Jane waren 1976/77 auf ihrem absoluten Höhepunkt angekommen. Nachdem bereits die vierte Langrille "Lady" (1975) ein großer Erfolg war, konnte mit dem Konzept-Album "Fire, Water, Earth & Air" (1976) sogar noch ganz kräftig nachgelegt werden. Ja, und dann brachte man im Anschluss die wohl weitläufig bekannteste(n) und beliebteste(n) Scheibe(n), die Doppel-LP Live At Home heraus, die sich mal so richtig dick verkaufte und auch nicht sehr viel später folgerichtig mit einer goldenen Schallplatte ausgezeichnet wurde.
Mit diesem Hochgefühl ging die Band dann, gerade mal sechs Monate nach den Live-Aufnahmen, im Februar 1977 wieder ins Studio, um ihr nächstes, das siebte Album einzuspielen. Besetzungswechsel gab es diesmal keine zu vermelden, sodass die vier Musiker ziemlich, bzw. sehr gut aufeinander eingespielt waren. Diese Tatsache und da man durch die Erfolge der letzten beiden Jahre ein gesundes Selbstbewusstsein aufgebaut hatte, ließ die Hannoveraner mit dem fast 20-minütigen Titel-Song (der die komplette erste Seite der damaligen LP einnahm) ihr wohl ambitioniertestes Werk der gesamten Band-Geschichte auf Vinyl bringen.
Sehr dunkel und mystisch beginnt dieser Track mit einem ca. vierminütigen Keyboard-Intro, das ein surreales, ja geradezu albtraumhaft-gespenstisches Szenario fabriziert. Der erste fette Gitarren-Akkord entreißt uns der Lethargie, aber die Stimmung bleibt die gleiche, nur untermalt von Klaus Hess' melodischer Lead-Gitarre und der kraftvollen Rhythmus-Abteilung. »When the colors and the lights begin to flow… then I really don't care anymore…« beginnt Hess, untermalt von warmen Keyboard-Klängen, zu singen und die traumartigen Bilder vor dem geistigen Auge nehmen weiterhin ihren Lauf. Man lauscht und der Boden unter einem scheint sich in Zuckerwatte zu verwandeln. Dann ein Break und ein neues Gitarren-Riff mit Martin Hesses ersten Lead Vocals auf einem Jane-Studio-Album.
Unterlegt von dämonischem Gelächter, das von einem Scherzartikel-Lachsack stammen könnte, die Stimmung aber sogar noch surrealer macht. Erneuter Break! Zurück in einem albtraumartigen Szenario jetzt gregorianische Chorgesänge, die mir nach wie vor Schauer über den Rücken jagen. Ein immer stärker werdendes, pulsierendes Wummern trägt uns dann langsam in die Wirklichkeit zurück. Wirklichkeit? Manfred Wieczorkes (Ex-Eloy) Tasten klingen wie der Soundtrack zu einer Beerdigungs-Szene und Hess greift das Thema mit der Gitarre auf. Dieser Song ist ein einzigartiger Trip, den man sich in depressiven Momenten vielleicht nicht unbedingt antun sollte. Aber großartig ist er nichtsdestotrotz!
Nach dieser anfänglich etwas beruhigerenden Sound-Landschaft, in deren Verlauf sich Hess' Gitarre zu immer steiler werdenden Höhen in eine wahre Euphorie spielt, folgt wieder der tiefe Fall ins Fegefeuer. Der gregorianische Chor ist wieder da, hartnäckig wie ein unersättlicher Dämon, der einen nicht mehr aus seinen Krallen lassen will. Das muss die Hölle sein, die die eine Hälfte des Song- bzw. Album-Titels suggeriert. Glücklicherweise kommen die fetten Gitarren-Riffs mit Hess' Gesang noch einmal zurück und beschließen den Song mit den Füßen auf sicherem Erdboden, wenn auch nicht sonderlich optimistisch. Ganz großes Kino!!
Die deutsche Ausgabe des Magazins Sounds bezeichnete diesen Song nach Erscheinen des Albums Mitte 1977 übrigens als 'Größenwahn'. O-Ton Sounds: » Genauso, wie mich eine Million Fliegen nicht davon überzeugen können, Scheiße zu fressen, können mich Jane überzeugen, es hier mit guter Musik zu tun zu haben!«. Tja, richtig schön, voll fett daneben gelegen, liebe Kollegen! Lag aber sicher auch daran, dass man deutschen Bands damals einfach nicht zugestehen wollte, was ähnlich gelagerte Gruppen wie etwa Pink Floyd oder Genesis produzierten und dafür in den Himmel gelobt wurden.
Ganz anders dann "Twilight", das, wenn auch - typisch Jane - etwas verschleppt, straight geradeaus rockt. Klaus Hess' Gitarre schreit geradezu während der Strophen, die, wie auch der Refrain, von Martin Hesse gesungen werden. Dieser Aufnahme-Stil von zwei miteinander spielenden und sich duellierenden Lead-Gitarren (beide von Hess) wurde von Jane auch schon auf deren Debüt "Together" (1972) praktiziert und funktioniert auch hier wieder sensationell. Übergangslos der Wechsel zu einem weiteren coolen Part, in dem die Keyboards die Oberhand haben. Nicht zu vergessen natürlich die starke und grundsolide Basis-Arbeit, die Peter Panka (R.I.P.) an den Drums und Martin Hesse am Bass verrichten.
