Es ist schon eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Da veröffentlicht jemand eine hammergeile Scheibe nach der anderen und niemand bekommt es mit. Und was heute wahrscheinlich noch viel mehr gilt als damals, war natürlich auch bereits vor einigen Jahrzehnten der Fall. Harvey 'The Snake' Mandel ist wahrscheinlich am ehesten durch seine Mitgliedschaft bei Canned Heat bekannt. Das Woodstock Festival war erst sein dritter (andere Quellen sprechen vom ersten) Gig mit der Band und er blieb immerhin ein Jahr, bevor er sich für zwei weitere John Mayall's Bluesbreakers anschloss und nach wie vor seine Solokarriere weiterverfolgte.
Umso schöner, dass nun diese prachtvolle CD-Box mit ganzen sechs Scheiben des Musikers vorliegt.
Beginnen wir das Review mit dem Solodebüt "Cristo Redentor" aus dem Jahr 1968, auf dem Mandel seine ganz spezielle Handschrift schon sehr früh erkennen lässt. Ein Mix aus Blues, Rock, Funk sowie Jazz mit immer wieder mal eingebauten Bläsern bestimmten von Anfang an das musikalische Bild des Amerikaners. Und wenn man nicht gerade anderweitig abgelenkt ist, dann kann man so richtig schön tief in diesen warmen sowie die Seele balsamierenden Sound abtauchen, sich von ihm gefangen nehmen lassen und dem genialen Spiel des Protagonisten folgen.
Das im Folgejahr 1969 erschienene "Righteous" setzt diesen Stil dann eindrucksvoll fort. Bereits beim eröffnenden Titelsong, einem wunderschönen Slow Blues, ist man direkt wieder gepackt vom herrlich gefühlvollen und innovativen Stil des ursprünglich aus Detroit, Michigan stammenden Musikers. Bei der "Jive Samba" kommt dann der Jazz (und auch die Bläser) wieder zum Vorschein, wie immer alles eingetütet in klasse Melodien sowie in der gesangfreien Zone schwebend. Insgesamt war dieses Album aber doch deutlich mehr am Blues orientiert und sicher einer der Gründe, denen er seine Mitgliedschaft bei Canned Heat zu verdanken hatte. Nicht zu vergessen auch die toll in die Arrangements eingebundenen Streicher und mit "Boo-Eee-Doo" ein erster Song mit Gesang.
1970 erschien "Games Guitars Play", diesmal mit einer Ausnahme ("Ridin' High") nur aus Fremdkompositionen, dafür aber jede Menge mehr Gesang bestehend. Den hatte der Keyboarder Russell Dashiel übernommen und am Bass wurde Harvey Mandel von seinem Heat-Kumpel Larry 'The Mole' Taylor unterstützt. Sicherlich das bis dahin zugängigste Werk, wenn man auf den Gesang fixiert ist. Auch viele in Blues-und Rock-Kreisen bekanntere Nummern wie etwa "Leavin' Trunk", "I Don't Need No Doctor" oder "Games People Play" sind hier zu finden.
Bei dem 1971er "Baby Batter" war dann aber wieder Schluss mit Gesang. Und dennoch hat man das Gefühl, dass die Platten immer besser und besser wurden. Wobei 'besser' eigentlich das falsche Wort ist, denn richtig stark sind sie alle. Vielleicht sind Aspekte wie 'noch subtiler', 'noch akribischer' und 'noch exakter' wesentlich treffender. Dieser kochend heiße Fusion Sound aus Funk, Jazz, Blues und Rock, der uns aus so vielen amerikanischen Filmen der damaligen Zeit bekannt ist, wird hier geradezu zur Perfektion geführt. Aber Harvey Mandels mit Abstand bekanntestes Soloalbum sollte ja erst noch kommen.
"The Snake" wurde es getauft und erschien im Jahr 1972. Gerade mal dreißig Minuten lang, sorgte die Scheibe vor mehr als vier Jahrzehnten dennoch für gehöriges Aufsehen. Eventuell weil hier der Sound moderner klingt als bei den vorherigen Werken? Keine Frage, dass auch "The Snake" die Klasse seiner Vorgänger besitzt, während es von seiner musikalischen Ausrichtung doch genau in dieselbe Kerbe schlägt. Auf jeden Fall erfuhr der Klasse-Gitarrist mit dieser Scheibe endlich auch die Anerkennung, die ihm schon lange zustand.
Als Zugabe obendrauf gibt es dann noch einen Live-Mitschnitt von einem Konzert, das am 24. Dezember 1968 im legendären Matrix in San Francisco stattfand. Und wer sich da alles auf der Bühne tummelte!!! Neben dem Protagonisten selbst nämlich keine Geringeren als Jerry Garcia sowie Mickey Hart (beide The Grateful Dead), der legendäre Blueser Elvin Bishop als auch Stephen Miller und John Chambers. Wieviel Spaß die Musiker an diesem Abend hatten, zeigt alleine schon der - passenderweise "Jam" betitelte - knapp 37-minütige Monsterjam, der den Reigen eröffnet. Beim Sound muss man hier zwar ein paar Abstriche machen, aber trotzem: Was für ein supergeiler Abschluss dieses noblen Box-Sets!
Neben den hier besprochenen Soloalben Mandels folgten zwar noch ein paar weitere, aber Mitte der Siebziger war dann erstmal für ca. zwanzig Jahre Schicht im Schacht, was die Alleingänge betraf. Vielmehr machte er sich als Session-Musiker und Produzent zu schaffen. Zwei seiner bekanntesten Mitwirkungen in dieser Phase sind übrigens auf dem Rolling Stones-Album "Black And Blue" (1976), wo er auf den Songs "Hot Stuff" und "Memory Motel" zu hören ist.
Abschließend bleibt nur noch einmal zu betonen, was für eine starke Sache die "Snake Box" bzw. die darin enthaltene Musik ist. Wen Stilvielfalt und überwiegend gesanglose Tracks nicht gleich auf dem Absatz kehrt machen lassen, der wird sehr viele schöne Stunden mit diesem Teil verbringen. Absolut empfehlenswert!
Tracklists |
"Cristo Redentor" (CD 1):
01:Cristo Redentor
02:Before Six
03:The Lark
04:Snake
05:Long Wait
06:Wade In The Water
07:Light's Out
08:Bradley's Barn
09:You Can't Tell Me
10:Nashville 1 A.M.
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"Righteous" (CD 2):
01:Righteous
02:Jive Samba
03:Love Of Life
04:Poontang
05:Just A Hair More
06:Summer Sequence
07:Short's Stuff
08:Boo-Bee-Doo
09:Campus Blues
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"Games Guitars Play" (CD 3):
01:Leavin' Trunk
02:Honky Tonk
03:I Don't Need No
04:Doctor
05:Dry Your Eyes
06:Ridin' High
07:Capurange
08:Senor Blues
09:Games People Play
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"Baby Batter" (CD 4):
01:Baby Batter
02:Midnight Sun
03:One Way Street
04:Morton Gove
05:Mama
06:Freedom Ball
07:El Stinger
08:Hank The Ripper
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"The Snake" (CD 5):
01:The Divining Rod
02:Pegasus
03:Lynda Love
04:Peruvian Flake
05:The Snake
06:Uno Ino
07:Ode To The Owl
08:Levitation
09:Bite The Electric Eel
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"Live At The Matrix" (CD 6):
01:Jam
02:You've Got To Feel It
03:3 O'Clock In The Morning
04:She's A Mojo Worker
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Externe Links:
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