James McMurtry / Just Us Kids
Just Us Kids Spielzeit: 60:15
Medium: CD
Label: Blue Rose Records, 2008
Stil: Americana, Rock

Review vom 25.06.2008


Norbert Neugebauer
Herr Heiser droht: »Wenn DEN keiner will, dann mach ich ihn selber. Das ist 'ne absolute Perle!« Seine Homepage meldet stolz: »Nr. 1 in den R'n'R/Americana Radio Charts (seit 5 Wochen)« und auf Top-Plätzen in diversen anderen Hitlisten. Alle Rezensenten-Kollegen überschlagen sich. Und Herr Neugebauer kennt ihn wieder mal nicht! James McMurtry und sein neues Album "Just Us Kids", das sich Blue Rose unter den Nagel gerissen hat.
Dass die Abstatter mittlerweile DAS Label in Europa für dieses Genre sind und einen Hochkaräter nach dem anderen in ihren Stall holen, wissen wir ja längst. Und für die Austin-Connection besteht offensichtlich darüber hinaus ein besonderes Faible. Gut, aber warum kennt Herr N. dann James McMurtry nicht und steht damit sicher nicht allein in der Hörer-Landschaft? Weil der bärtige Texaner erstens nicht grade zu den Vielveröffentlichern gehört (letztes Album 2005), zweitens auch noch nie in Deutschland aufgetreten ist und es drittens im SXSW-Land sicher noch einen ganzen Haufen solcher Künstler gibt, von denen bei uns nur die echten Szene-Kenner was gehört haben. Zum Beispiel Herr Rischke, der regelmäßig interessante Vertreter dieses Schlags in seinen
Real Music Club in Lauchhammer holt.
"Just Us Kids" ist Americana, wie es amerikanischer nicht sein kann. Und wohl auch deshalb etwas zu speziell für die deutschen Ohren. Der große Erfolg im Heimatland ist sicher auch damit begründet, dass McMurtry sehr unverblümt über diverse Missstände, vor allem in der U.S.-Politik und -Justiz singt. Die Amis haben wohl wirklich langsam die Schnauze voll. Nun, nicht dass uns diese Thematik nicht tangieren würde, aber das allein, noch dazu in solcher Lyrik vorgetragen, reicht sicher nicht, um hierzulande viele neue Fans zu gewinnen.
Die Musik für sich spricht auch nicht so auf Anhieb an und ist alles andere als das, was wir von sonstigen, oft wohltönenden Künstlern dieser Richtung kennen. Schon die ersten Gitarrentöne mit rasselnder Percussion-Begleitung von "Bayou Tortous" kommen böse und bissig aus den Boxen. McMurtry bellt zum harschen Rock'n'Roll, der immer bedrohlicher wird. O.k., Herr N. hat's begriffen - die Sümpfe sind nicht der richtige Platz für ein Mitternachts-Picknick!
"Just Us Kids" klingt dann schon versöhnlicher und hat einen eingängigen Rhythmus - die Geschichte über ein vermeintlich unbeschwertes Leben (im unüberhörbaren John Mellencamp-Stil) mit einem ungewöhnlichen Percussion - In- and Outro. Und einem doch inzwischen öfters auf U.S.-Produktionen zu hörenden Gast: Ian McLagan mit (hier noch im Hintergrund) rollenden Keys. Aber dann kommt's wieder dick: "God Bless America" auf einem Black Sabbath-mäßigen Riff mit einer giftigen Blues-Harp von einem pat mAcdonald (sic), der als Pat McDonald dafür ins Gras beißen soll. "Cheney's Toy" ist die 2008er Version vom "Universal Soldier", die trotz der eingängigen Hookline für ein ganz mieses Gefühl sorgt. Da ist der satte Rocker "Freeway View" (erneut mit dem diesmal grandios klimpernden McLagan) eine Erlösung!
Dass der Mann mit der knarzig-sonoren Stimme auch zarte Gefühle gut verpacken kann, zeigt "Hurricane Party" oder die anrührende Geschichte von "Ruby And Carlos" mit Cello-Begleitung. "Brief Intermisson" ist ein gitarrenbetontes Instrumental-Zwischenspiel. Aber dann wird's wieder bitterböse - Songs von Gewalt und Missbrauch in der Familie ("Fire Line Road"), ungesühnten Morden ("The Governor") und den Überresten größenwahnsinniger Macht ("Ruins Of The Realm"). Auch der Ausklang ist unversöhnlich "You'd A'tought". Warum nun allerdings auch noch Leonhard Cohen sterben muss, bleibt Herrn N. verborgen.
James McMurtry hat eine feine Mitmusiker-Schar (u.a. Jon Dee Graham) hinter sich, die "Just Us Kids" sehr ansprechend, mal heftig, mal subtil, illustriert. Die Eigenproduktion ist absolut gelungen. Die Texte sind im Booklet enthalten (Blue Rose hat dazugelernt!). Sicher keine Platte für den gemütlichen Dämmerschoppen oder die 'After-Public Viewing-Party' (grrr), aber eine, die beim anspruchsvollen Musikfan dieses Genres zum Dauerbrenner werden könnte!
Tracklist
01:Bayou Tortous
02:Just Us Kids
03:God Bless America (Pat MacDonald Must Die)
04:Cheney's Toy
05:Freeway View
06:Hurrican Party
07:Ruby And Carlos
08:Brief Intermission
09:Fire Line Road
10:The Governor
11:Ruins Of The Realm
12:You'd A'thought (Leonard Cohen Must Die)
Externe Links: