Udo Lindenberg / Ich mach mein Ding-Tour 2012
10.03.2012, Mannheim, SAP Arena
SAP Arena
Udo Lindenberg
Mannheim, SAP Arena
10. März 2012
Stil: Deutschrock
Fotos: Daniel Stahlschmidt


Artikel vom 14.03.2012


Steve Braun
Udo LindenbergAm 17. Mai kann eine deutsche Rocklegende »Mit 66 Jahren...« singen, wenn sie es sich nicht verkneifen kann: Der berühmteste Hut-Träger Deutschlands, 'Nuschelschnute' Udo Lindenberg, braucht allerdings nicht erst mit 66 durchzustarten. 41 Jahre nach seinem Aufsehen erregenden Debütalbum startete der Deutschrocker unter dem Motto "Ich mach mein Ding" am 10. März seine [Verf.: wievielte eigentlich?] Deutschlandtour in der 'Mannemer' SAP Arena... und RockTimes war bei der mit Gänsehautmomenten gespickten Show hautnah und gefühlsecht dabei!!
Dass ausgerechnet er dieses für einen waschechten Rock'n'Roller biblische Alter erreicht, damit hätte der Hauptakteur des Abends wohl am wenigsten gerechnet. Hier muss ich mal meine Huldigung an einen der Lieblinge meiner Jugendtage loswerden. Egal wie man zu Lindenberg steht, [Verf.: und das schwankt ähnlich wie bei Helge Schneider zwischen den Polen: 'abgöttisch lieben' und 'abgrundtief hassen'] - eines war der Bursche immer, egal was er gerade gemacht hat: authentisch. Udo hat tatsächlich immer 'sein Ding' gemacht - nicht immer geradlinig, aber immer glaubwürdig! An dieser Stelle mag mir eine persönliche Rückblende nachgesehen werden:
Udo LindenbergIch persönlich kam über "Ball Pompös", "Votan Wahnwitz" und "Galaxo Gang" zur Hamburger Schnodderschnauze. Leute, das war damals einzigartig in Deutschland! Irgendwelche progressiven Schöngeister sangen seinerzeit natürlich auch schon auf Deutsch, aber dass auch richtig dreckige Rock'n'Muttersprache geht, das bewies einzig und allein unser Udo. Der Maffay war für unsereins eben nicht authentisch - dem hefteten wir damals beständig den Schlagerfuzzi an die Backe. Wie ungerecht das war, sieht man wohl erst dann richtig deutlich, wenn die Haare lichter und die Scheuklappen durchsichtiger werden...
Danach wurden die Platten etwas schwächer, auch was die Chartplatzierungen betrifft, dafür die Tourneen immer gigantischer: die "Dröhnland"- und die "Heizer"-Tour. Vergiss die Stones [Verf.: ein Trauerspiel in diesen Zeiten!] - hieß es damals zurecht - wir haben Udo! Auch der Schwenk weg vom Panikorchester hin zur Neuen Deutschen Welle war nachvollziehbar, weil Lindenberg sich nie neuen Einflüssen verschlossen und vor allem stets junge Musiker gefördert hat. Für mich bedeutete diese 'Crossroad' zwar die Abkehr von der Musik Lindenbergs, denn NDW war definitiv nicht 'mein Ding', allerdings nicht ohne dessen Weg mit höchstem Respekt weiterzuverfolgen. Sein Engagement gegen Rechts, für die erste Popakademie Deutschlands oder Afrika - Udo blieb sich immer selbst treu, machte konsequent 'sein Ding'.
Und heute... erlebt der Mann mit seinen ersten Nummer-Eins-Alben überhaupt, Stark wie zwei und "MTV Unplugged - Live aus dem Hotel Atlantic", seinen x-ten Frühling. Ein von Kritik wie Publikum frenetisch gefeiertes Musical, trefflich Hinterm Horizont genannt, setzt auf die unglaubliche Erfolgsserie seiner späten Jahre nicht nur das i-Tüpfelchen sondern ein dickes, fettes Ausrufezeichen!
Udo LindenbergPremierenfieber in Mannheim! Wie nervös Udo gewesen sein muss, zeigte sich nicht nur in den unvermeidlichen kleinen Fehlerchen im Ablauf, sondern vor allem daran, dass der Meister sich nach der Show gar nicht mehr 'einbekam'... tausendmal bedankte er sich, wollte sich kaum vom Publikum trennen - wohl gemerkt: nach einer Show von fast drei Stunden!!!
Der Abend in Mannheim war eine der seltenen Sternstunden im Leben eines Musikfreundes - Gänsehautmomente im Minutentakt! Diese begannen mit dem Auftakt, bei dem der Meister mit einem riesigen Zeppelin einschwebte, gingen über zauberhafte Balladen und ein gigantisches Medley im ersten Zugabenblock weiter und endeten mit dem Abflug des Hauptdarstellers zum Abschluss eines schweißtreibenden Drei-Stunden-Konzertes; Akrobatik und Artistik natürlich inbegriffen - wenn Lindi auf Tour geht, wird die ganz große Trickkiste aufgemacht.
Zuletzt sah ich Lindenberg während der "Heizer"-Tour. Das ist jetzt fast 22 Jahre her, aber der Entertainer hat nichts, aber auch gar nichts von seiner Magie eingebüßt. Fünfzehntausend Zuschauer in der ausverkauften SAP Arena, dort wo ansonsten Eishockey und Handballbundesliga zuhause sind, waren von der Eröffnung durch das pompöse "Odyssee" bis zum melancholischen Finale mit "Goodbye Sailor" in seinem Bann gefangen. Lindenberg macht keine halben Sachen - "Ich mach mein Ding" ist selbstredend ein 'ganz großes Ding'.
Udo Lindenberg       Udo Lindenberg       Udo Lindenberg
Udo LindenbergIch will jetzt hier gar nicht erst den Versuch wagen, drei Stunden im Zeitraffer Revue passieren zu lassen. Es war ein Feuerwerk von Eindrücken, wie ihr den Bildern sicher entnehmen könnt: Lindenberg immer an der Bühnenkante oder auf dem Laufsteg zu finden, stets den Kontakt zu den Fans suchend und auch ein Bad in der Menge nicht scheuend - die beiden Gitarristen [Verf.: Hannes Bauer schätze ich seit seinen Tagen bei der Boogie-Band Bauer, Garn & Dyke über alle Maßen!] eine soundtragende Macht - Panik-Methusalem Steffi Stephan eine Bank - Jean-Jacques Kravetz ließ seine Goldfingerchen für meinen Geschmack etwas zu selten rocken und rollen - Bertram Engel hieb donnernd und treibend in die Felle wie in seinen besten Tagen. So weit - so bewährt...
Udo LindenbergBei den zahlreichen Gästen war ich dankbar, unseren jungen Fotografen Daniel Stahlschmidt an meiner Seite zu wissen! Jan Delay [Frage des Verf. an seine Begleitung: Was ist denn das für'n Kasper?] war mir Banause natürlich ebenso unbekannt wie der junge Liedermacher Clueso [Verf.: Ich kenne nur diesen Inspektor]. Auch bei Lindenbergs stimmgewaltigem »Marzipanmädchen« Nathalie Dorra und der Hauptdarstellerin des Musicals "Hinterm Horizont", Josephin Busch, kam die Nachhilfe nicht ungelegen. Hier sind wir wieder beim Thema 'Authentizität', denn Lindenberg hatte nie in seinem 'eigenen Saft gebraten' sondern sich stets um die Förderung junger, aufstrebender Talente verdient gemacht.
Bei so viel Glanz kann man locker über so manchem Stolperer in den Ansagen hinwegsehen. Bei "Wozu sind Kriege da" verstieg sich Uns' Udo in zwar durchaus berechtigte Tiraden gegen die Despoten in Nordafrika und dem Nahen Osten, allerdings ohne zu berücksichtigen, dass man solchen Menschenschlächtern eben manchmal - wenn auch widerwillig und notfalls kriegerisch - in die Parade fahren muss! Egal, ein Polit-Philosoph ist Lindenberg nie gewesen und solche leicht wirren Aussagen sind menschlich durchaus nachvollziehbar.
Udo LindenbergMusikalisch haben einem alten Hammel wie mir natürlich die ganz, ganz 'olle Kamelle' am besten gefallen. Tiefsinnig: "Leider nur ein Vakuum" - hämoglobinsenkend: "Null Rhesus Negativ" - panisch: "Andrea Doria" - ekstatisch: "Candy Jane" - da zuckte nicht nur die Hüfte wie in dreißig Jahre zurückliegenden Zeiten...
Kommen wir zum Fazit: "Ich mach mein Ding" musst du gesehen haben - Ausreden und Entschuldigungen können in diesem Fall nicht akzeptiert werden.Udo LindenbergUdo Lindenberg sieht zwar aus [Verf.: den Exzessen scheint's geschuldet] wie Ol' Knitterface, ist aber noch genauso frisch in Hochform wie der alte 'Steineklopper'. Herr der Himmel und Höllen: Schenke Udo Lindenberg das ewige Leben!!!
Dass dieser Bericht mit Bildern daherkommen kann, verdanken wir einer 30-€uro-DigiCam. Seine Profiausrüstung musste unser Daniel nämlich mangels Fotopasses leider zuhause lassen. Aber ein Foto mit zwei Sätzen drunter in hoch angesehenen Tageszeitungen wie dem Hinterwaldener Hahnenschrei oder der Mosbacher Morgenlatte sind natürlich wesentlich wichtiger, als ein Bericht mit Überlänge in einem Online-Fachblatt für Rock'n'Roll. Wenn das Udo wüsste...

