Savatage geht nunmehr zum dritten Mal unter dem Namen Jon Oliva's Pain in die Verlängerung. Wer nun als erster auf das Wortspiel "Global Warning" gekommen ist, müsste Bandchef Jon Oliva im Bedarfsfall mit den Jungs von Burn ausmachen, die ihrem Album fast zur gleichen Zeit den selben Titel verpasst haben.
Obwohl der Name des Chefs auf dem Cover glänzt, steckt hinter Jon Oliva's Pain längst viel mehr als ein Soloprojekt. Zum dritten Mal in Folge setzt Oliva auf die selben Musiker, die zuvor geschlossen von Zak Stevens und seiner Band Circle II Circle zu ihm übergelaufen waren. Wie schon auf Album Nummer zwei waren sie auch dieses Mal wieder heftig am Songwriting mit beteiligt. Es ist eine formidable Band zusammengewachsen unter den Fittichen des Savatage-Altmeisters!
Mit dieser hat er es gewagt, auf "Global Warning" wesentlich mehr Experimente einzugehen. Die Platte ist längst nicht so eingängig wie der Vorgänger. Während "Maniacal Renderings" gleich mit einem Quasi-Nachfolger von "Hall of the Mountain King" eröffnete, heizt nun der Opener "Global Warning" zunächst mit mehreren bombastischen instrumentalen Minuten ein, abgeschlossen von ein paar einleitenden Zeilen Gesang mit urtypischen Savatage-Trademarks wie Band-Breaks für hämmernde Klavierakkorde mit Gesang, schizophrene Oliva-Schreie...
Der Titeltrack wirkt wie eine Ouvertüre und zeigt gleich an, was in der kommenden Stunde zu erwarten ist: Episches, Dramatisches und Lyrisches in Sachen Musik, thematisch ein loses Konzeptwerk über die Sinnlosigkeit von Kriegen und ein Plädoyer für eine bessere Welt. Hoch interessant für alte Savatage-Jünger ist, dass Jon Oliva wie schon bei "Maniacal Renderings", erneut einige wieder entdeckte Songideen aus frühen Savatage-Tagen und sogar der noch älteren Avatar-Zeit verwendet hat.
So taucht sein verstorbener Bruder Criss auch dieses Mal wieder bei einigen Songs in den Credits auf. Die dazu gehörigen Geschichten erzählt Jon Oliva in den Linernotes. So stammt das Material des bluesig angehauchten Klavier-Rockers "Look At The World" aus den ganz frühen 80ern. Und das Rohmaterial von "Before I Hang", einer episch angehauchten Mischung aus roher Metal-Power und exzellenten Melodien, war einst für "Streets" vorgesehen.
Die Ideen zu "Stories" und "You Never Know" stammen ebenfalls aus grauer Vorzeit und sind klassische und hochklassige Savatage-Feinkost. Auch Teile von "Firefly" kommen aus der Feder Criss Olivas. Es ist mit mehr als sieben Minuten der längste Song des Albums und beschreibt die Sehnsüchte eines Soldaten im Krieg. Gilmour'sche Clean-Gitarren-Welten schaffen eine intime, melancholische Atmosphäre, aus der heraus dramatisch klagende Stimmungen erwachsen. Jon Olivas emotionaler Gesang passt wie die Faust aufs Auge.
Die Stücke ohne Input Criss Olivas treten dabei keineswegs in die zweite Reihe. "Adding The Cost" ist z.B. ein großartiges Stück Metal mit griffigen Düster-Riffs, wütenden Chören und einem aggressiven Shouting des 'Mountain Kings'. "Master", eine Nummer über die Herrschaft der Computer (das hat was vom Spät-80er-Metal!), ist mit einem mechanischem Drive und stark verzerrten Vocals sehr experimentell ausgefallen, aber keinesfalls misslungen.
Das Besondere an "The Ride" ist der Einsatz eines Hackbretts in der Strophe - klingt wie eine Mischung aus Mandoline und Zither und bildet zum düsteren Metal-Groove im Chorus einen gelungenen Kontrast. "Open Your Eyes" hat mich als Savatage-Fan besonders angesprochen, weil es mich ein wenig an "When The Crowds Are Gone" erinnert - ein verhaltener Beginn nur mit Klavier und Gesang, langsam steigende Dramatik, einzelne Gesangsstellen in Kopfstimme.
Mit "Someone/Souls" gelingt ein tolles Finale. Ganz in "Streets"-Manier besteht der eine Track aus zwei Songs. "Someone" ist ein prachtvoller epischer Abschluss, der sich nach balladenhaftem Beginn explosiv steigert, bevor "Souls" einen zerbrechlichen, akustischen Nachklang bereitet. Der Bonustrack der Limited Edition, "No More Saturday Nights", ist eine unveröffentlichte Nummer aus den "Power Of The Night"-Sessions und noch mal ganz großes Kino - ein schauriger Grusel-Rocker mit hohem Unterhaltungswert.
Fazit: Jon Oliva und Konsorten ist schon wieder ein absolutes Meisterwerk mit der Magie und Qualität von Savatage gelungen! Im direkten Vergleich mit dem nicht minder großartigen "Maniacal Renderings" glänzt "Global Warning" mehr als Ganzes. Mit seiner Ouvertüre, einer durchgehenden Thematik, einigen Songs, die in medias res mit Gesang beginnen und mit teils erzählerischen Lyrics wirkt die Scheibe fast wie ein Metal-Musical. Dieser Scheibe muss man ein, zwei Hördurchgänge mehr geben als gewohnt - es lohnt sich!
Line-up:
Jon Oliva (piano, keyboards, vocals, guitar, organ)
Matt Laporte (guitar, vocals)
Christopher Kinder (drums, percussion, vocals)
Kevin Rothney (bass, fretless bass, vocals)
John Zahner (keyboards, organ)
Tracklist |
01:Global Warning
02:Look At The World
03:Adding The Cost
04:Before I Hang
05:Firefly
06:Master
07:The Ride
08:O To G
09:Walk Upon The Water
10:Stories
11:Open Up Your Eyes
12:You Never Know
13:Someone/Souls
14:No More Saturday Nights (Bonus Track Limited Edition)
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