Wenn ein Rezensent gesteigerte Erwartungen hat, dann geht das meist schief.
Irgendwann zur letzten Jahrtausendwende tauchte ein britischer Guitarslinger-Jungspund in der schubladisierten und wenig hippen Bluesrockszenerie auf und das Medienwirksamste, sofern in diesem Bereich überhaupt von Wirksamkeit gesprochen werden darf, war bei einem Song die Zusammenarbeit mit einem gewissen Walter Trout. Nähere Informationen hierzu sind bitte den einschlägigen Sparten-Spezialisten in der vielfältigen Medienlandschaft zu entnehmen.
Bereits ein Jahr später haute dieser junge Mann mit "Everything I Need" ein wahres Brit-Bluesrock-Manifest der Neuzeit raus und hob sich damit wohltuend von den unzähligen amerikanischen Nachwuchsbluesrockwunderkindern ab, die sich alle gegenseitig an die Wand spielen wollen und ganz nebenbei latent den Contest 'Wer gibt die spektakulärste Kreuzung aus Jimi Hendrix und Stevie Ray Vaughan ab' ausfechten.
Es folgte ein akustisches Blues-Live-Album ("Supakev n Pilchards", 2002) in Reinkultur, welches den guten Ruf des Gitarreros als große Bluesnachwuchshoffnung nachhaltig manifestierte.
Aber dann schob der hoffnungsvolle Künstler mit "All Or Nothing" (ebenfalls 2002) ein Werk nach, das sich keinesfalls dem Bluespuristen anbiederte, sondern eher rockige Akzente setzte, immer melodiös und eingängig, aber mit Schmiss, Druck und einer gewissen Leichtigkeit des Seins. Hinzu kamen die eher ruhigen Momente des Lebens, wunderschöne Slowsongs fürs kitschfreie Candlelight-Dinner. Jederzeit standen die vorzüglichen Saitenkünste des Protagonisten im Fokus, häufig zwischen zerrend und jubilierend chargierend, ohne sich dabei je effekthascherisch in den Vordergrund zu spielen, also im Zweifel immer für den Song.
Genau diese Attribute baut der immer noch jungenhaft wirkende Aynsley Lister (siehe Front- und Backcover) nun mit seinem nach einer Rockpalast-Live-Scheibe (2004) und dem Blues Caravan 2006-Projekt neuesten Studiooutput "Upside Down" aus und macht so einen gewaltigen Sprung nach vorn.
Des Rezensenten Vorfreude kippt in den Bereich der Begeisterung, alle etwaigen Enttäuschungsbedenken sind wie weggeblasen und der Silberling mutiert umgehend zum hartnäckigen Playerverstopfer.
Allerdings wird das Werk nicht nur Freunde finden und Aynsley Lister vermutlich weiterhin die werte Gemeinde der Enthusiasten guter Musik spalten.
Die (puristische) Bluesfraktion dürfte einigermaßen verprellt sein, und wer auf harten (Blues)Rock schwört, ist hier auf der falschen Veranstaltung. Denn bei aller Power, die Songs wie der veritable Einsteiger "Find My Way Home", das fetzige, kurze und knackige Titelstück oder das im modernisierten 'Goin' Down'-Style daherkommende "Falling Down" mit ZZ Top-Reminiszenzen versprühen, wird's an keiner Stelle heavy oder knüppelig. Nein, viel eher durchzieht das ganze Album ein latenter MOR-Touch, genauso wie häufig Texas-Rock-Anleihen zu vernehmen sind. Es ist mithin in gewisser Weise amerikanisiert und somit prädestiniert für alle Radiostationen der Welt, die handgemachte Rockmusik spielen. Damit fällt unser Ländle mit dem Bundesadler leider aus. Des weiteren dürfte Mister Lister damit das potentielle Zielpublikum seiner Plattenfirma (RUF Records) verfehlen und selbige wiederum Schwierigkeiten haben, dieses im Grunde massenkompatible Produkt zielführend omnipräsent zu vermarkten.
Schade eigentlich, denn Emotionsbrecher wie "Always Tomorrow" mit einem der besten Soli, das Eric Clapton nie spielte, oder der ultimative Live-Knaller "In The Morning" mit fetzender Slide und klasse Mitgröhlrefrain inklusive weiblicher Backgroundverstärkung, wovon beispielsweise ein irgendwo zum Vergleich herangezogener Steve Schuffert sein ganzes Leben lang nur träumen wird, hätten wahrlich mehr verdient, als in einer Schublade zu versauern, die noch nicht mal richtig passt.
Zur weiteren Abwechslung gibt es auch noch zwei, nur mit Akustikgitarre begleitete, Songs, wobei besonders "Rain" durch exquisites Gezupfe glänzt.
Und nicht zuletzt beweist nicht nur der U2-Einfluss beim potentiellen Radiokracher (in einer besseren Welt) "Wherever I Am" mit catchy Melodie und anmachenden Bassparts, dass Aynsley Lister im Hier und Jetzt musiziert.
Der Mann hat einfach den Groove (mit dem Turbogroover "With Me Tonight" als pari inter pares) und haut derart lässig Riffs, Läufe und Licks raus, die immer akzentuiert auf den Punkt kommen, dass ihm unumwunden die allererste Liga zu attestieren ist.
Dies umso mehr, als dass er auch erstmals allein für die Produktion verantwortlich zeichnet, die erfreulich trocken, dynamisch und durchzeichnend ausgefallen ist und bei aller Fülle der Aufnahmespuren nie überfrachtet oder glattgebügelt wirkt. Bei dieser Eingängigkeit des Albums eine reife Leistung!
Alles in allem eine sehr sympathische, hochtalentierte und erfreuliche Figur im Haifischbecken Rockmusikbizz, dieser Mister Lister, dem deutlich mehr Bekanntheitsgrad zu wünschen wäre.
An uns soll es nicht liegen, denn: Nimm Dir Zeit für gute Musik!
"Upside Down" ist diesbezüglich ein Pflichtkauf!
Line-up:
Aynsley Lister (vocals/guitars/percussion)
Jo Nichols (bass)
Alex Thomas (drums)
Sue Quin (backing vocals)
Paul Speed (percussion)
Tracklist |
01:Find My Way Home
02:Getaway
03:Always Tomorrow
04:Ice I'm Upon
05:Beautiful (Keiana's Song)
06:Wherever I Am
07:With Me Tonight
08:Rain
09:In The Morning
10:Upside Down
11:Disorderly Me
12:Falling Down
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