Janis Joplin / The Woodstock Experience
The Woodstock Experience Spielzeit: 37:19 (CD 1), 58:16 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Sony Music, 2009 (1969)
Stil: Blues Rock


Review vom 30.07.2009


Norbert Neugebauer
Woodstock - und kein Ende?
Wie zu erwarten, beschert uns auch das 40-jährige Jubiläum des Festivals eine neue Flut von Veröffentlichungen aller Art zum Thema. Erstaunlich, dass es immer noch was gibt, was sich kommerziell erfolgversprechend unter diesem Label vermarkten lässt!
Aus der jetzt erschienenen Sony Legacy-Reihe "The Woodstock Experience" kam die Doppel-CD von Janis Joplin mit ihrer Kozmic Blues Band auf meinen Tisch. Natürlich, für mich als alten Janis-Fan, eine erfreuliche Review-Aufgabe. In dieser limitierten Sonder-Edition wird jeweils das damals aktuelle Studio-Album eines Protagonisten dem Mitschnitt des Festivals gegenüber gestellt.
Eine gute Marketing-Strategie, zumal die Ausstattung sehr ansprechend (LP-Replikas samt Innenhüllen und Poster im Schuber) und der Preis o.k. ist. Von der Hippie-Queen sind allerdings fast alle erhaltenen offiziellen Aufnahmen schon in den unterschiedlichsten Machwerken verbraten worden, was es schwer macht, den Überblick zu behalten. Auch Ausschnitte ihres Woodstock-Auftritts wurden auf anderen Produktionen veröffentlicht, hier ist jedoch erstmals der komplette Gig auf einer CD enthalten. Das "Kozmic Blues"-Album hat jeder Anhänger sowieso in irgendeiner Form zuhause. Interessant ist hier allerdings, dass es erst gut einen Monat nach dem Festival herauskam und Janis die Fans mit ihrer neuen Band und neuen Musik vollkommen überraschte.
Inhaltlich brauche ich zu CD 1 nichts weiter zu sagen, habe ich doch dieses für mich beste Album der größten Rock-Sängerin aller Zeiten erst innerhalb unserer Adventskalender-Serie 2008 gewürdigt. Diese Wiederveröffentlichung kommt jedoch, ohne dass ich irgendwo einen Hinweis auf ein Remastering gefunden habe, mit erheblich verbesserter Soundqualität daher.
Drei Songs sind auf der seltsamerweise als 'Bonus'-CD gekennzeichneten Live-Scheibe aus Woodstock (obwohl ja der eigentliche Anlass) bisher unveröffentlicht gewesen, "As Good As You've Been To This World" und "Raise Your Hand" kennen wir allerdings in anderen Versionen von ihr. Lediglich das von 'Snooky' Flowers gesungene Otis Redding-Cover "Can't Turn You Loose" kursierte meines Wissens bisher nur auf dem Bootleg-Album "Summertime: Live in Amsterdam". Da auch ihr Auftritt weder auf den offiziellen LPs (bzw. CDs), noch auf dem originalen Woodstock-Film, sondern erst teilweise auf der 'Director's Cut'-Version (1994) enthalten war, dürfte es so für die Fans schon eine interessante (Neu-)Produktion sein; zumal mit Eddie Kramer (u.a. Jimi Hendrix) einer der Großen seiner Zunft aus jener Zeit dafür verantwortlich zeichnet.
Woodstock ist Mythos wie nix anderes. Die Umstände waren so chaotisch, dass darunter auch die musikalische Qualität der Auftritte litt. Kurzfristige Ausfälle, dafür Spontangigs und Improvisationen, technische und organisatorische Probleme, Regenunterbrechungen und mehr sorgten für große Verschiebungen in den Zeitplänen. Kein Wunder, wenn dann die Musiker schlecht drauf waren oder sich zwischenzeitlich mit allem erreichbaren so zugedröhnt hatten, dass sie kaum mehr auf die Bühne kamen. Entsprechend hört sich das dann auch an, was die Bandmaschinen mitschnitten. Nur die wenigsten Interpreten lieferten einen richtig guten Gig ab, der ihrem damaligen Können entsprach. Und Janis und ihre Mannen?
