohl echte Drums wie auch Computer-Loops zusammengelegt wurden, um so die Tracks zusammenzubauen. "Darlin' Kate" ist der im letzten Jahr verstorbenen Sängerin Kate McGarrigle gewidmet, die wohl auch in Emmylou Harris' Leben ein großes Loch hinterließ.
»So I carried on, you can't be haunted by the past
people come and people go and nothing ever lasts
But I still think about you, wonder where you are
can you see me from some place up there among the stars
but down here under heaven there never was a chart
to guide our way across this crooked highway of the hearts
and if it's only harbor, the journey in the end
on that road I'm glad I came to know you, my old friend«
Emmylou Harris kann in dieser Form einfach nichts falsch machen. Mit "Hard Bargain" ist ihr ein weiteres intensives und starkes Album gelungen, das sich vor keinem anderen ihrer Karriere verstecken muss. Wie schon erwähnt kein reines Country-, sondern vielmehr ein modernes Singer/Songwriter-Album, das mit Höhepunkten gespickt ist. Wer trotzdem zunächst noch einmal reinhören will bzw. muss, dem sei "The Road", "My Name Is Emmet Till", "New Orleans" oder "Big Black Dog" empfohlen. Ich hätte aber locker auch noch fünf weitere nennen können.
Line-up:
Emmylou Harris (vocals, acoustic guitars)
Jay Joyce (additional instruments)
Giles Reaves (additional instruments)
Tracklist |
01:The Road
02:Home Sweet Home
03:My Name Is Emmet Till
04:Goodnight Old World
05:New Orleans
06:Big Black Dog
07:Lonely Girl
08:Hard Bargain
09:Six White Cadillacs
10:The Ship On His Arm
11:Darlin' Kate
12:Nobody
13:Cross Yourself
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