Chris Jones / Roadhouses & Automobiles
Roadhouses & Automobiles
Wie oft haben wir Chris Jones' Namen in der letzten Zeit erwähnt? Als Gitarristen und kongenialen Partner von Sara K., bei der CD-Besprechung von Gotta Look Up mit seinem 'Blues-Bruder' Steve Baker und als 'Haupt-Spieler' auf dem 'Stockfisch'-Sampler.
Daneben hat er mit anderen bekannten Künstlern auf deren CDs gespielt, seinem weiteren Duo-Partner Kieran Halpin und unter anderem mit Reinhard Mey. Fünf eigene Alben sind der persönliche Output.
Die letzte CD des am 13. September 2005 mit 46 Jahren verstorbenen Amerikaners, der seit Ende der 70er Jahre vorwiegend in Deutschland lebte, "Roadhouses & Automobiles" soll noch einmal an sein großartiges Können als Gitarristen, aber auch als überdurchschnittlichen Songwriter und Interpreten im weiten Folkbereich erinnern. Sie ist auf dem 'Stockfisch-Label' erschienen und wurde von Günter Pauler aufgenommen sowie produziert. Selbstredend in highfidelster Qualität. Mit soviel Druck, dass ich bei einigen Stücken vorsichtshalber den Lautstärkepegel reduziere, damit nicht das ganze Haus vibriert. Und das bei einem semi-akustischen Album! Begleitet wurde er von 15 exzellenten Kollegen, die wohl alle 'stockfisch-able' sind. Das ansprechend illustrierte Booklet enthält alle Texte und Besetzungen, Liner Notes des Künstler und seine Gitarrenstimmungen.
Chris Jones starb an Lungenkrebs, der erst einen Monat vor seinem Tod diagnostiziert worden sein soll. Der zweite Track auf dem Album "Thank You (R.J. Reynolds)" ist seine Abrechnung mit der Tabakindustrie, die ihn bereits während der Schulzeit nikotinabhängig und nach 30 Jahren zum Wrack gemacht hatte, wie er selbst schreibt. Ob Vorahnung oder bereits Wissen um seine Erkrankung, frappiernd ist das schon:
"'Cause when this is past and I've smoked (choked) my last
I will see you all in hell, I will see you all in hell"
Die CD beschäftigt sich mit dem allgegenwärtigen Thema der Musiker, die ihren Lebensunterhalt vorwiegend mit Gigs bestreiten müssen, dem Unterwegssein. Der Lust des Auftretens, aber dem damit verbundenen Alleinseins auf der Straße und in den Hotelzimmern sowie den persönlichen Konsequenzen daraus. Der Titeltrack ist entsprechend melancholisch, untermalt von einer Pedal Steel, die auf dem zweiten Song noch gedoppelt wird.
"Darlin' Cory" ist eine Hommage an die Musik der Appalachen mit typischer Fidel und Mandoline sowie kräftigem Chorgesang ergänzt. Ein hervorragendes Beispiel seiner Kunst auf der Konzert-Gitarre ist "The Last Fallen Leaf", eine wunderschöne Herbst-Meditation in fast schon klassischem Stil.
Dann empfiehlt es sich, die Lautstärke zurückzunehmen. Bei "No Sanctuary Here" raunt ein Bass-Chor dermaßen mystisch und abgrundtief im Verbund mit der Hammond, dass ich regelmäßig Gänsehaupt kriege. Eine 'Tour de Force' ist das instrumentale "Fender Bender", für die Bassist Grischka Zapf zurecht vom Maestro ein Sonderlob erhält.
Bei "God Moves on the Water" kommen Blues und Gospel ins Spiel, Jones brilliert einmal mehr auf der Dobro, unterstützt von Chor und Sax. Er bezieht sich dabei ausdrücklich auf den Song von Willie Johnson, dessen Refrain er auch verwendet.
"Set 'Em Up, Joe" handelt von der Flucht in den Suff, nachdem 'sie' 'ihn' verlassen hat. Mit "Jolanda's Wedding March" spielt Jones noch einmal solo auf, diesmal hatte er sicher seinen Jugendeinfluss Johann Sebastian Bach beim Komponieren im Ohr. "Hoof Jelly" besingt zwar einen sagenhaften schwarz gebrannten Tequlia aus Mexico ("... give you multiple personalities"), mit Tuba, Trompete und dem Marschrythmus klingt das aber sehr nach New Orleans.
Gegen die religiösen Fanatiker und Spinner wendet sich "Don't Need Your Religion" mit einem schönen 'Hook'-Riff, bei dem irgendein exotischer Kirchenchor (oder sind's die 'Hare Krishna'?) den Übergang zum letzten Song "Cold Creature" bildet.
"My way or the highway" macht wohl klar, in welchem Konflikt er sich zuletzt befand, nachdem er sich im Titeltrack noch über das Verständnis seiner Familie für sein Dasein 'on the road' bedankt hatte. Aber vielleicht war das auch nur eine Allegorie für das Musikerleben an sich.
Chris Jones hat uns (sicher nicht beabsichtigt) mit "Roadhouses & Automobiles" seinen Abschied als Solo-Künstler hinterlassen. Ein sehr stimmungsvolles Album eines kritischen Songschreibers mit sehr angenehmer, tiefer Stimme, das nicht nur Gitarrenfreaks und Folkies anspricht. Obwohl er so lange in Deutschland lebte, war er doch wohl im Herzen immer 'Ami', wie seine Songs zeigen. Aber hier bei uns hat er ein beachtliches Werk hinterlassen, über das wir uns, bei aller Wehmut über seinen frühen Abschied, nur freuen können. Denn er hatte, "a damn good run" (so zitiert ihn das 'Stockfisch'-Label).


Spielzeit:51:59, Medium: CD, Stockfisch Records, 2003
1:Roadhouses & Automobiles 2:Thank You (R.J. Reynolds) 3:Darlin' Glory 4:The Last Fallen Leaf 5:No Santuary Here 6:Fender Bender 7:God Moves On The Water 8:Set 'Em Up, Joe 9:Jolanda's Wedding March 10:Hoof Jelly 11:Don't Need Your Religion 12:Cold Creature
Norbert Neugebauer, 06.06.2006