In diversen Berichten ist nachzulesen, dass sie in der über zehnstündigen Wartezeit bis zu ihrem Auftritt Heroin und Alkohol konsumierte und völlig durch den Wind gewesen wäre. Dass sie aber vor allem wegen der müden Performance ihrer Band nicht ihre übliche Explosivität erreicht hätte. Das lässt sich allerdings beim besten Willen nicht bestätigen, wenn man diese Aufnahmen halbwegs unvoreingenommen hört! Mit "Raise Your Hand" und "As Good As You've Been To This World" stürmten Janis und ihre Truppe die Bühne. Auch mit dem neuen Sound, der wesentlich souliger, jazziger und experimenteller (vor allem wegen der Bläser) war, als zu ihrer Big Brother-Zeit, kamen sie sofort beim Publikum an. "To Love Somebody" zeigt Janis ausdrucksstark und emotional wie gewohnt. Und bei "Summertime" ist sie in absoluter Hochform, die 'Woodstock-Version' ist der von "In Concert" absolut ebenbürtig, allerdings wegen des mittelalterlich klingenden Bläser-Intros und des gegen Ende jazzigen Arrangements sicher ungewöhnlich. Aber spätestens nach diesem Song hat Woodstock gebrodelt!
"Try" schreit sie ebenfalls expressiv wie gewohnt hinaus und die Band gibt mächtig Stoff. Zudem hört sich ihr männlicher Gesangspartner (wahrscheinlich ebenfalls 'Snooky' Flowers) sogar besser an, als auf der Studioproduktion. Auch mit dem Titeltrack ihres neuen Albums überzeugt sie die Fans, wobei hier gegen Ende doch erste stimmliche Probleme auszumachen sind. Dann kommt die heiße Redding-Nummer, bei der es abgeht wie bei den besten Stax-Produktionen.
Bei dem komplexen und emotional extrem anspruchsvollen "Work Me Lord" gerät das Timing, vor allem bei den Bläsern, merklich ins Schwimmen, aber Janis stöhnt und röhrt sich bravourös durch den Song und wird anschließend gefeiert. "Piece Of My Heart" ist danach eher was zum Luftholen und wird kurz und ohne Schnörkel durchgerockt. Vor der Zugabe erkundigt sich Janis bei den Fans, ob es ihnen gut gehe und dann predigt sie der zugedröhnten Menge ihr inbrünstiges "Ball And Chain" zum Abschied.
Nein, Woodstock war wirklich kein schlechter Auftritt von Janis Joplin und der Kozmic Blues Band angesichts der Umstände und im Vergleich mit dem, was andere Künstler da abgeliefert haben. Klar, es gab einige Abstimmungsprobleme und Unsauberkeiten in der Performance der Combo und auch bei Janis fehlte gegen Ende des Sets die letzte Inspiration. Aber die Truppe powerte auf der Bühne und ihre Leaderin lieferte den Massen eine leidenschaftliche Show, für die sie zurecht umjubelt wurde.
Es wurde Zeit, dass die als restriktiv bekannte Joplin-Stiftung die letzten Tracks für den kompletten Woodstock-Gig freigab. So ist es nun möglich, ihn nach 40 Jahren in seiner Gesamtheit nachzuerleben und wirklich zu beurteilen, was diese Ikone der Rockmusik an jenem Sonntag im August 1969 vor der riesigen Kulisse abgeliefert hat. Und das lohnt allemal! Auch soundmäßig hat der Mitschnitt unter der fachkundigen Hand von Eddie Kramer deutlich gewonnen, wenngleich die gesamten Original-Aufnahmen schon nicht unbedingt berauschend (entsprechend der damaligen Zeit) waren. Eindeutig mehr als nur ein Liebhaber-Relikt, sondern eine willkommene Vervollständigung des Janis Joplin-Werkes sowie der Woodstock-Dokumentation in sehr attraktiver Aufmachung!
Tracklist
CD1: I Got Dem Ol' Kozmic Blues Again Mama!
01:Try (Just A Little Bit Harder)
02:Maybe
03:One Good Man
04:As Good As You've Been To This World
05:To Love Somebody
06:Kozmic Blues
07:Little Girl Blue
08:Work Me, Lord
Bonus-CD: Woodstock (Auftritt: Sonntag, 17. August 1969)
01:Raise Your Hand - bisher unveröffentlicht
02:As Good As You've Been To This World - bisher unveröffentlicht
03:To Love Somebody
04:Summertime
05:Try (Just A Little Bit Harder)
06:Kozmic Blues
07:Can't Turn You Loose - bisher unveröffentlicht
08:Work Me, Lord
09:Piece Of My Heart
10:Ball & Chain
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