»There's plenty Deutschmarks here to earn
and German tarts are wunderschoen
German beer is chemical-free
Germany's alreet with me«
Paradiesische Zustände im Teutonenreich! Aus dieser speziellen schottischen Sicht heraus galt Deutschland vor einigen Jahren noch als erstrebens- und lebenswerte Traumdestination. Die Zeiten haben sich geändert. Die Hochzeit der britischen Gastarbeiter im deutschen Baugewerbe ist vorüber. Das horizontale Gewerbe hierzulande hat mit osteuropäischer Konkurrenz zu kämpfen. Das deutsche Braugewerbe immerhin ist - dank des Reinheitsgebots - von den erschütternden Skandalen in der Lebensmittelindustrie bisher weitgehend verschont geblieben. Die RockTimes-Experten sprechen soeben ein Gebet... .
[Eins? Die Redaktionsexperten].
Bleiben noch die winzigen, mikroinflationären Erscheinungen seit der Währungsverfügung - Verzeihung, -einführung - beobachtet von vereinzelten, unbestätigten Quellen. Der treu besonnene, unendlich folgsame, durchschnittliche, deutsche Gemütsmensch hat sich - eher zähneknirschend denn widerständisch - einmal mehr vor Europa verneigt und seine tiefe Ehrerbietung in Form des großzügigen Verzichts auf ungefähr die Hälfte seines seligen Deutschmarkseinkommens zum Ausdruck gebracht. Das ist aber wirklich nicht weiter schlimm, weil die marginalen Preiserhöhungen durch den Euro nun alles andere als nennenswert ins Gewicht fallen, befindet eine offensichtlich schweigende Mehrheit.
Entwicklungen dieser fragwürdigen Art konnten den Gentleman aus Glasgow mit dem wohlklingenden allemannischen Nachnamen jedenfalls nicht davon abhalten, die inflationsfreie, beständig qualitative Wertarbeit im Außendienst seiner eigenen Nobelmarkenfirma nach dreijähriger Marktabstinenz in Deutschland wieder aufzunehmen. Playground war diesmal, am 3. Mai 2008 (Kurios: am 3.5.2007 spielte Bob Dylan in der Schmeling-Halle), das Berliner Velodrom, eine unterirdisch gelegene, hochmoderne aber klinisch steril wirkende Sportarena, die ca. 12.000 Besucher fasst.
Die fasste sie auch tatsächlich an diesem Abend. Mark Knopfler füllte 2005 schließlich ebenso problemlos die doppelt große Waldbühne in Berlin. Eine 'sichere Bank' ist er geworden, unter den Fluktuationen der heutigen Musikbranche. Sein Publikum ist sich der lohnenden Investition von 60-70 Euro für ein Konzertticket bewusst. Knopfler ist ein Businessman, einer der gestandenen, integeren, renditesicheren Sorte, der von Natur aus nicht enttäuschen kann und auch wieder nicht hat. Er bietet seinen Fans hochkarätigen, vielseitigen Stilrock, in den letzten Jahren zu verstärkten Folkeinflüssen tendierend, die in puristischen, sparsamen, andererseits künstlerisch facettenreichen Stücken von ihm in seiner Saitenwerkstatt als herrlich nonkonformistische Unikate geschmiedet werden.
Nach den Cannibals und seiner folgenden, sehr herzlichen, natürlich gewinnenden Begrüßung mit dem anfangs zitierten "Why Aye Man", kickt der Professional spielerisch beliebte Publikumsbälle wie "What It Is" oder "Sailing To Philadelphia" vom Fuß und arbeitet sich munter systematisch durch sein fünf Solo-Alben umfassendes Repertoire. Für Genießer hält 'Mr. Dire Straits' dabei ein paar faustdicke Überraschungen bereit. So den fein graduierten "Hill Farmer's Blues", der mit seiner leichten, sich langsam steigernden Dynamik in eine fordernde, ja zwingende Dramatik übergeht, um auf deren Höchstlevel in einer fulminanten Endlosschleife zu münden. Das Arrangement stimmt perfekt und lässt dem ausgeprägten Individualisten Raum für seine unverkennbaren, reizvollen, improvisatorischen Glanzvorführungen.
"Marbletown" ist eine der Traumsequenzen aus "The Ragpicker's Dream" und erscheint als wahrhaft marmorisierter Edelstein. Die Studioversion - ein versierter, konsequent stripped-down Akustiker - gerät live zu einem ausgewachsenen rockin' rambler. Unglaublich! Dieser Mann versteht das Prinzip der audio-atomaren Kernspaltung.
