Liveware / Unity
Unity Spielzeit: 33:56
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2015
Stil: Melodic Rock

Review vom 08.09.2015


Boris Theobald
Surprise, surprise!
Gut zwei Jahre nach ihrem starken Album A Look Inside The Mirror legen Liveware nach. "Unity" ist zwar 'nur' eine EP, die in ebendieser Kurzform aber Sinn gibt, weil sie ein paar Weichen stellt. Denn "Unity" ist nicht nur ein zwischenzeitliches kleines 'Hallo' aus dem Aufnahmestudio, sondern vor allem auch ein großes 'Damit-hättet-ihr-nicht-gerechnet!' an all jene, welche geglaubt haben, den Sechserpack aus Oer-Erkenschwick zu kennen. Hatten wir die Band anno 2013 noch bei den Prog Metal-Bands abgeheftet, haben wir es inzwischen klar mit einer Melodic Rock-Kapelle zu tun.
Wobei ... ganz so klar war und ist der Fall dann doch nicht. Schon auf "A Look Inside The Mirror" hatten Liveware auffällig (und auffallend gut) eingängige Melodic Rock-Elemente mit ihren vertrackten Strukturen verwoben. Und nun haben wir es auf "Unity" mit melodiösen Hard Rockern zu tun, wobei einmal die Sechs- und einmal die Sieben-Minuten-Marke gesprengt wird; "Far From Heaven" geht am Schluss sogar voll auf die Elf. Schon die Strukturen deuten also darauf hin, dass man nach wie vor auf Komplexes steht. Aber die Stimmung, die ist definitiv eine andere. Aus überwiegend ernst wird ausgesprochen positiv. Das sieht man beim Vergleich der Plattencover, und das hört man binnen Sekunden.
"Through My Eyes" startet nicht, "Through My Eyes" zündet! Ein hochtouriger Drive mit allen Händen in der Luft, ein kugelrundes Rock-Riff mit allen Köpfen am Wackeln, und ein Sänger, schon mal mit »Big bang of wrecking thunder, it's getting heavy tonight!« loslegt. Dieser Sänger ist neu, aber nicht ganz: Niko Koslowski hat David Loga ersetzt, war allerdings früher schon mal kurz Bestandteil der Band. Nun fand man wieder zusammen, diesmal wohl für länger, freut sich arg - und daher auch der Titel "Unity". Und das Mikro-Fazit: Beide Sänger sind richtig gut; aber David war ein klasse Mann für die ernstere Prog-Stimmung, während Niko der geborene Anwärter auf Hard Rock-Pokale ist. Auch in den Lyrics geht es jetzt um Männchen und Weibchen; da passt schon alles zusammen ...
... und wäre so weit unspektakulär, wenn da nicht diese Besonderheiten der Marke Liveware wären. Mit vielen Details zeigen die Jungs ihren hohen technischen Anspruch, egal wie eingängig ihre Musik nun auch ist. Mit welcher Tightness die Truppe Tempo macht und selbiges auch mal mit klitzekleinen Breaks rausnimmt, ist bemerkenswert. Und auch die Abwechslung zeigt, dass da Leute nicht nur Spaß, sondern auch was drauf haben. Kaum eine Strophe oder ein Chorus werden von der mit Saiten und Fellen spielenden Abteilung komplett gleich aufgezogen. Auch Keyboarder Lukas Martinetz spielt nicht nur, sondern gestaltet auch mit. Und nicht zuletzt ist auch das anderthalbminütige Instrumentalbreak mit seinen diversen 'Zündstufen' und leidenschaftlichem Vibe ja keine Selbstverständlichkeit in diesem Genre.
"All I Need" nimmt ein kleines bisschen Geschwindigkeit raus. Zwar eher in erhöhtem Mid-Tempo und mit mehr atmosphärischen Momenten geht es im Grunde genommen aber ganz ähnlich weiter: Stimmung, Leidenschaft und handwerkliches Geschick der Band machen gleich dreifach glücklich. Die Sologitarre 'singt' schon im Intro, bevor überhaupt der Gesang loslegt, während schon die Rhythmusgitarre weit mehr anstellt, als nur die Gangart vorzugeben, sondern mit flinken Spielereien überzeugt. "Live Again" ist dann eine herzschmelzende Powerballade mit Schmachtstreichern und genialen Melodiespitzen im Refrain. Das mag nix Weltbewegendes sein. Aber eine Ballade zu schreiben, die nicht 08/15 ist, sondern 100 Prozent berührt, das muss man schon können. Diese Nummer erinnert gar an die Damn Yankees oder Bad English - freilich ohne Innovationspreis, aber mit Gänsehautgarantie. Mit der knackigen Nummer "A Touch To The Quick" erhöht man dann wieder Puls und Tempo. In frühen Hochzeiten von Bands wie Winger und Bon Jovi hätte man da weit oben mitspielen können.
Zum Abschluss leben Liveware mit dem beinahe elf Minuten langen "Far From Heaven" nochmal ihre Lust auf größere Brocken und proggige Strukturen aus. Rund fünfzig Prozent dieses Teils ist melodischer Hard Rock mit getragenem Chorus; und ca. die Hälfte besteht aus Spiel & Spannung aus rein instrumentaler Ebene, einschließlich neoklassischer Keyboard- und Gitarreneinlagen. Trotz der Komplexität geht auch hier alles runter wie Butter. Dem Opener "Through My Eyes" lassen sich sogar ärgste Ohrwurmqualitäten bescheinigen. Diese Band dürfte live ganz schön was zum Köcheln bringen und dabei auch noch Technikfeinschmecker verköstigen. Den (teilweisen) Stilwechsel zu bewerten, steht wohl kaum einem zu, außer der Band selbst. Und musikalische Anknüpfungspunkte, um 'älteren' Stoff in die Setlist zu integrieren, gibt es ohnehin ausreichend. Fest steht: Was sie machen, machen sie gut. Deshalb gibt es für Livewares High-Quality-Melodic Rock:
Applaus, Applaus!
Line-up:
Niko Koslowski (vocals)
Christoph Martinetz (guitars)
Andy Kohaupt (guitars)
Max Kettler (bass)
Matthias Martinetz (drums)
Lukas Martinetz (keyboards, piano)
Tracklist
01:Through My Eyes (7:04)
02:All I Need (6:20)
03:Live Again (4:43)
04:A Touch To The Quick (4:56)
05:Far From Heaven (10:51)
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