Die gute alte Grugahalle in Essen war ja bekanntermaßen für viele Jahre und noch mehr Besucher ein würdiger Gastgeber der Rocknächte des WDR-Rockpalast.
Peter Rüchels Erfindung hat uns oft genug in den Ruhrpott gelockt, dort obskuren und nicht so obskuren Künstlern zu lauschen. Egal welche Rocknacht ich besucht habe, irgendwas Gutes war immer dabei - und wenn es mal nicht vor Ort geklappt hat, dann gab es ja noch die 'elektrische Oma', die wir in irgendeinem Wohnzimmer oder Partykeller - gibt es so was noch? - prophylaktisch lange vorab für uns reserviert hatten. Unvergessliche Nächte, die heutzutage in der Form vielleicht keinen Bestand haben würden, zu groß ist der Overkill des Live-Angebots mit Festivals ohne Ende und mehr Konzertveranstaltern, als ich zu zählen Lust hätte. Damals aber war es etwas Besonderes! So auch in jener denkwürdigen Nacht vom 19. auf den 20. April 1980, zu der man neben
Joan Armatrading und der
Blues Band natürlich auch die drei Texaner geladen hatte, die bekanntermaßen mit ihrem Auftritt den Durchbruch in Europa erleben konnten - Eurovision sei Dank. Ebenfalls stand die
Ian Hunter Band featuring Mick Ronson auf dem Line-up und um genau diesen Teil der Veranstaltung geht es.
Der komplette Gig endlich auf DVD, die Rockpalast-Edition macht es möglich und wir hatten bislang ja schon einige wahre Schätzchen darunter [vgl. RT-Archiv zu z. B.
Terry & The Pirates oder
UFO und weitere Künstler]. Diese Gigs fanden nicht immer in der Grugahalle statt, waren aber trotzdem Produktionen des WDR und konnten oft in nahezu jedem europäischen Land empfangen werden. Natürlich auch die 6. Rocknacht aus Essen, von der wir hier nun diesen Ausschnitt vorliegen haben. Und es ist einfach herrlich! Nach dem allseits bekannten Jingle zur Sendung mit dem blinkenden Rockpalast-Schriftzug blendet die Kamera auf die gefüllte Halle und noch leere Bühne. Auftritt
Albrecht Metzger, und es kommen die Erinnerungen an zig Rockpalast-Sendungen hoch. Etwas dilettantisch (im ursprünglichen Sinne!) folgt seine Anmoderation zum bevorstehenden nächsten Programmpunkt, dem Gig der
Ian Hunter Band feat. Mick Ronson. Abgang
Metzger, Auftritt Band, Klinkenstecker werden hörbar in die dazugehörigen Buchsen gesteckt, kleine Rückkoppelungen sind Programm, Tasten werden angeschlagen und letzte Saiten gestimmt. Das alles ist so herrlich authentisch, dass alleine diese Anfangsminuten den Kauf der DVD schon lohnen.
Dann endlich die ersten Takte vom Instrumental "FBI" und es dauert genau zwei Sekunden, bis das gesamte Publikum mitklatscht.
Ian Hunter selber ist noch gar nicht dabei, aber
Mick Ronson spielt seine Les Paul schon mal richtig warm. Dann greift auch der Namensgeber der Band und ex-Mott The Hoople-Multitalent zu den Saiten und führt uns dazu am Mikro durch den Klassiker "Once Bitten Twice Shy". Grandios, drei Mal Gitarre, zwei Mal Tasten und je ein Mal Bass und Drums, dazu noch herrliche kleine Soloeinlagen von
Mick Ronson und alles macht der Gruga richtig Feuer unterm Allerwertesten. Unmittelbar darauf folgt der
Mott The Hoople-Kracher "Angeline", wozu
Hunter auch noch zur Blues Harp greift. Auf diese Art und Weise geht es weiter durch den gesamten Auftritt,
Ian Hunter als Verantwortlicher für das hervorragende Songwriting und
Ronson als derjenige, der die Arrangements zu einem unvergesslichen Auftritt macht. Es gibt einen tollen Mix aus Altem und Neuem,
Hunter wechselt auch mal ans Piano und gibt uns "Irene Wilde" oder "Just Another Night" zum Besten. Im Sinne der Idee des international empfangbaren Rockpalast-Formats zählt
Hunter bei "Cleveland Rocks" singenderweise nahezu eurovisionär alle europäischen Staaten auf. Natürlich dürfen gegen Ende auch die
Hoople -Songs "All The Way From Memphis" oder "All The Young Dudes" nicht fehlen und machen zusammen mit dem fantastischen Finale "Slaughter On 10th Avenue" diesen Auftritt einfach unvergessen.
Neben einem kleinen Booklet mit Minimalinfo in Englisch bietet die DVD keine sonstigen Boni. Man darf zwischen dem Abspielen des gesamten Gigs oder einzelner Tracks wählen - Ende. Ich könnte mir vorstellen, dass ein paar Takes aus dem Backstage-Bereich oder die entsprechenden Interviews zusätzlichen Anreiz bieten könnten. Trotzdem sollten sich nicht nur Fans von Ian Hunter oder dem leider viel zu früh verstorbenen Mick Ronson diese DVD zur Komplettierung der Sammlung zulegen. Selbstverständlich ist es auch ein wichtiges Dokument 'of days gone by' des öffentlich-rechtlichen Fernsehens im Bezug auf Rockmusik. Ich denke zudem, dass sich nicht wenige Leser aktiv an die die alten Rocknächte erinnern oder diesen sogar 'livehaftig' beiwohnen konnten. Diesen sollte ein Kauf der Scheibe ein moralischer Imperativ sein…