Bilder vom Konzert
Udo Lindenberg          Udo Lindenberg          Udo Lindenberg
Udo Lindenberg       Udo Lindenberg       Udo Lindenberg
Udo Lindenberg          Udo Lindenberg          Udo Lindenberg
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Line-up:
Udo Lindenberg (Panik-Gesang)
und das Panikorchester:
Steffi Stephan (bass)
Jean-Jacques Kravetz (piano, Hammond, keyboards)
Bertram Engel (drums)
Hannes Bauer (guitar)
Jörg Sander (guitar)
Hendrik Schaper (keyboards)

Gäste:
Nathalie Dorra, Josephin Busch, Jan Delay, Clueso
und viele, viele mehr!
Setlist
 
01:Odyssee
02:Mein Ding
03:Boogie Woogie-Mädchen
04:Ganz anders
05:Cello
06:Sie brauchen keinen Führer
07:Was hat die Zeit mit uns gemacht
08:Ich lieb' dich überhaupt nicht mehr
09:Höllenfahrt
10:Das Leben
11:Leider nur ein Vakuum
12:Meine erste Liebe
13:Null Rhesus Negativ
14:Straßen-Fieber
15:Wozu sind Kriege da
16:Mädchen aus Ostberlin
17:Gegen die Strömung
18:HonkyTonky-Show
19:Der Greis ist heiß
20:Stark wie zwei
21:Hinterm Horizont
22:Bis ans Ende der Welt

Encore 1:
23:Sonderzug nach Pankow
24:Andrea Doria
25:Candy Jane

Encore 2:
26:Reeperbahn 2011
27:Goodbye Sailor
 
Udo Lindenberg
Externe Links: