Chris Kramer?
'Crazy' Chris Kramer? Der kleine dicke Junge aus dem Ruhrpott, der den Blues hat? Der zweifacher German Blues Award-Gewinner? - Klar, den kennen wir! Und mögen ihn! Seit letzten Samstag reihe ich mich zu den
RockTimes-Kollegen
Joe Brookes und
Jürgen Hauß in die Reihe derer ein, die den
Kramer jedem Blues- und Deutschrock-Fan schwer empfehlen!
Da steht ein kurzer Typ im schwarzen Anzug mit Designerbrille im rundem Gesicht und Leder-Bätschkapp an der Tür des ziemlich leeren Wirtshaussaals, das den Folkclub Isaar beherbergt und scheint zu überlegen, ob er nicht wieder einpacken soll. Aber nach über 20 Jahren 'on the road' gilt für
Chris Kramer noch immer das alte Rock'n'Roller-Motto:
»Gespielt wird, wenn einer mehr da ist als die Band und für die, die gekommen sind, wird alles gegeben!« Nun, so dramatisch ist's dann doch nicht, es trudeln noch Gäste ein, zu den heimischen Oberfranken wie immer auch ein paar Thüringer und Sachsen aus der Nachbarschaft. Auch
»alles« muss er nicht geben, die Zuhörer lassen sich schnell aus der Reserve locken und so erleben beide - der Mann mit dem unverkennbaren Ruhrpott-Slang und seine drei Dutzend Zuhörer - einen Abend voller Geschichten über Beziehungskisten, die Emotionalität ostfriesischer Konzertbesucher in Relation zu oberfränkischen, das Leben an sich und den Blues. Vor zehn Jahren hat er sich nach einem Konzert in Suhl vom
»besten weißen Afro-Amerikaner hierzulande«, der er bis dahin sein wollte, zum bluesenden Singer/Singwriter gewandelt, der seine kleinen Storys nun in deutscher Sprache zu Gitarre und Mundharmonika erzählt. Nicht nur wegen der gleichen Herkunft aus dem Kohlenrevier wird schnell die Verwandtschaft zu
Stefan Stoppok deutlich, wobei der wohl etwas spröder rüberkommt.
Chris Kramer ist ein routinierter Entertainer und humorvoller Moderator in eigener Sache, der zwischen seinen Stücken locker plaudert, über den künstlerischen Werdegang, das 'schöne Leben' als Musiker, die Frauen (natürlich) und der auch aktuelle Bezüge pointenhaft einbaut. Längst ist er selbst ein alter Bühnenhase, der alle Tricks des Alleinunterhalters beherrscht und sein Publikum problemlos zwei Stunden bestens bei Laune hält.
Vier Gitarren hat er mitgebracht, eine gängige Akustische mit Stahlsaiten, herkömmlich gepickt, eine Resonatorgitarre, eine Blechklampfe
»von jemand aus Oldenburg« und dann noch ein besonderes Stück im Rechteckkorpusformat, die er alle mit Bottleneck sehr ordentlich bearbeitet. Den Typ, der ihm die röhrende 'Ruhrpott-Klampfe' aus einer echten Zigarrenkiste mit speziellen Accessoires gebaut hat, den hab ich bei den letzten
Schmölzer Blues Tagen kennengelernt.
Andreas Meinhard heißt er und der macht auch andere Saiteninstrumente im
Bo Diddley-Look.
Die vier Gitarren spielt er nicht gerade filigran, es scheppert und jault ordentlich, vor allem wenn er den Boogie schrubbt. Nur bei seinen 'Instrumentalgeschichten', da zupft er mit viel Gefühl und lässt die Zuhörer ihr eigenes Kopfkino zu den perlenden Tönen abspulen. Seit er nicht mehr den 'Afro-Ami' mimt, ist seine kräftige Stimme in die Normallage zurückgekehrt, aber da liegt immer noch reichlich Kohlenstaub drauf. Extraklasse ist natürlich sein Harpspiel und damit kann er jede Stimmung modulieren, von der läufigen Nachbars-'Katze', über sonniges Westcoast-Feeling bis zum verträumten Sommertag an einem Fluss. Tausende von Eleven hat er mittlerweile in die Kunst mit der Mundharmonika eingeweiht, aber an sein Können wird wohl kaum einer jemals heranreichen. Er singt und spielt sich durch den großen Bluesgarten, variiert die bekannten Themen in Tonfolge, Rhythmus und Inhalt, macht aus dem Catfish einen Igel und zitiert schon auchmal
Jimis
Voodoobalg. Selbstverständlich alles 'selbstgeschrieben', ganz in guter alter Bluesman-Tradition.
Am Ende des Sets bekommt er seinen verdienten und ehrlichen Applaus, auch sein Dank retour an die, die den Hintern noch für Livemusik in einem kleinen Club aus dem weichen Sessel daheim hieven, ist wohl echt. CDs wird er jedenfalls auch gut los, selbst die, die zum Schlussverkaufspreis 'wegmüssen'. Als Zugaben gibt's den wahrscheinlich obligatorischen "Harp-Song" mit einer schrägen Story, die die Zuhörer auch ohne Worte gut verstehen und als kleines sentimentales Anhängsel dann den alten Schlager "Irgendwo auf der Welt". Auch schön.