Claudia Koreck / Fliang
Fliang Spielzeit: 47:29
Medium: CD
Label: Lawine / Sony/BMG, 2007
Stil: Singer/Songwriter

Review vom 03.11.2007


Norbert Neugebauer
Im Frühjahr war ihr Song "Fliang" erstmals auf BR3 im Radio zu hören. BR3 ist ansonsten absoluter Mainstream und wird von mir nur zum Überland-Autofahren eingeschaltet, was sehr selten vorkommt. Der Sender hat jedoch neben der Beschaffung von Größen wie Bryan Adams und
Bon Jovi als Kulturauftrag fürs Mainstream-Publikum auch ein Budget für Nachwuchskünstler und landet dabei immer wieder erstaunliche Treffer im Pop-Bereich. Reamonn war so eine Entdeckung und auch Sasha, die maßgeblich gefördert wurden.
Und jetzt die junge Traunsteinerin Claudia Koreck, die mit ihrem in bayrisch gesungenen "Fliang" (deutsch "Fliegen") so frisch und sympathisch rüberkam, dass ich die Kiste auch schon mal zuhause anmachte. Und da musste ich selten lange warten, so wurde das Mädel im Airplay gepusht. Doch auch nach Wochen hielt dieses innere Grinsen an, wenn ich irgendwo im Vorbeigehen die jugendliche Stimme hörte. Der Song war aber erstaunlicherweise lange nur als Download erhältlich.
Die Sängerin ist jedoch weder eine Eintagsfliege, noch hat sie irgendwas mit den sonstigen in der Populärmusik als mehr oder weniger bayrisch singend registrierten Menschen zu tun. Und schon gleich gar nichts mit den üblichen Musikantenstadl-Statisten. Aber bei ihr, als 'Native Speaker' klingt das ausgesprochen gut und vollkommen natürlich! Das »fließt mehr« als das Hochdeutsche, wie sie selber sagt.
21 ist sie zwar erst, macht aber schon seit 12 Jahren Musik. Zunächst daheim, früh schon mit dem Kinderliedermacher Rolf Zuckowski, aber dann auch mit ihrer Band Menschenskinder bei der Fußball-WM in Kaiserslautern vor 10.000 Leuten und als Dauergast auf dem Oktoberfest 2006. Mittlerweile mit eigener Band (mit dem RPWL-Drummer 'Manni' Müller) ist sie schon mal selbst Headliner auf Festivals oder 'Special Guest' bei der Hubert von Goisern-Tour. Derzeit tourt sie durch Süddeutschland und Umgebung (Termine wie immer hier). Dass sie für ihr Debütalbum gleich via Sublabel beim Major Sony/BMG untergekommen ist, zeigt, dass auch die Plattenbosse von ihrem Potential überzeugt sind.
Was sie singt, hat sie auch selber komponiert (oft zusammen mit ihrem Produzenten Gunnar Graewert) und getextet. Und die Themen sind die einer jungen Frau, die oft genug verliebt und naturgemäß auch mal enttäuscht ist. Rockfans dageblieben! Kein Herz-Schmerz-Gesäusel, sondern absolut gut gemachte Popmusik, die, dank des warmen Dialekts, auch die Texte mit Pep trägt.
Die Frage war natürlich, ob sie das Niveau ihres Radiohits auf dem Album halten kann. Kann sie, locker. Mit ihrer Profiband und mit der nötigen eigenen Erfahrung hat sie die zwölf Songs eingespielt, die abwechslungsreich, eingängig und auch mit einem ordentlichen Schuss Rock'n'Blues angereichert sind. Die Produktion ist weitgehend stilsicher, auch wenn's für den gemeinen Rockfan öfters etwas zu poppig klingt. Aber astrein aufgenommen und abgemischt ist die CD allemal.
Ihr Hit 'fliagt' auf dem Album in einer anderen Version, der für mich die Frische der Radio-Nummer abgeht. Die neue Mischung aus Erwachsen-ambitioniert, aber gleichzeitig Keyboard-soundmäßig aufgezuckert, schmeckt wie Gourmet-Joghurt mit Saccarin. Trotzdem nicht schlecht gemacht, aber ich hätte gern das Original zumindest als Bonus-Track auf der CD gehabt!
