Udo Lindenberg
Ich mach mein Ding - die Show (Special Edition)
Ich mach mein Ding - die Show Spielzeit: 68:43 (CD 1), 73:18 (CD 2), 56:12 (Bonus-CD)
Medium: 3-CD-Box Special Edition
Label: Starwatch/Warner Music, 2013
Stil: Deutschrock

Review vom 10.10.2013


Steve Braun
Vor eineinhalb Jahren rieb sich mancher Fan der ersten Stunde verwundert die Augen: Die (grandiose) Ich mach mein Ding-Tour wurde von dem Druckereierzeugnis das sich 'Tageszeitung' nennt - das mit den vier dicken Buchstaben - quasi hautnah verfolgt. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass unsere geliebte Hamburger Nuschelschnute den auf Sensationen getrimmten Reportern täglich Privataudienzen aus allen Lebensperspektiven gegeben hatte. Die BILD und Udo Lindenberg... war da nicht mal was??? Nicht wenige stellten sich damals entgeistert die Frage:
Udo, hast Du diesen Kommerz denn wirklich nötig?
Seitdem könnte man fast glauben und so mancher tut das sicher, dass diese - zugegebenermaßen - einzigartige, überwältigende Tour ebenfalls gnadenlos vermarktet wird. Und wieder könnte man sich diese ketzerische Frage stellen... aber lassen wir unseren Udo doch mal selbst zu Wort kommen:
»...und dann geht das Telefon
Und die Presse wartet schon
Auf 'nen neuen Skandal
Oder irgend so 'n Kommerztheater
Sie verkaufen seinen Kopf und seine Gefühle
Täglich Stück für Stück
Doch was nützt ihm das Konto
Er fühlt sich allein
Und was er gibt, kriegt er nie zurück...«
Und während ich "Höllenfahrt" ("Dröhnland Symphonie", 1978) andächtig in der 2012er Live-Version aus Köln lausche, denke ich mir, so ganz spontan: Ey, altes »Rock'n'Roll-Raubtier«! Irgendwie ist das hier eine Veröffentlichung 'über den Durst', denn die beiden CDs von "Ich mach mein Ding - die Show" sind deckungsgleich mit denen, die bereits der Doppel-DVD/Blu-ray beigefügt waren. Doch die Bonus-CD mit dreizehn komplett remasterten Songs - eine lupenreine 'Greatest Hits'-Collection - reißt es irgendwie wieder raus. Deren Artwork (auch das des Pappschubers) ist geschmückt mit Zeichnungen des Meisters und dieses Boxset wird zu einem sehr fanfreundlichen Tiefpreis angeboten - da kann man erstmal nicht meckern! Es handelt sich quasi um den 'Soundtrack' zur vierstündigen Dokumentation "Ich mach mein Ding! 40 Jahre Udo Lindenberg", die - man beachte!! - bei VOX lief. Ein Kommerzsender, ausgerechnet - aaaaaaah!!!
Nun bin ich persönlich völlig unverdächtig, dem Idol meiner Jugendtage, Udo Lindenberg, irgendwohin pieseln zu wollen. Der Mann war schließlich einer der Gründe dafür, in den Siebzigern selbst Musik machen zu wollen, eben weil er damals bewiesen hatte, dass man es auch in Deutsch schaffen kann und natürlich, weil er eine derart coole Wildsau und ehrliche Haut war! Jetzt, in seinem dritten Frühling, ist er erfolgreich, wie nie zuvor. Und ich gönne es ihm von Herzen. Man darf sich deshalb sicher sein, dass Udo nach einer Ruhepause (die ihm gegönnt sein mag) wieder in seinen Köcher greifen und ein neues 'Ding' herausziehen wird.
Mit dieser Special Edition von "Ich mach mein Ding - die Show" kann man noch einmal [bzw. mal wieder - je nach Blickwinkel] ganz tief in Udo Lindenbergs Deutschlandtour von 2012 eintauchen. Erneut sind die Live-Takes aus Köln zu hören. Wobei RockTimes das Glück hatte, die Premiere in der Mannheimer SAP-Arena verfolgen zu dürfen, wo eben - sympathischerweise - noch nicht alles perfekt lief, das Lampenfieber grassierte. Mit Hannes Rossachers sehenswertem Roadmovie kann man nachvollziehen, warum das jetzt an dieser Stelle betont werden muss.
Natürlich hat der Zahn der Zeit an Lindenbergs Stimmbändern genagt, was umso deutlicher zum Tragen kommt, wenn - wie hier - die Bilder fehlen. Die gigantische Bühnenshow und die unglaubliche Präsenz des Meisters kaschieren hier viel. Wer nicht bei der (mit viel zu wenigen Terminen bemessenen!) Deutschlandtour dabei war, fährt definitiv mit der Doppel-DVD/Blu-ray besser. Die Glücklichen, die Konzertkarten ergattert hatten, werden bei dieser reinen Tonkonserve wissend in sich hinein grinsen und die musikalische Zeitreise durch die 42-jährige Karriere Udo Lindenbergs vor dem geistigen Auge noch einmal Revue passieren lassen...
Der Gesang ist ziemlich vordergründig, ebenso wie der reichlich satte 'Wumms' Bertram Engels. Das geht etwas zu Lasten der Gitarren, die für meinen Geschmack wesentlich stärker in den Vordergrund treten könnten, gerade bei 'Riffern' wie "Odyssee" oder "Sie brauchen keinen Führer". Ich höre halt einfach gerne Hannes Bauer beim 'Kleinholz machen' zu! Trotzdem ist der Gesamtsound transparent und kommt ziemlich druckvoll rüber.
Die Bonus-CD gibt einen Teil der Songs, die zum großen TV-Special im Hintergrund liefen, in überarbeiteter Form wieder. Der Sound ist derart glasklar, dass man meinen könnte, Lindenberg habe die Songs 2013 neu eingesungen. Die Auswahl, die chronologisch von der 1972er Tramperhymne "Daumen im Wind" bis zum resümierenden 2012er Spätwerk "Das Leben" angeordnet sind, kann man als gelungenen Querschnitt werten.
Bei "Meine erste Liebe" gibt es ein Wiederhören mit der jungen Ulla Meinecke, die zudem bei "Bis ans Ende der Welt" als Co-Autorin verantwortlich zeichnet. Sehr schön kann man auch beobachten, wie Lindenbergs Inspiration gegenüber den starken Siebzigern in der darauf folgenden Dekade etwas nachließ. Die ziemlich 'durchwachsenen' Neunziger hat man ausgespart - konnte man auch bedenkenlos. Dafür ist das tolle Stark wie zwei gleich dreimal vertreten. Höchstwahrscheinlich wäre man mit den beiden nicht berücksichtigten Alben "Votan Wahnwitz" ("Das kann man auch mal so sehn" vielleicht?) und "Galaxo Gang" ("Wenn ich 64 bin" hätte gut gepasst) besser gefahren... aber das sind Petitessen!
An Udo Lindenberg scheiden sich seit jeher die Geister - daran wird sich mit dieser Special Edition von "Ich mach mein Ding - die Show" sicher wenig bis nichts ändern. Man muss schon mit diesem (wie es der Meister selbst nennt) 'Fieber' infiziert sein. Die nette Aufmachung dieser Box überzeugt jedenfalls. Die 'Die Hard-Fraktion' und sich auch die Alles-Sammler werden begeistert sein. Allerdings soll es hierzulande auch Leute geben, die, mit Billiglöhnen und/oder Hartz IV abgespeist, auf jeden Cent achten müssen. Die dürften sich mit der Vierer-Box (2 DVDs, 2 CDs) erheblich besser bedient fühlen.
Line-up:
Udo Lindenberg (Panik-Gesang)
und das Panikorchester:

Steffi Stephan (Bass)
Jean-Jacques Kravetz (Piano, Hammond, Keyboards)
Bertram Engel (Schlagzeug)
Hannes Bauer (Gitarre)
Jörg Sander (Gitarre)
Hendrik Schaper (Keyboards)

Gäste:
Nathalie Dorra (Gesang)
Josephine Busch (Gesang)
Celina Bostic (Gesang)
Jan Delay (Gesang)
Clueso (Gesang, Akustikgitarre)
Stefan Raab (Schlagzeug)
Tracklist
CD 1:
01:Odyssee
02:Mein Ding
03:Boogie Woogie Mädchen
04:Ganz anders (fest. Jan Delay)
05:Cello (feat. Clueso)
06:Sie brauchen keinen Führer
07:Was hat die Zeit mit uns gemacht (feat. Natalie Dorra)
08:Ich lieb Dich überhaupt nicht mehr
09:Höllenfahrt
10:Das Leben
11:Leider nur ein Vakuum
12:Meine erste Liebe (feat. Celina Bostic)
13:0-Rhesus Negativ
14:Strassenfieber
Bonus-CD:
01:Daumen im Wind
02:Cello
03:Mädchen aus Ost-Berlin
04:Leider nur ein Vakuum
05:Meine erste Liebe
06:Bis ans Ende der Welt
07:Kugel im Colt
08:Ein Kommen und Gehen
09:Wenn du mein Kind wärst
10:Stark wie zwei
11:Nasses Gold
12:Das Leben
13:Der Astronaut muss weiter
CD 2:
01:Wozu sind Kriege da (feat. Kids on Stage)
02:Mädchen aus Ost-Berlin
03:Gegen die Strömung (feat. Josephine Busch)
04:Honky Tonky Show (feat. Kids on Stage)
05:Der Greis ist heiss
06:Stark wie zwei
07:Hinter'm Horizont geht's weiter (feat. Josephine Busch, Natalie Dorra)
08:Bis ans Ende der Welt
09:Johnny Controletti (feat. Stefan Raab)
10:Sonderzug nach Pankow (feat. Stefan Raab)
11:Alles klar auf der Andrea Doria
12:Candy Jane
13:Reeperbahn 2011 (feat. Jan Delay)
14:Goodbye Sailor
 
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