Das prächtige Artwork schindet Eindruck; der Name darauf schillert verheißungsvoll: Lucid Dreaming ... es ist das ambitionierte Projekt von Elvenpath-Gitarrist Till Oberboßel. Für das auf mehrere Teile angelegte Lucid Dreaming hat dieser sich befreundete Musiker zusammengesammelt. Bandkollege Oliver Rossow sowie Michael Petrick ( Synchronic) machen Gitarrensoli, Philipp Koch ( Synchronic, Opalessence) schlägt das Schlagzeug. Für besonderen klanglichen Glanz sollen eine Reihe von Gastsängern sorgen, darunter Leute wie Leo Stivala ( Forsaken), Eve Kreuzer ( Illusoria), Jutta Weinhold ( Zed Yago), Alexx Stahl ( Roxxcalibur), Jason Conde-Houston ( Skelator und Thassilo Herbert ( Dragonsfire). Das musikalische Ergebnis müssen wir aber kritisch unter die Akustiklupe nehmen ...
Lucid Dreaming klingen erstmal ungefähr so, wie sich die Liste der Gastmusiker liest: nach Underground. Dessen muss sich jeder bewusst sein, der auf der Suche nach neuen 'Metal-Opern' die Veröffentlichungslisten durchkreuzt. Opernhaft ist "The Chronicles Pt. I" durchaus angelegt, hat Till Oberboßel sich doch immerhin als literarische Vorlage "Die Chroniken von Prydain" des US-Autors Lloyd Alexander zur Vertonung vorgenommen - aus Fantasy für Kinder mach Metal für Erwachsene. Dabei klingt die Chose aber wesentlich weniger poliert und perfekt durchproduziert als bei Kollegen der Marke Avantasia. Dafür sorgt auch die Tatsache, dass - absolut bewusst - fast komplett auf Keyboards verzichtet wurde.
Stattdessen pflegt man eine rohmetallische Kante und lässt sehr ursprünglichen Metal vom Stapel. Einflüsse wie Iron Maiden und Blind Guardian sind nicht weit her geholt. Die Stilrichtung ist also schnell klar - aber wo bleiben die guten Ideen? Je weniger 'innovativ' die Mucke ist, (was überhaupt nicht unsere Messlatte sein muss, denn:) desto mehr muss die Kreativabteilung etwas zu melden haben. Das hat sie auf diesem Album viel zu oft leider nicht. Ausgerechnet die Refrains sind zum Teil recht eindimensional - zwar wuchtig und mehrstimmig angelegt, dann aber eher öde umgesetzt. Immer wieder kommt es vor, dass über lange Strecken einfach ein Akkord pro Takt gezupft wird, und sonst passiert nix.
Das wäre okay, wenn dazu ertönenden Gesangsmelodien Aufmerksamkeit erzeugen können. Leider bleiben diese aber extrem flach. Immer wieder hören wir Vocal Lines, die sich quasi 'von selbst' zu den Akkorden hinzu komponieren - die erwartbarsten Lösungen sind die, die gewählt wurden. Keine Überraschungen, keine 'Aha!'-Nummern, die sich auch nur entfernt für einen längeren Aufenthalt im Oberstübchen bewerben würden. So krankt schon der an sich hymnisch-dynamische, flott galoppierende Opener "Motherless Child" an der Abwesenheit Ohrwurm-verdächtiger Elemente. Und sogar eine Nummer wie "To Caer Dathyl" mit ihrer Evolution von schleppendem Mid Tempo über verträumten Mittelpart hin zum speedigen Finale macht sich seine epischen Pluspunkte durch den Langweiler-Refrain wieder kaputt.
Dennoch hat "The Chronicles Pt. I" auch seine besseren Momente. "The Quest For The White Pig" macht schön Dampf; ebenso "Where Evil Rides". Letztere Nummer ist auch ein bisschen durchgeknallt und erinnert kurzzeitig an olle Helloween. Sie wäre der Höhepunkt des Albums, wenn es nicht ein paar dramaturgische Defizite gäbe: Sieben Minuten durchgängig dasselbe Energielevel - das hat zwar viel Wumms, aber man vertut sich auch die Chance, Höhepunkte zu kreieren. "Land Of Darkness" kommt ganz gut - es ist der theatralischste Song. Hier werden ein paar der sehr, sehr verschiedenen elf stimmlichen Einzelkönner auf dem Album (von böse shoutend bis true-metallisch screamend) einander gegenüber gestellt.
Auch der Mid Tempo-Schlepper "The Price" lebt vom Stimmlichen, im Speziellen von seinem weiblichen Pathos-Powerpaket - hat was von HolyHell. Auch "Swords For Prydain" kommt recht anmutvoll daher. Hier werden die mehrstimmigen Möglichkeiten ordentlich ausgenutzt; und die weiblichen Vocals sind im Mix ganz oben. Das klingt gut, während sie Vielstimmigkeit auf dem Album ansonsten oft eher diffus daherkommt. Ein heroisches Orgel-Atmo-Break in "The Quest For The White Pig" und ein nachdenklicher Gesangspart mit Bass-Background in "To Caer Dathyl" haben was von Manowar - von den 'guten, alten Manowar'.
Da wird nebenbei noch mal deutlich: Ja, Lucid Dreaming haben natürlich auch was mit Klischee zu tun. Das allerdings muss ja gar nix Negatives sein. Da kann Großes bei rumkommen, mit entsprechendem Pep und Pfiffigkeit - siehe Kerion; die haben mit Cloud Rider Part 1 ein Hammerteil rausgehauen. Doch die starken Momente blitzen bei Lucid Dreaming einfach zu selten durch - es fehlen brillante Ideen. Hut ab für den Mut zur Keyboardlosigkeit - dennoch: Da muss beim zweiten Teil schon was kommen, damit man nicht tief in der Mittelmäßigkeit versunken bleibt.
Line-up:
Till Oberboßel (guitars, bass & more)
Philipp Koch (drums)
Michael Petrick (guitar soli)
Oliver Rossow (guitar soli)
Jutta Weinhold (vocals)
Alexx Stahl (vocals)
Leo Stivala (vocals)
Thassilo Herbert (vocals)
Jordan Cutajar (vocals)
Jvo Julmy (vocals)
Dragutin Kremenovic (vocals)
Chris Marino (vocals)
Ruth Knepel (vocals)
Eve Kreuzer (vocals)
Jason Conde-Houston (vocals)
Tracklist |
01:Introduction (1:01)
02:Motherless Child (7:38)
03:The Quest For The White Pig (6:44)
04:Side By Side (7:25)
05:To Caer Dathyl (11:34)
06:Swords For Prydain (8:04)
07:Land Of Darkness (6:10)
08:Where Evil Rides (7:01)
09:The Price (7:53)
10:No Turning Back (6:40)
11:Farewell (6:03)
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