Mein Kollege Joe hatte das Glück, den Vorgänger In Tenebris zu besprechen und das war es dann auch - mit seinem Glück. Das Nachfolgealbum kam nämlich nicht im Kleinformat, sondern als ausgewachsene Langspielplatte. Nicht nur das: Die ersten 500 Exemplare sind limitiert, nummeriert und die Rillen farblich dem weinroten Cover nachempfunden. Eine Augenweide. Das Covermotiv lässt den Gedanken viel Spielraum bzw. freien Lauf, wenn man der Musik folgt. Kein Geringerer als Helmut Wenske zeichnet für das Cover verantwortlich. Seine Motive zieren einige unserer Artikel und in meinem Review zu Paintings From Inner Space von Fantasyy Factoryy schrieb ich damals: »Wenskes Gemälde sind nicht von der Art Bilder, die man anschaut und das war es dann. Man kann darin versinken, entdeckt immer wieder Neues und driftet beim Betrachten ab.«. Genau so ist das - künstlerisch sehr hoch anzusiedeln, weil aus Musik und Coverbild ein Gesamtkunstwerk entsteht. Nach Labelpech beim Erstling, ist Le Mur nun dort gelandet, wo man mit dieser Art Musik umgehen kann und sie zu schätzen weiß: Bei Tribal Stomp (Sireena) und somit bei Tom Redecker.
Tja, Joe, wegen mir musst du dir keinen Plattenspieler kaufen, denn solche Musik nehme ich äußerst gerne ab. Ich weiß nicht, wie viele unsere Leser noch (oder wieder) über diese analoge Schätzchen verfügen, aber jeder der sie nutzt wird zugeben, dass das eine völlig andere Welt ist. Eine Welt, die der passenden Musik eine ganz eigene Aura verpasst. Und wenn wir schon bei Aura sind, so stelle ich freudig fest, dass eine ganz spezielle bereits bei den ersten Abspielklängen freigesetzt wird. Da klingen die Gitarrenakkorde wie weiland bei Quicksilver Messenger Service, um dann abzudriften in die Richtung einer Spielweise à la Red Hill. Red Hill sind aus dem Hunsrück, Le Mur aus dem Ruhrgebiet und wenn ich an weiteren Output deutscher Bands alleine aus den letzten beiden Jahren denke, dann ist mir um das musikalische Deutschland nicht bange.
Die Schublade ist zwar mit Psychedelic beschriftet, was grob stimmt. Aber Le Mur darauf zu reduzieren, wäre äußerst geizig argumentiert. Es stecken viele große Momente dieses Genres drin, besonders wenn die fette Orgel wahre Wellen brillanter, warmer Klänge aus den Boxen wabern lässt. Es sind aber auch unbedingt Indiezutaten auszumachen, dazu mehr oder weniger latente Jazz-, Elektronik-, Kraut-, Rock-, Tribal- und Proganteile. Hammerstark kräht das Saxofon wahre Orgien auf die Ohren und man sucht immer wieder vergebens nach einem Anker zum Festhalten in diesem wogenden Meer aus musikalischen Gefühlen.
Es fasziniert mich stets, wenn sich relativ junge Musiker entscheiden, dieser Art Musik zu frönen, denn damit dürfte leider keine Altersvorsorge zusammengerockt werden. Wirklich gute Musik hatte aber in den seltensten Fällen diesen Ansporn. Viel mehr war, ist und sollte der Fokus auf dem liegen, was man mag. Der, dem Foto nach, junge Dreier hat sich gut entschieden. Seine Musik ist instrumental perfekt dargeboten und man merkt jeder Note an, dass sie genau dort ist, wo man sie haben will. Punktgenau grollt der Bass und taktet das Schlagzeug. Die geile Orgel, das Saxofon und die Gitarre wissen ihre Parts zu spielen. Die Stimme wünsche ich mir gerade auf Seite zwei bei den etwas 'wilderen' Exkursionen etwas gereifter. Aber das ist persönliches Gusto und schmälert die Qualität des Gehörten überhaupt nicht.
Ich glaube, von Le Mur werden wir noch hören - mein Plattenspieler steht bereit ...
Line-up:
Matthias Gräf (vocals, guitar, saxophone, organ, sound effects)
Janine Ficklscherer (bass, sound effects)
Georgios Dosis (drums, percussion)
Tracklist |
Seite 1:
01:O.m.e.n. – A Decision Of Despair
02:Technical Progress And Other Suicide Stuff
03:Ghost Track II
04:Die Nacht Der Lemuren (Teil II)
Seite 2:
01:Sun
02:Silentia Nova
03:O.m.e.n. – Creation Of A New Silence
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Externe Links:
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