The Honeydrippers / Volume One
Volume One Spielzeit: 18:16
Medium: EP
Label: Atlantic Records, 1984
Stil: R&B


Review vom 20.12.2012

  
Ilka Heiser
» Ich muss mich selbst überraschen, und ich versuche ständig, mich in Regionen vorzuwagen, wo ich ein wenig unsicher bin. Ich trete dann förmlich aus mir heraus und überrasche mich selbst.«
[Zitat Robert Plant, 2007 aus Robert Plant, Led Zeppelin, Jimmy Page, Die Solo-Jahre]
Was hat Robert Plant, Frontman der legendären Led Zeppelin, mit The Honeydrippers zu tun?
Nun, blenden wir über drei Jahrzehnte zurück:
Wir schreiben das Jahr 1980, eines der schwärzesten in der Geschichte von Led Zeppelin und für deren Fans: Am 25. September 1980 wurde Drummer John Bonham tot in Jimmy Pages Wohnhaus aufgefunden. Er starb an den Folgen seines übermäßigen Alkoholgenusses an seinem eigenen Erbrochenen.
Die verbliebenen Bandmitglieder Jimmy Page, Robert Plant und John Paul Jones gingen nach dessen Tod getrennte Wege und gaben am 4. Dezember 1980 die endgültige Auflösung von Led Zeppelin bekannt.
Plant, einer der strebsamsten Zep-Mitglieder, war ständig bemüht, seine Solo-Karriere voranzutreiben. Er stellte sich immer wieder neuen musikalischen Herausforderungen, da kamen ihm The Honeydrippers gerade recht. Diese Band - bestehend aus lauter angesehenen Musikern aus den Midlands (Andy Sylvester - Gitarre, Robbie Blunt - Gitarre, Kevin J. O'Neil - Drums, Jim Wickman - Bass, Ricky Cool - Mundharmonika, Keith Evans - Saxophon) spielte in kleinen Kaschemmen Bluesklassiker von Albert King, Otis Rush, Gene Vincent, Sonny Boy Williamson, Howlin Wolf und vielen anderen.
Zeitgleich arbeitete Plant an seinen Solowerken "Pictures At Eleven" (1982) und "The Principle Of Moments" (1983).
Robert Plant hatte auf seiner Amerika-Tournee 1983 einige Demos der Honeydrippers aufgenommen, auch eine Coverversion von Charlie Rich, "Philadelphia Baby". Dieses Stück brachte ihn auf die Idee, ein komplettes Album mit seinen Faves aus R&B sowie den Blues der 50er/60er Jahre aufzunehmen. Unterstützung bekam er von Ahmet Ertegün, dem Chef von Atlantic. So wurde eine Anzahl namhafter Musiker zusammengetrommelt (siehe Line-up), um die EP "Volume One" einzuspielen. Produziert wurde dieses von 'Nugutre And The Famulous Brill Brothers' (eine Huldigung an das Zentrum der 50er/60er R&B-Musik, das Brill Building, 1619 Broadway, New York). Dahinter verbargen sich natürlich niemand Geringeres als Ahmet Ertegün ('Nugutre') sowie Phil Carson und Robert Plant ('Famulous Brill Brothers').
Die Stücke sind alle sehr an die Originale angelehnt, da sie als Tribute an den R&B gedacht waren. Begonnen wird mit dem wunderbaren Bop "I Get A Thrill", der Plant regelrecht auf den Leib geschneidert zu sein scheint und neugierig auf Kommendes macht.
Die Ballade "Sea Of Love" sollte Segen und Fluch zugleich für Robert Plant sein. Der Song wurde ausgekoppelt und schoss sofort auf Platz drei der US-Charts. Und nicht nur das, er wurde der größte Hit, der jemals von seinen Stimmbändern veredelt werden sollte. Dem ehemaligen Zep-Fronter stellte sich jede Locke seines prachtvollen Haupthaares einzeln zu Berge, avancierte er doch, quasi über Nacht, zum Schnulzensänger und das war nun wahrhaftig nicht seine Absicht: »Ich wollte einfach nur mal wieder einen schönen Jump-Blues im Radio hören. Aber die Radiosender stürzten sich auf die B-Seite, wir mussten "Rockin' At Midnight" zurückziehen, und da stand ich nun - ein Crooner: weiß, sauber und anständig. […] Es ist ein hübscher Song und so weiter, aber wenn ich unmittelbar danach überfahren worden wäre - oh Gott, was für eine Vorstellung!« [Zitat aus "Ritchie Yorke: Led Zeppelin, Biographie einer Band"]
Zu schämen braucht sich Plant für diesen Song wahrhaftig nicht, da hat schon so mancher Rockstar ganz andere Schnulzen verzapft. Und ich gestehe ganz offen: Mir gefällt das Stück in dieser Fassung!
Mit dem Rockabilly "I Got A Woman" geht es wieder ordentlich zur Sache und 'die Röcke dürfen fliegen'. Keith Evans bläst sich die Seele aus dem Leib und hier hört man stimmlich auch ab und zu den 'alten' Robert Plant durchschimmern, der dem Stück seinen unverwechselbaren Stempel aufdrückt.
"Young Boy Blues" - das ist einer dieser Tracks, der einem beim bloßen Zuhören einen wohligen Gänsehautschauer nach dem anderen verpasst. Streicher-Klänge dominieren und ein melodischer Background-Chor sorgt für eindrucksvolle Momente.
Mit einer brandheißen Version von Roy Browns "Rockin' At Midnight" beweist Plant nachdrücklich, dass er immer noch rocken kann und zwar anständig. Eine mitreißende, fast explosionsartige Improvisation beendet diese fast sechsminütige Nummer.
Mal abgesehen vom Line-up der Studioscheibe spielten The Honeydrippers live in ständig wechselnder Besetzung, unterstützt von Bläsergruppen und Sängerinnen, und gaben meist Wohltätigkeitskonzerte an den unterschiedlichsten Orten.
Warum ich gerade diese Scheibe zu meinen Faves zähle?
"Volume One" ist ein wunderschönes Stück Zeitgeschichte. Zum einen wirken darauf erstklassige Musiker - andererseits zeigt Plant sehr eindrucksvoll, dass er nicht nur schreien und stöhnen kann, sondern eine wundervolle, sehr variable Stimme hat, was er auch auf seinen späteren Soloscheiben eindrucksvoll beweisen wird. Schade eigentlich, dass es bisher nur bei der "Volume One" geblieben ist.
Es gab immer wieder Gerüchte von einem Folgealbum, aber es gab zwei Gründe, die das verhinderten: Zum einen hatte Robert Plant nach "Sea Of Love" die Nase gestrichen voll davon, zukünftig als Schmusesänger abgestempelt zu werden und zum anderen stürzte im Oktober 2006 Ahmet Ertegün hinter den Kulissen des Stones-Konzerts in New York so unglücklich, dass er an den Folgen verstarb.
Dennoch - beinharte Plant-Fans geben die Hoffnung nicht auf.
Line-up:
Robert Plant (vocals)
Jeff Beck (guitar)
Jimmy Page (guitar)
Nile Rodgers (guitar)
Wayne Pedziwiatr (bass)
David Weckl (drums)
Paul Shaffer (keyboard, piano)
Tracklist
01:I Get A Thrill [Rudy Toombs] (2:39)
02:Sea Of Love [George Khoury, Philip Baptiste] (3:03)
03:I Got A Woman [Ray Charles] (2:58)
04:Young Boy Blues [Doc Pomus, Phil Spector] (3:30)
05:Rockin' At Midnight [Roy Brown] (2:17)
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