Eigentlich müsste man angesichts des Line-ups (u.a. George Harrison, Steve Winwood, Jim Capaldi, Ron Wood, Mick Fleetwood, Boz Burrell), das Alvin Lee und Mylon LeFevre für ihr "On The Road To Freedom"-Album versammeln konnten, vor Ehrfurcht erstarren. Es kommt von daher vermutlich fast einer Majestätsbeleidigung gleich, wenn mein resümierendes Urteil zu dieser Scheibe konstatiert, dass ähnliche musikalische Endergebnisse heute von jeder halbwegs talentierten Newcomer-Kombo (meine Erkenntnisse beziehen sich hier allerdings in erster Linie auf amerikanische Bands und Interpreten, mit denen ich mich schwerpunktmäßig beschäftige) am Fließband abgeliefert werden (eher sogar besser…).
So hart und frustrierend, wie dieses Statement auch klingen mag - meine über zig Dekaden bis zum heutigen Tag gesammelte reichhaltige Erfahrung lässt leider hier einfach kein anderes Urteil zu.
Fairerweise muss man aber auch gestehen, dass dies aufgrund verschiedener Begebenheiten ein bisschen dem berühmten Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen gleichkommt. Da sich die Firma Repertoire Records aber entschlossen hat, ein Teil von 1973 in die heutige Zeit zurück zu transportieren, stellt sich für mich die Frage nach dem Sinn dieser Aktion jedoch zwangsläufig.
Im Prinzip kann dieses etwas wirre Sammelsurium an verschiedenen Stilen, reichend von Hippie-trächtigem Psychedelic-, Folk-, Blues-, Pop- und Rock-Elementen bis hin zu Country-Stücken (mit Steel und Fiddle sowie teilweise gospelartigen Einlagen) trotz des Remasterings von Jon Astley, den Muff der Epoche nie abstreifen (ist vermutlich auch nicht gewollt). Alles klingt nach wie vor wie zu dieser Phase typisch (sicherlich auch den technischen Möglichkeiten geschuldet) - eindimensional und mit einem gewissen Proberaum-Flair behaftet. Ganz zu schweigen vom grottigen Coverartwork (Texte von einigen Songs dazu teilweise nicht abgedruckt).
Trotzdem - und jetzt werden sicherlich alle erstaunt aufschauen - hat dieses Re-Release (auch aus meiner Sicht) doch seine Berechtigung! In erster Linie für meine sicher jetzt in großer Anzahl dazu gewonnenen Freunde, die dieses Werk nur als LP, Ursprungs-CD oder gar nicht besitzen, (unter Berücksichtigung des sicherlich etwas verbesserten Sounds), aber auch für generell rockmusikhistorisch interessierte Hörer, die auf ein weitest möglich ausgedehntes Musikspektrum schwören.
Die Lieder sind jetzt auch nicht ganz so übel. Wenn Lee seine an Ten Years After angelehnten Gitarrenkünste aufblitzen lässt, Winwood und Capaldi in bester Traffic-Manier zusammen walten, Wood sein stoneskes "Let 'em Say What They Will" einbringt und George Harrison (hier unter dem Künstlernamen Hari Georgeson aufgeführt) auf "So Sad (No Love Of His Own)" slidend seiner Verflossen nachtrauert (hier in zwei Versionen - das Stück hätte z. B. auch ganz gut auf Eric Claptons "461 Ocean Boulevard" gepasst), weht doch schon ein Hauch von Stardom durch die Spielzeit.
Was dieses Teil jedoch so interessant macht, sind die Liner Notes von Chris Welch. Denen kann man nämlich einige, teils amüsante Geschichten aus dem Nähkästchen entnehmen. Alvin Lee hatte ja nach dem Ten Years After-Erfolg (auch bedingt durch Woodstock) zwar ganz gut Geld, fühlte sich mit TYA aber in einer kreativen Sackgasse und wollte einfach mal andere Dinge ausprobieren. In Amerika hatte er den Gospelsänger Mylon LeFevre kennengelernt und die beiden hatten quasi spontan eine Zusammenarbeit vereinbart. Lee hatte großspurig auf sein schon in Bälde fertiges eigenes Tonstudio verwiesen.
Und wie das so mit der Aussagekraft von Musikern ist, durfte der aus den Staaten angereiste LeFevre (zum Piepen auch, was aus ihm geworden ist - nicht erschrecken beim Öffnen seiner Homepage…) erst mal mit Drummer Ian Wallace und Alvin den Rohbau fertigstellen, bevor es mit der eigentlichen Arbeit losgehen konnte. Der Legende nach fragte Mylon Lee irgendwann, als das Studio vollendet war, wo man denn in der Umgebung Musiker treffen könne. Alvin verwies auf das Speakeasy und LeFevres überragender Überzeugungskunst sei Dank, kam der mit den Herren Fleetwood, Harrison, Wood und Winwood im Schlepptau zurück.
Schön auch, wie man erfährt, dass dem Toningenieur ein verdächtiges Knistern in der anliegenden Tennishalle, die zu Echohallzwecken genutzt werden sollte, aufgefallen war. Wenige Minuten später, als man noch gerade das Equipment hatte entfernen können, ist dann wohl das Dach eingestürzt… Man erhält auch die Info, dass Harrisons "So Sad (No Love Of His Own)" seiner Ex, Patty Boyd, ein damaliges Fotomodell, gewidmet war, die dann ja nahtlos in den 'Besitz' von Georges Freund Eric Clapton übergangen war.
Alvin Lees und Mylon LeFevres vermeintlich von Kultstatus umwittertes "On The Road To Freedom" kann man, egal wie man zu der angebotenen Musik steht, aus besagten Gründen, durchaus in seine Tonträgersammlung stellen. Lee hat übrigens im August dieses Jahres quasi ein Nachfolgewerk Still On The Road To Freedom mit neu kreierten Tracks eingespielt (ohne LeFevre, aber mit genauso einem fürchterlichen Coverbild), wobei die Soundschnipsel, die ich mir mal zu Gemüte geführt habe (da klingt z. B. Lees E-Gitarrenspiel richtig fett), durchaus - als kurzer Vergleich - nicht uninteressant erschienen…
Tracklist |
01:On The Road To Freedom
02:The World Is Changing (I Got A Woman Back In Georgia)
03:So Sad (No Love Of His Own)
04:Fallen Angel
05:Funny
06:We Still Shine
07:Carry My Load
08:Lay Me Back
09:Let 'Em Say What They Will
10:I Can't Take It
11:Riffin
12:Rockin' Til The Sun Goes Down
Bonus Track:
13:So Sad (No Love Of His Own) - Single version
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