Ausgangspunkt für seine aktuell stattfindende Tour ist die im letzten Herbst erschienene CD Kill To Get Crimson. Mark Knopfler stellt aus dem neuen Album "True Love Will Never Fade" vor. Was in diesem straighten, klassischen Folksong vage angedeutet wird, führt in dem gänzlich unerwarteten "The Fish And The Bird" zu einer emotionalen Implosion. Gesanglich steht der sonore Tiefstimmer seiner sonstigen musikalischen Perfektion oft etwas nach. Nicht in dieser vollkommenen Liebesballade - so niederschlagend, unerbittlich zu Boden schmetternd, dass man unfähig scheint, sich jemals wieder zu erheben. Und er singt: klar, direkt, kompromisslos, hingebungsvoll eine wunderschöne, umfängliche Melodie. Die Seele liegt endgültig in Ketten, versteinert auf Erden. Ein außergewöhnliches Stück mit dessen dezidierter Interpretation wirklich keinesfalls zu rechnen war. Unfassbar, unergründlich, die Tiefen im Universum des Mark Knopfler.
Inhaltlich verweilt er beim schönsten aller Sangesgründe, wandert dann chronologisch ganze 28 Jahre rückwärts - "Romeo and Juliet"- der Shakespeareklassiker wurde zumindest in der Rockmusik nie würdiger vertont als in jenem Evergreen von den Dire Straits. Knopfler singt es gern - kein reiner Routinecheck und ganz sicher auch mehr als nur ein Bonus für die anwesenden, unsterblichen 80er-Jahre Fans.
Selbige werden nun nicht länger auf die Folter gespannt. Die 'Sultane' sind eingetroffen! Mit zwei Multiinstrumentalisten in der Band, darunter Straits-Mitstreiter Guy Fletcher, wird D-A-S Solo schlechthin vorbereitet, welches auch die vor mir stehenden Primaten (nicht nur dem infantilen Verhalten nach ca. halb so alt wie der Dire Straits-Bahnbrecher selbst aus dem Jahre 1978) endlich völlig zum Austicken bringt. Zurecht. Wie oft hat man es gehört! Dennoch! Mark Knopfler schneidet seine legendären Highspeed-Arpeggien in jede der verdammten 6 Saiten, so als wäre es das erste und letzte Mal, dass er dies tun würde. Immer noch der selbe kill thrill! Sein 20-jähriger Sohn spiele inzwischen schneller und besser als er und erteile dem Vater schon mal die ein oder andere Lektion, ließ der Virtuose kürzlich in einem Interview verlauten. Nun, es handelt sich entweder um einen Scherz oder um einen Außerirdischen. Die einzig möglichen Erklärungen!
Der "Speedway" der Neuzeit führt eine Art Wüstenrallye "To Nazareth" und die hetzt wie besessen ihrem Zielort entgegen. Zurückhaltend, fast unspektakulär beginnt der Song als simpler Storybegleiter und avanciert im Finale zum tobenden Reißer mit peitschendem Accelerando, geschrieben direkt auf den Leib, genauer gesagt die Finger d-e-s Picking-Artisten. »He doesn't wanna make it cry or sing« you know! Wahnwitzige Tastenläufe fundamentieren Knopflers flashverrückte Saitentänze. Bloody brilliant! Und genau dafür wird der Mann seit Jahr und Tag bezahlt.
Komplett gefangen genommen ist man plötzlich von der extraordinären Bühnen- und Lichtshow, als sich direkt über der Band eine riesige runde Scheibe mit dem Abbild des Schallochs einer Gitarre und den darüber befindlichen 6 Saiten von der Horizontalen in die Vertikale bewegt, umrandet vom rasend schnellen Scheinwerferspiel einer magnetisierenden Lightperformance. Donnerwetter! Die ultimative Hightech-Arena beeindruckt mit universeller Enormität.
Mit dem ewigen Fanliebling "Telegraph Road" konnte Mark Knopfler wieder nichts falsch machen. Der 14-Minüter hat über die Jahrzehnte nichts von seiner Faszination und Strahlungskraft verloren und brachte auf diese Weise so manches Augenpaar zum Leuchten. "Postcards From Paraguay" dürfte hingegen eher zu des Meisters Favoriten gehören, wie einige verwirrte Mienen und allgemein verhaltenere Beifallsbekundungen zeigten. Der südamerikanische Exot ist jedoch unzweifelhafter Beleg für den geistig-geografischen Horizont und die elitären Qualitäten eines Songwritergenies.
Mark Knopfler lässt sich am Ende nicht lumpen: Vier Zugaben trotzt die euphorisierte Menge dem sichtlich Spaß habenden Guitar-Superman ab. Die Waffenbrüder aus "Brothers In Arms" dürfen nicht fehlen. "Our Shangri-La", der sanft-seidige Romancer aus dem gleichnamigen 2004er Album kuschelt sich in die Arme der Pärchen und zeichnet gleichsam Ratlosigkeit in die Gesichter der erwähnten Primaten und der immer noch zahlreich vorhandenen Hardcore-Straitsjackets im Volk. Zum Grinsen.
So weit erstreckt sich eben das bemerkenswerte Knopfler'sche Fachspektrum. Der beliebte Rausschmeißer "So Far Away" wird von satten mellow Synthies lustvoll hochformatiert. Mit dem Film-Instrumental "Going Home" aus "Local Hero" entlässt der nonchalante Ästhet letztlich sein glücksseliges, völlig abgedrehtes und überwältigtes Publikum kurz nach 10 in die noch junge Nacht.
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