Das Konzert an diesem Freitagabend war gleich aus mehreren Gründen quasi ein Pflichttermin für die RockTimes-Redaktion. Zum Ersten ist die Jessy Martens Band gleich in drei Kategorien (beste Gruppe, beste Sängerin, bestes Album) für den German Blues Award vorgeschlagen worden, was schon mal ein Beleg für die Klasse der fünf Musiker ist. Zweitens äußerten sich meine geschätzten Kollegen Norbert und Joe sehr positiv über drei der vier Alben, die die kleine Hamburger Sängerin bisher veröffentlicht hat, wobei sich mein Bluesbruder Joe sogar zu den Worten »Eine Stimme zum Niederknien« hinreißen ließ, was ihm auch nicht alle Tage über die Lippen kommt. Und drittens ist bisher noch kein Konzertbericht bei uns im Index vertreten, was unbedingt geändert werden musste.
So machten wir uns in freudiger Erwartung auf den Weg in die Bluesgarage, ohne auch nur einen einzigen Ton der Band gehört zu haben. Und das ganz bewusst, denn die Kommunikation und das Vertrauen in den Musikgeschmack der Kollegen ist innerhalb unseres Magazins nahezu perfekt. Es herrscht ein blindes Verständnis in die Aussagen der Redaktionsmitglieder, sodass wir auch ganz ohne Vorabinformationen sicher waren, einen richtig geilen Konzertabend zu erleben. Und genau so sollte es auch kommen. Da sieht man mal wieder, wie wichtig eine gemeinsame Wellenlänge untereinander für eine eingeschworene Gemeinschaft wie RockTimes ist.
Schon einige Zeit vor Konzertbeginn sah ich die Band ganz entspannt im Eingangsbereich der Bluesgarage beim Rauchen und sich über die anstehende Tour unterhalten, die die Jessy Martens Band ab Anfang Juli für zwei Monate kreuz und quer durch unsere Republik führen wird (die genauen Daten findet Ihr natürlich auch in unseren Tourdates). Offenbar reiten die fünf Musiker im Moment durch die Nominierungen für den Blues Award, wie auch durch einen ganz starken Auftritt im Hamburger Down Town Blues Club, bei dem sie von mehr als dreihundert Zuhörern stürmisch abgefeiert wurden, auf einer Erfolgswelle, die ihnen jede Menge Selbstvertrauen eingebracht hat.
Und warum das so ist, das wurde uns vom ersten Ton an deutlich gemacht, den die Band um 21.00 Uhr von sich gab. Schon gleich beim Opener, dem Leadbelly-Song "Good Morning Blues" stockte den Besuchern vor Staunen fast der Atem. Was für eine gewaltige Rock-Röhre rollte da auf die Zuhörer zu. Ganz selten habe ich bisher so ein Stimmvolumen erlebt. Kollege Joe hatte also mal wieder nicht übertrieben. Aber auch die gesamte Bühnenshow war vom Allerfeinsten. Unglaublich, wie dieses Energiebündel die gesamten zweieinhalb Stunden tanzend und swingend über jeden Zentimeter der Bühne tobte. Das Ganze wirkte fast ansteckend, und so herrschte von Anfang an eine Bombenstimmung in der Bluesgarage, was bei diesem sehr kritischen und auch verwöhnten Publikum auch nicht immer der Fall ist.
Auch Jessys Begleiter machten einen ganz starken Eindruck. Angeführt von dem überragenden Gitarristen Roman Werner, der neben der Sängerin immer wieder im Mittelpunkt des Konzertes stand. Ein ums andere Mal begab er sich an den vorderen Bühnenrand und kitzelte dabei die unglaublichsten Soli aus seinem Instrument heraus. Herrlich auch seine Einlagen mit dem Wah Wah-Pedal. Dieser erst zweiundzwanzigjährige Musiker verfügt schon jetzt über herausragende Fähigkeiten. Als er schließlich seinen Standort von der Bühne auf einen davor stehenden Barhocker verlegte, kannte die Begeisterung für diesen Balanceakt keine Grenzen mehr.
Nicht ganz so auffällig, aber nicht weniger effektiv agierte Jan Fischer an seinen Keyboards. Hätte ich mir seine Orgeleinsätze in manchen Phasen auch etwas kräftiger gewünscht, so konnte er mit herrlichen Pianoläufen absolut begeistern. Besonders die 'Zwiegespräche' mit Jessys Stimme gehörten zu den Highlights des Abends, wie man überhaupt sagen muss, dass die komplette Band einen äußerst homogenen Eindruck machte und optimal aufeinander abgestimmt wirkte. Und dass alle Musiker über kolossale Fähigkeiten an ihren Instrumenten verfügen, wurde in zahlreichen Soloeinlagen deutlich. Besonders erwähnenswert war dabei das Schlagzeugsolo von Christian Kolf beim Ray Charles-Klassiker "I Don't Need No Doctor", das als letztes Stück des ersten Konzertabschnittes gespielt wurde und ebenfalls einer der Höhepunkte des Abends war.
Im zweiten Teil des Gigs gab es einige Coverversionen (u. a. von Koko Taylor), wobei ich besonders die Fassung von Albert Kings "Born Under Bad Sign" hervorheben möchte. Aber auch Gershwins "Summertime" wurde großartig interpretiert und auch gleich noch zur Vorstellung der Bandmitglieder benutzt. Doch natürlich zogen sich die Eigenkompositionen des neuen Albums Brand New Ride wie ein roter Faden durch die Show, wobei mich neben dem Titelsong noch der Slow Blues "Touch My Blues Away" und die geniale Ballade "Fool 4U", die als letzte Zugabe gespielt wurde, besonders überzeugten.
Gleich mehrmals machte sich Jessy Martens auf den Weg ins Publikum und animierte so die Anwesenden perfekt zum permanenten Mitmachen. Dabei erklomm sie öfter einen Tisch mitten im Saal und brachte die umstehenden Zuhörer zu ihren Füßen ein ums andere Mal in Ekstase. An dieser Bühnenshow wirkte aber auch gar nichts einstudiert. Alles kam ganz spontan rüber und Jessy Martens spielte förmlich mit ihrem Publikum. Das war Spielfreude pur. Ich hoffe nur, dass die Band sich diese Spontanität auch in Zukunft so bewahrt und nicht abhebt, auch wenn dann früher oder später noch wesentlich größere Aufgaben auf die Musiker warten werden. Wenn die Jessy Martens Band auch weiterhin so viel Publikumsnähe an den Tag legt, werden auch die zukünftigen Konzerte immer wieder zu absoluten Erlebnissen werden. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie es mit der Gruppe weitergeht und werde mit Sicherheit im nächsten Jahr wieder mit dabei sein, wenn sie erneut in der Bluesgarage auflaufen.
Line-up:
Jessy Martens (vocals)
Roman Werner (guitar)
Tom Rohloff (bass, backing vocals)
Jan Fischer (keyboards)
Christian Kolf (drums)
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