Schrecksekunde. Es fiept giftig aus den Lautsprechern. Der Player, der Amp oder nur die CD im Arsch? Nix davon, experimentelle Musik aus Paris! Die Sinustöne werden zum leiernden Geigenwimmern, dann schnell das erlösende Gitarrenriff und ab geht der Trip…
Aktuelle Rockmusik aus Frankreich ist vielleicht gar nicht so unbekannt bei uns, aber derart Psychedelisch-Poprockig-Schräges sicher nur Insidern geläufig. Das hat was. Aber was ist das für ein seltsames Gebräu, das man nie aus dem Gourmet-Land zwischen Atlantik und Mittelmeer vermuten würde?
Dabei ist Los Chicros ein Quintett, das nur herkömmliche Instrumente verwendet, wobei ein alter Korg MS-10-Synthie noch das 'progressivste' ist. Dazu kommen noch je eine vierköpfige Streicher- und Bläserverstärkung (auf einigen Stücken). Aber die Band türmt in bester Spätsechziger/Frühsiebziger Jahre-Manier die Sounds aufeinander, abgedrehten Beatles-, Beach Boys- und Love-Collagen aus deren experimentellen Phasen nahverwandt. Dazu klasse Vokalharmonien, die ebenso aus jener Zeit von der Beat-Insel oder aus dem psychedelisch angeturnten Kalifornien stammen könnten. Es knistert und zirpt, brummt und rumpelt an allen Ecken und Enden, dann sägen mal wieder die Gitarren, die Stimmen verlieren sich im spacigen Studiohall und überschlagen sich, wilde Rhythmusattacken werden von sanften Chören abgelöst, die sich in Wah Wah-Gejaule und "Telstar"-Georgel aufschaukeln. Würden da nicht öfters auch mal Indie-Wellen mit hereinschwappen, könnte es sich um eine geniale Co-Produktion von George Martin, Brian Wilson und Phil Spector handeln, die sich gegenseitig ihre besten Studiotricks vorführen. Aber der Mastermind des Ganzen heißt Yann Arnaud und der hat hier wahrlich ein Meisterwerk vollbracht!
Die Stücke stammen von den beiden Los Chicros-Köpfen Philippe Monthaye und Mathieu Warsky, die auch die Leadvocals beisteuern. Sie und ihre Kollegen haben ein Konzept-Album eingespielt, das eine Runde nach der anderen auf der Anlage absolviert und den Rezensenten mit hochroten Ohren vor seinen Lautsprechern sitzen lässt. Der Titel scheint etwas mit der Whiskey-Vorliebe der Songwriter zu tun zu haben und deren wohl nicht unproblematische Auswirkungen spiegeln sich auch in den abgedruckten, recht witzigen Texten wider.
"Sour Sick Soul" hat die unverbrauchte Leichtigkeit und Experimentierfreudigkeit jener Zeit, ist aber mit dem Können, der Raffinesse und dem technischen Know How von heute gemacht. Ein perfekter Magic Bus-Trip in time zu seligen Aussteiger-Gestaden mit Flower Power-Träumen. Und dass der final track dann noch stimmungsmäßig von leichter Melancholie in tobenden Wahnsinn umkippt, macht den flashback perfekt - those were the days and this is the end, my friend …
Los Chicros scheinen auch in der Kunstszene genreübergreifend mitzumischen. Cover und das auffaltbare Booklet zeigt Fotos einer Installation ("Minus") des schweizer Künstlers Christoph Büchel. Der hatte die Band im Februar 2005 im Pariser Centre Georges Pompidou in einem Kühlraum vor Fans auftreten lassen und danach Equipment, Getränkekisten und die 'Atmosphäre' des Konzerts eingefroren. Glücklicherweise kamen die Fünf noch heraus und konnten wenig später mit der Produktion ihres Debüt-Albums "Sour Sick Soul" beginnen …
Sollte noch eine Freak-Band für das Burg Herzberg-Festival 2008 fehlen - hier ist sie: Los Chicros aus Paris!
Line-up:
Arnauld Cambraye (drums)
Victor Le Masne (piano, organ, calvinet, MS-10, percussion)
Olivier Marguerit aka Dirty Holy (guitars, bass, vocals, flute, trumpet)
Philippe Monthaye & Mathieu Warsky (vocals, guitars, bass, keyboards, melodica, xylophone, mandolin)
Tracklist |
01:Disko Noise
02:Like The Sun
03:Walking Backwards
04 King Creole
05:Clouds
06:Anna
07:My Life is Not Worth It
08:Open Bar
09:Our Love Your Lies
10:What I've Done
11:Back In The Wild
|
|
Externe Links:
|