Die Niederlande machen in Sachen progressiver Musik zunehmend auf sich aufmerksam. Und zwar nicht nur dadurch, dass es zahlreiche Veröffentlichungen gibt. Nein, nach Knight Area finden wir hier mit Kramer eine qualitativ hochwertige Band vor, die sich zwar weitestgehend dem Neo Prog verschrieben hat, der es jedoch gelingt, auf absolute Eigenständigkeit zu setzen. Dies bedeutet, dass Kramer möglichst wenig anderer Bands kopieren. Hm, wenn das überhaupt geht, denn irgendwo findet man immer den einen oder anderen Ideengeber und natürlich dient die eine oder andere Melodie bzw. Komposition als Inspiration für eigene Sachen. Dessen kann man sich wohl nicht verschließen.
Was bei "Life Cycle" sofort auffällt, ist der knackige und brillante Sound der Aufnahmen. Diese sind auch notwendig, spielen die Jungs in vielen Passagen doch sehr sanft bzw. gefühlvoll und zelebrieren uns dabei liebliche Töne. Nun, das ist kein Schmalz. Vor allen Dingen das Klavier spielt in vielen Tracks eine dominante Rolle, und so erinnern Kramer mit ihrem Werk insbesondere zu Beginn an Sylvans Werk Posthumous Silence. Auch die stimmlichen Fertigkeiten von Marc Besselink sind mit denen von Marco Glühmann durchaus vergleichbar.
Ansonsten sind die musikalischen Einflüsse sehr schnell gefunden. Marillion der frühen Jahre, It Bites, aber auch ein bisschen Pink Floyd, in vertrackteren Situationen sind es Genesis, und ein ums andere Mal die Urgewalt von neueren Porcupine Tree-Scheiben. Und so ist es schließlich die bekannte und gute Mischung, die dieses Album sehr empfehlenswert macht. In so mancher Gitarrenmelodie hören wir Nick Barrett von Pendragon, und wenn man auf diese Sparte von Mucke steht, bekommt man hier eine Vollbedienung.
Kramer gibt es bereits seit 2001, zu diesem Zeitpunkt hießen sie noch Lorian. "Life Cycle" ist ein Konzeptalbum geworden, gleichzeitig ein Debüt, inhaltlich dreht es sich um zwei Kinder, die auf der Suche nach ihrem verschwundenen Vater sind. Alles was sie finden ist sein Tagebuch und so erfahren sie mehr über die Hintergründe seines Verschwindens. Ob das nun besonders originell ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Die Musik der Holländer ist emotional auf so eine Story fixiert, der Hörer wird bei Gefallen schnell hineingezogen.
Und so ist es natürlich schwer, einen Song besonders hervorzuheben. Vielleicht das ständige Auf und Ab in "I Believe", in dem Kramer besonders variantenreich in Bezug auf die gespielte Intensität der Instrumente zu Werke gehen, oder das fast 12-minütige "We Mortals", in dem die verschiedensten Tempowechsel zu finden sind. Ein dramatisch anmutendes Ende war von Beginn an zu vermuten, denn das finden wir in "The Final Chord" ebenso wie die musikalische Untermalung der Quintessenz aus der Story im abschließenden Titelstück "Life Cycle".
Im Neo Prog ist es nicht einfach, vermeintliche Akzente zu setzen. Viel mehr kommt es auf die Summe der einzelnen und gezeigten Komponenten an. Und da haben Kramer so ziemlich alles richtig gemacht. Man spürt förmlich, wie sie mit Herz und Seele ihre Musik offerieren und auf dieser Scheibe darbieten. Das Teil hat es in sich, wird nicht langweilig und ist eine absolute Kaufempfehlung. Wundert mich sehr, dass da noch nicht mehr raus gesprungen ist. Die Band hat absolutes Potenzial und macht auf zukünftige Veröffentlichungen neugierig!
9 von 10 RockTimes-Uhren
Line-up:
Marc Besselink (lead vocals, piano, keyboards)
Rob De Jong (guitars, keyboards, soundscapes, backing vocals)
Harald Veenker (drums, backing vocals)
Jeroen Vriend (bass)
Tracklist |
01:Homecoming (7:11)
02:Remember Me (7:16)
03:Identity (8:09)
04:Escape Into A Dream (8:35)
05:A Farewell (7:28)
06:We Mortals (11:24)
07:I Believe (4:57)
08:The Final Chord (9:22)
09:Life Cycle (6:37)
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