Jethro Tull / A
A Spielzeit: 42:52 (CD), 57:37 (DVD)
Medium: CD & DVD
Label: Chrysalis Records Ltd., 2004 (1980)
Stil: Synth Prog, Folk Rock

Review vom 16.11.2007


Ralf 'Jogi' Ruhenstroth
"A", das scheint mir immer noch eines der sonderbarsten Jethro-Tull-Alben zu sein. Dafür gibt es gute Gründe, denn die Motivation, die hinter dieser Scheibe aus dem Jahr 1980 steckt, ist schon eine bemerkenswerte. "A", das steht wohl ganz klar für Anderson. Ian Anderson, der besonders innovative, kauzige Bandleader, der schon so manche Musiker eigenständig verpflichtet, aber auch urplötzlich entlassen hat.
Dieses Album war als ein Ian Anderson-Solo-Album gedacht. Der Mann, der Komponist, Texter, Arrangeur, Produzent, Sänger und Flötist in einem war und auch noch ist, wollte zusammen mit dem Tastenmann Eddie Jobson (Ex-U.K., Frank Zappa, Roxy Music) endlich einmal die elektronischen Synthesizer mit seinen doch eher folkigen Flötentönen vereinen und so eine besonders interessante Scheibe auf den Markt werfen. Und dieser Eddie brachte den Schlagzeuger Mark Craney mit. Stammgitarrist Martin Barre sollte die Gitarren übernehmen und so war das Line-up für das Solo-Schaffen des Tull-Frontmannes gefunden.
Als die Aufnahmen abgeschlossen waren, wurde das fertige Material zum Label Chrysalis geschickt. Und jetzt kommt es: Das Label entschied sich gegen ein Anderson-Solo-Album, sondern "A" sollte als neues Jethro Tull-Werk veröffentlicht werden. Und es kam noch gewaltiger. Label-Boss Terry Ellis gab in der Presse preis, dass Eddie Jobson und Mark Craney die neuen Tull-Member wären. Daraufhin verließen Tull-Drummer Barrie Barlow, John Evans und David Palmer aus eigenen Stücken die Band. Evans und Palmer gründeten gemeinsam das Projekt Tallis.
Und so ist es nur logisch, dass "A" sich soundmäßig ganz klar vom bisherigen Schaffen der Band unterscheidet. Aber, dass muss nach knapp 27 Jahren gesagt werden, diese Platte ist keinesfalls schlechter. Ganz im Gegenteil, dieses Werk bietet schon ganz ausgesprochene Schmankerl im mittlerweile langem Schaffen von Anderson. Sowohl beim Eröffnungstrack "Crossfire" als auch dem folgenden "Flyingdale Flyer" geht es recht flott zur Sache. Die Gitarren von Martin Barre sind gewohnt solide und wurden im Mix etwas in den dezenten hinteren Bereich gedreht. Was dominiert, sind die Tasten, anfangs das Klavier, im Anschluss der Synthesizer. Die Rhythmen scheinen beim groben Durchhören einfacher Natur zu sein, doch zählt man genau mit, wird das Detail deutlich. Anderson ist gut bei Stimme, wird allerdings auf diesem Album nicht besonders gefordert. Eddie Jobson gelingt es tatsächlich, an einigen Stellen atmosphärisch zu klingen, die dazu gereichten Flöten sind mehr dem Rock als dem Folk zuzurechnen.
Ist man auf "A" nach der Suche nach gewohnter Kost, so bleibt man vermutlich bei "Working John, Working Joe" hängen, wobei die hier eingeschlagene Richtung wohl am ehesten auf dem Folgealbum "The Broadsword And The Beast" am konsequentesten weiter verfolgt wurde. Den experimentellsten Eindruck hinterlässt "Black Sunday" gleich zu Beginn, wobei hier Anderson mit Barre und Jobson hervorragend harmoniert. Aber auch die Gesangslinien sind perfekt komponiert und so entsteht ein echter Kracher, der neben dem ansonsten fast perfekten Material nochmals heraus sticht.
"Batteries Not Included" klingt für mich noch am meisten verquer und versprüht dadurch einen rasanten Charme, der nicht zuletzt auch durch das gelungene Zusammenspiel zwischen dem Hauptprotagonisten und dem Rest der Band zustande kommt. Typisch folkig wird es noch mal in "Pine Marten's Jig". "A" endet mit einem süßlichen, balladesken "And Further On", welches mir wegen der tollen Gitarrenarbeit über jeden Zweifel erhaben scheint.
Seit 2004 ist "A", wie hier vorliegend, in einer remasterten Version erhältlich. Dabei gibt es eine zusätzliche DVD, welche den Trailer "Slipstream" und einen großen Teil der durchgeführten A-Tour zeigt. Das ist schon sehr sehenswert, wobei sich vor allen Dingen die beiden Klassiker "Aqualung" und "Locomotive Breath" in den gezeigten Versionen besonders lohnen. Der Sound ist ebenfalls gut, auf weiteren Schnickschnack muss man allerdings verzichten.
Die geschilderten Umstände über das Entstehen von "A" und das gelieferte Songmaterial, welches man eigentlich in der Diskographie von Jethro Tull in dieser Form nicht mehr vorfindet, machen die Platte sicherlich nicht zum Besten der Veteranen, aber ein besonderer Stellenwert muss diesem Werk eingeräumt werden. Es ist perfekt arrangiert und komponiert, zeigt die Band in absoluter Spielfreude und ich bin mir nicht sicher, ob wir heute noch von "A" reden würden, wäre es nicht als offizielles Tull-Album erschienen. Wer weiß, reine Spekulation, aber dadurch ist die Scheibe für mich inzwischen etwas ganz Besonderes und somit ein Klassiker!
Line-up:
Ian Anderson (vocals, flutes)
Martin Barre (guitars)
Dave Pegg (bass)
Mark Craney (drums)

Special Guest:
Eddie Jobson (keyboards, electric violin)
Tracklist
CD:
01:Crossfire (3:55)
02:Flyingdale Flyer (4:36)
03:Working John, Working Joe (5:04)
04:Black Sunday (6:38)
05:Protect And Survive (3:37)
06:Batteries Not Included (3:53)
07:Uniform (3:34)
08:4.W.D. (Low Ratio) (3:43)
09:Pine Marten's Jig (3:28)
10:And Further On (4:21)
DVD:
01:Slipstream (Video)
02:Introduction
03:Black Sunday
04:Dun Rungill
05:Flyingdale Flyer
06:Songs From The Wood
07:Heavy Horses
08:Sweet Dream
09:Too Old To Rock'N'Roll
10:Skating Away On The Thin Ice Of The New Day
11:Aqualung
12:Locomotive Breath
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