Spielzeit: 77:06 (CD 1), 79:37 (CD 2), 77:09 (CD 3), 78:13 (CD 4) Medium: 4 CD-Box Label: Chrysalis Records (EMI), 2012 (1979, 1980, 1981) Stil: Rock Review vom 30.11.2012 Markus Kerren

Gerade erst im Oktober durften wir euch die "Original Album Classics"-Box von Ian Hunter mit dessen ersten drei Soloalben vorstellen, schon liegt mir das nächste Set mit diesmal vier Silberlingen des exzentrischen Engländers vor, das nahtlos dort anknüpft, wo das vorangegangene Review endete. Nach dem dicken Ärger, den es mit seinem Label bezüglich der Scheibe "Overnight Angels" (1977) gab, wechselte Hunter zu Chrysalis Records. Und bei "You're Never Alone With A Schizophrenic" (1979) handelte es sich dann direkt um eines der besten, wenn nicht gar DAS beste Soloalbum des notorischen Sonnenbrillenträgers.

Nachdem sich die Wege des einzigartigen Gitarristen Mick Ronson und Ian nach dessen erstem Soloalbum vorübergehend getrennt hatten, fanden sie hier wieder zusammen, was sich auch deutlich bemerkbar machte. Egal, ob Rocker wie etwa "Just Another Night" (über eine Nacht im Knast), "Cleveland Rocks" (eine Adaption des auf der Vorgängerscheibe erschienenen "England Rocks") und "Standin' In My Light" (eine bitterböse Abrechnung mit einem seiner Manager) oder die wunderschöne Vater/Sohn-Ballade "Ships": Das hier gebrachte Niveau erreichte Hunter erst wieder (und das auch nicht auf ganzer Linie) mit dem zehn Jahre später erscheinenden "Yui Orta". Sehr stark!

Im Jahr 1980 kam dann das damalige Doppelalbum "Welcome To The Club", das die anschließende Tour dokumentierte und durch seine starke Tracklist sowie der darauf festgehaltenen, puren Spielfreude richtig Spaß macht. Neben einem Block ("Just Another Night", "Cleveland Rocks", "Standin' In My Light" und "Bastard") mit ganz aktuellen Songs wird hier ein Hit nach dem anderen rausgefeuert und selbstverständlich griff Hunter auch auf seinen Mott The Hoople-Fundus zurück, was uns Klassiker wie u. a. "All The Way From Memphis", "All The Young Dudes" oder "Walkin' With A Mountain/Rock And Roll Queen" beschert. Sehr starke Aufnahmen, auf die man nicht verzichten sollte.

"Short, Back N' Sides", das war das folgende Studioalbum, das im Jahr 1981 erschien. Und erneut versuchte Hunter neben Bewährtem neue Wege zu gehen und frische Sounds auszuprobieren. Den typischen Ian Hunter finden wir hier bei Tracks wie zum Beispiel "Central Park N' West", dem verbissen-sarkastischen "Gun Control" oder "Old Records Never Die" (eine Ballade wie Liebeserklärung an den guten alten Rock'n'Roll, die aber gegen andere vorherige wie zukünftige Großtaten der Marke "Irene Wilde", "Ships" oder "American Music" nicht anstinken kann).

Ganz cool auch der Reggae "Theatre Of The Absurd", während sich Nummern wie zum Beispiel "Noises" oder "Rain" aber irgendwo im Niemandsland verlieren und andere Sachen wie etwa "Lisa Likes Rock'n'Roll" (das von Mick Ronsons damals noch sehr jungen Tochter gleichen Namens handelt) oder "Leave Me Alone" (bei dem sich Hunter sehr stark nach David Bowie anhört) irgendwie nicht wirklich konsequent rüberkommen. Irgendwie hat man hier das Gefühl, dass der Engländer sich bei dieser Scheibe auf einem Weg befand, von dem er das Ziel noch nicht kannte und mit verbundenen Augen etwas hilflos durch die Gegend tastete.

Bei der vierten CD handelt es sich schließlich um die Audioaufnahmen eines Konzerts vom September 1981 in New York City, das in den achtziger Jahren lediglich als VHS-Kassette käuflich zu erwerben war. Ian Hunter wäre nicht Ian Hunter, wenn er nicht grundsätzlich auf der Bühne überzeugen würde, aber im direkten Vergleich handelt es sich bei "Welcome To The Club" doch um die besseren Aufnahmen, da sie einfach über mehr Charme verfügen, intimer rüberkommen und auch der gute Mick Ronson im Herbst 81 nicht mehr dabei war. Es mag aber auch daran gelegen haben, dass der damalige Auftritt noch bei Tageslicht stattfand und alleine deshalb nicht die nötige Betriebstemperatur gefunden wurde. Dennoch alles andere als ein Griff ins Klo, da hier erneut auf eine erstaunlich große Anzahl richtig starker Songs zurückgegriffen wurde.

Die Bonustracks auf allen vier der hier enthaltenen CDs sind sehr interessante Ergänzungen, die sich aus Outtakes, Demoversionen oder alternativen Versionen zusammensetzen. Sämtliche vier Rundlinge sind mit knapp achtzig Minuten Spielzeit bis zum Bersten gefüllt, was alleine schon 'value for money' bietet. Zudem gibt es im Booklet persönliche Anmerkungen von Ian Hunter zu (fast) jedem einzelnen Track, was diese CD-Box zusätzlich aufwertet. Und schließlich sei auch nochmal festgehalten, dass man hier jeweils zwei Studio- wie Livealben von Ian Hunter zu einem sehr angenehmen Preis erwerben kann.

Dicker, fetter Tipp für jeden Rockfan, der diese Alben bisher noch nicht im Schrank stehen hat.