Alvin Lee / Still On The Road To Freedom
Still On The Road To Freedom Spielzeit: 43:04
Medium: CD
Label: Repertoire Records, 2012
Stil: Blues, Americana…

Review vom 26.09.2012


Jochen v. Arnim
Gut vierzig Jahre ist es nun her, dass sich Mr. Lee überraschend von seinen damaligen Bandkollegen Chick Churchill, Leo Lyons (Hundred Seventy Split) und Ric Lee, besser bekannt als Ten Years After, lossagte und lieber Solopfade bzw. andere Projekte verfolgte. Er hatte zumindest offiziell schlichtweg kein Interesse mehr an dem ewigen Tourstress und dem schlechten Sound in großen Hallen. Der Gospelsänger Mylon LeFevre kam ihm dann gerade recht, um gemeinsam die vielgelobte "On The Road To Freedom" einzuspielen, die bereits 1973 erschien. Nun gibt es zum quasi 40. Jubiläum, und gut fünf Jahre nach seinem letzten Soloalbum, einen Nachfolger, dessen Titel schlauerweise nur um das Wörtchen "Still" ergänzt wurde und auch in der Art des Covers hat man sich an die Urform angelehnt. Spazierten Anno '73 noch Lee und LeFevre, ganz im Stil der frühen Siebziger aussehend, nebeneinander auf einem Weg durch den Wald, so wandelt Ersterer heute allein auf einem Schotterpfad durch eine hügelige Landschaft. Auch die Rückseiten ähneln einander irgendwie, nur steht Alvin Lee solo vor einer Gabelung und kratzt sich am Kopf – sorry, aber schlechtes Urlaubsbild lässt grüßen.
Inhaltlich musikalisch jedoch kann die Scheibe mehr, sehr viel mehr. Die Genrebezeichnungen im Kopf dieser Rezension lassen es vermuten, eine Zuordnung ist nicht so ganz einfach. Blues haben wir selbstredend dabei, irgendwo auf dieser Platte gibt es den immer. Aber es gibt auch andere Reminiszenzen an Zeiten, die ihn schon früh beeinflusst haben, oder in denen er selbst intensivst tätig gewesen ist, auch gleich noch ein paar andere Kostproben. Direkt der gleichnamige Opener zu "Still On The Road To Freedom" ist so dermaßen sechziger Jahre-like, dass einem die LSD-Trips geradezu frei Haus mitgeliefert werden. Gleich danach geht es ein wenig funkig-bluesig zu, "Listen To Your Radio Station" bringt zudem ein paar feine Percussion-Anteile rüber. Bei "Midnight Creeper" wird es Hammond-unterlegt sehr eingängig, während "Save My Stuff" ganz toll von einer Harmonica geprägt aus den Speakern boogiet (gibt es das Wort?).
Bei "I'm A Lucky Man" werden dann kräftig die Hüften à la Elvis the Pelvis geschwungen. Flotter Kontrabass gepaart mit Rockabilly-Gitarre, Lee hat es einfach immer noch drauf. War der Hexer zwar mal als schnellster Mann der Welt auf sechs Saiten bekannt, sein orgiastisches Gitarrenspiel auf der halbakustischen Gibson ES-335 zu "I'm Goin' Home" beim Auftritt in Woodstock dürfte jedem Leser bekannt sein, so lässt er hier nicht nur die Saiten glühen. "Walk On, Walk Tall" entführt uns in den langsamen akustischen Bereich, leicht unterlegt von einem Orgelteppich. Auch "Song Of The Red Rock Mountain" ist verhalten im Tempo, dieses Mal sogar rein instrumental. Etwas flotter geht es danach mit einem fast zeitlosen Ausflug in den Country-/Americana-Bereich zu. Rock'n'Roll müsste man zu "Back In 69" eigentlich sagen, wäre da nicht ab und zu eine funkige Gitarre zu hören. Auch "Down Line Rock" kommt ebenfalls in diesem Stil-(Mix) daher, mit eindrücklichem Orgelsound versetzt.
Der Rausschmeißer "Love Like A Man 2" darf dann im Grunde nur losgelöst von der Urvariante gesehen, bzw. gehört werden. Man hat ja doch gern ganz bestimmte Vorstellungen davon, wie sich ein Titel anhören 'muss', meist angelehnt an die erste jemals gehörte Version, und unsere Nummer 2 hier ist nun mal anders – eine 'freie' Fortsetzung? Und vielleicht ist es gerade das, was die Straße der Freiheit ausmacht, nämlich Dinge so miteinander zu kombinieren oder Varianten einzuspielen, wie es einem beliebt. Persönlicher Gusto spielt dabei eine gewaltige Rolle und so kann auch ich nur feststellen, dass "Still On The Road To Freedom" für MICH eben auch ein paar dieser Stolpersteine (so auch "Rock You") enthält, die man auf dem Schotterweg des Coverbildes sehen kann. Wer sich aber z. B. auf "Love Like A Man 2" einlässt, dem werden sich toll gespielte Passagen eröffnen. Diese lassen das Stück zu einer gelungenen Fortsetzung des ersten Teils werden, wohingegen jeder Käufer für sich die schwächeren Tracks herausfinden sollte, ein intensives Reinhören lohnt sich allemal.
Line-up:
Alvin Lee (guitars, harmonica, bass, keyboards, drums, vocals)
Richard Newman, Trevor Morais, Ian Wallace (drums)
Pete Pritchard (bass, double bass)
Tim Hinkley, Alexander Wolfe (keyboards)
Alvar Brune (backings)
Tracklist
01:Still On The Road To Freedom
02:Listen To Your Radio Statio
03:Midnight Creeper
04:Save My Stuff
05:I'm A Lucky Man
06:Walk On, Walk Tall
07:Blues Got Me So Bad
08:Song Of The Red Rock Mountain
09:Nice & Easy
10:Back In 69
11:Down Line Rock
12:Rock You
13:Love Like A Man 2
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