Dass sie nicht das romantische Seelchen ist, das der Hörer vom doch etwas zu blumig ausgefallenen Cover samt Booklet-Fotos und ihrer sonstigen Aufmachung erwarten könnte, wird schnell klar. Nix da mit dem Klischee von der Unschuld vom Land! Und auch bei ihren Texten hält sie sich keineswegs mit platonischer Schwärmerei auf.
»Kennst du die Dog wo du einfach nur Sex mogst, mit dir seim, a Liab brauchst, verdammt, und koana wuis dir gem; du Lust host, di zum gspian…«.
So deutlich ist seit Nina 'Durchgeknallt' in lange vergangenen Punk-Zeiten keine Frau auf deutschsprachigem Terrain mehr geworden. Und "Herbstwind" bluest auch ordentlich. Mit "I wui weg" legt sie noch kräftig drauf und bei dieser Röhre müssen manche Boulevard-Kollegen natürlich gleich mangels subtilerer Vergleichsmöglichkeiten euphorisch von einer 'Bayerischen Janis Joplin' jubeln (Herr Hoeneß schreiten Sie ein!).
Dagegen erinnert sich der RockTimes-Minderheitenbeauftragte anfänglich bei "Schuah aus" doch recht deutlich an Herrn Zimmermanns Trip-Song vom Wachturm. "I mog die Dog" ist die grad veröffentlichte zweite Single, und da zeigt sie sich von ihrer folkloristischen Seite (rootsmäßig halt) und auch das kann sie ohne Weichspüler. Der kommt aber dann bei "Es liegt nur an dir" rein - klarer Fall für die Skip-Taste. "Vergangenheit" ist ähnlich, swingt aber immerhin recht ordentlich.
Sicher, man kann über jeden Scheiß ein Lied machen. Auch über "Schua aus" oder die vom Freund vergessene "Daschn" (Tasche) als Aufhänger. Wenn das so klasse Songs werden, dann, meinetwegen, auch demnächst gern über ein Frauenklo nach dem Dorftanz… Mit "Chocolat" überzeugt die junge Künstlerin als Abschluss noch mit einem durchaus gelungenen stimmungsvollen Chanson in Französisch (in Bayrisch jetzt als B-Seite der neuen Single).
Die Claudia macht ihr Ding, das steht schon mal fest. Sie hat eine Stimme, die meilenweit aus der wiedererwachten deutschen Pop-Landschaft herausragt. Und als Songwriterin fehlt ihr sowieso jede (weibliche) Konkurrenz aus dem eigenen Lager.
Ein richtig gutes Sommeralbum, das leider etwas zu spät rausgekommen ist, aber auch im Herbst noch leuchtet. Unmittelbar nach der Veröffentlichung schoss "Fliang" auf Platz 1 der Bayerischen Albumcharts und auf 15 der Deutschen. Im Booklet sind alle Texte zum Mitlesen abgedruckt (allerdings ohne Übersetzung ...).
Warten wir mal nach diesem gelungenen Debüt ab, wie's weitergeht mit der sympathischen Claudia aus Traunstein. Hier mal mein persönlicher Tipp: Strait ahead!
Möglicherweise werden da ein paar Mainstream-Klippen im Weg sein (hoffentlich mit großen Einnahmen verbunden) und auch die 'Kunstfalle' zuschnappen, aber bei dem Talent und der jetzt schon vorhandenen Professionalität sind da beste Chancen für eine ernsthafte Karriere mit Tiefgang. Und wenn's dann noch rockt, ist's sicher nicht für'n Arsch, um mal einen namhaften Kollegen zu zitieren, der seine Begeisterung auch nicht verbergen konnte.
Rezensionen sind irgendwie alles andere als objektiv. In dem Fall sowieso. Selbst bei einem Franken.

Damit ist nun das vierte Viertel meiner Ladies Nights mit Küsschen abgehakt. Doch inzwischen ist die Bettcouch neu bezogen und die nächsten Damen warten schon …
Line-up:
Claudia Koreck (Gesang, Akustik-Gitarre)
Andreas 'Andi' Dombert (Gitarren, Keyboards)
Andreas 'Otto' Schellinger (Bass, Background-Gesang)
Manfred 'Manni' Müller (Schlagzeug/Percussion, Background-Gesang, Ukulele)
Titus Vollmer (Gitarren, Dobro, Mandoline)
+ Gäste
Tracklist
01:Fliang - Album Version
02:Schrei
03:Herbstwind
04:I wui weg
05:Unverwundet
06:Schuah aus
07:I mog de Dog
08:Es liegt nur an dir
09:Wenn des alles is
10:Vergangenheit
11:Daschn
12:Chocolat
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