Und auch wenn textlich wieder von den Schattenseiten des Daseins bzw. über dessen Versuchungen sinniert wird, so ist dieser deutlich rockigere Song mental erstmal eine Erholung von dem einnehmenden und anspruchsvolleren Titel-Stück. "Voice In The Wind" kommt dann, in der nun remasterten Form nicht mehr ganz so gespenstisch und geisterhaft wie noch auf der Original-LP und -CD-Ausgabe. Grund dafür ist, dass Peter Pankas Gesang auf dieser Version dann doch viel weiter in den Vordergrund gemischt wurde.
Und auch alle weiteren Instrumente sind bei der vom Meister Eroc remasterten CD-Neuausgabe wesentlich transparenter. Auch besser? Der Sound ist auf jeden Fall deutlich differenzierter, aber mir geht speziell bei "Voice In The Wind" fast ein bisschen das ungreifbare, mystische und schleierhafte der originalen Abmischung verloren. Ganz klar eine Geschmacks-Frage, die jeder für sich selbst entscheiden muss.
Ob man mit "Voice In The Wind", wie im Booklet vermutet, tatsächlich den direkten Nachfolge-Song zu "Out In The Rain" fabrizieren wollte? Falls ja, dann ist dieses Unterfangen nicht gelungen, da die Grundstimmung vollkommen anders ist, es keinen richtigen Refrain gibt, kaum Gitarre und stellvertretend dafür die Unterstützung einer Harfe. "Out In The Rain" war zwar auch melancholisch, hatte aber einen romantischen sowie optimistischen Anstrich, mit dem Blick in die Zukunft gerichtet. Bei "Voice In The Wind" dagegen geht es um gestorbene Gefühle und blasse Erinnerungen an das, was einmal war, wobei der Protagonist, wenn auch nachdenklich, froh ist, sich von der damaligen Partnerin befreit zu haben.
Nachfolger oder nicht, "Voice In The Wind" ist ein astreines, geiles, typisches Jane-Stück, in dem man einmal mehr in eine traumartige Szenerie, umgeben von Einsamkeit, Melancholie, schemenhaften Gestalten und großen Gefühlen geführt wird, ohne dabei dramatisch, sondern vielmehr eindringlich zu sein. Die bereits erwähnte Harfe tut selbstredend ihr Übriges, diese Atmosphäre noch zu unterstützen. Einer der ganz großen Höhepunkte der von Peter Panka in der ersten Phase von Jane (bis einschließlich 1982) gesungenen Tracks.
Den vierten und leider schon letzten Track stellt "Your Circle" dar, hier wieder mit Martin Hesse am Gesang. Zum Ausklang gibt es noch einmal einen kräftigen Rocker, der das Album dann doch eher entspannt beschließt. Interessanterweise nahmen Jane diesen Track Jahre später noch einmal in anderer Form unter dem Namen "Southern Line" für ihr Album "Germania" (1982) auf, die letzte auf einem Tonträger festgehaltene Zusammenarbeit der beiden musikalischen Köpfe der Band, Peter Panka und Klaus Hess.
Wie schon die remasterten Jane-Re-Issues davor kommt auch die brandneue Version von "Between Heaven And Hell" in einem coolen Digi-Pak, mit teilweise neuen Liner-Notes und einem mir bisher unbekannten, coolen Band-Foto aus der damaligen Zeit. Sehr, sehr schade, dass es keine Bonus-Tracks jeglicher Art gibt.
Aufgrund des Zeitdrucks, unter dem die Truppe damals stand, gab es wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt auch erst gar keine Outtakes. Wobei es sich hierbei lediglich um eine reine Vermutung meinerseits handelt und ich in diesem Fall gerne Lügen gestraft werde. Der Remaster-Meister Eroc hat sich dieses Album wie gesagt noch einmal vorgenommen und es soundmäßig wesentlich verbessert. Allein der Track "Voice In The Wind" war mir in der Original-Version fast lieber…
Sehr oft ist zu lesen, dass "Between Heaven And Hell" das letzte wirklich großartige, einzigartige Album von Jane war. Über diese These kann man sicherlich streiten, aber fest steht, dass dieses Teil ein wahrer Klassiker der deutschen Rock-Musik ist. Nicht mehr und nicht weniger! Und auch wenn es nicht mein persönliches Lieblings-Album der Hannoveraner ist, so ist es dennoch ein grandioser und wichtiger Meilenstein in der History dieser Band, die sich glücklicherweise nie von der Presse irritieren ließ.
"Between Heaven And Hell"! Der Name ist auf diesem Album Programm!
Line-up:
Klaus Hess (guitars, Moog, lead vocals - #1)
Peter Panka (drums & percussion, lead vocals - #3)
Martin Hesse (bass, lead vocals - #1,2,4)
Manfred Wieczorke (keyboards, background vocals)
Tracklist |
01:Between Heaven And Hell (19:48)
02:Twilight (8:14)
03:Voice In The Wind (5:12)
04:Your Circle (3:50)
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