»Andere Leute in meinem Alter gehen zur Kur - Ich gehe auf Tour«. So äußerte sich vor kurzem ein bekannter deutscher Orchesterleiter zu seinem achtzigsten Geburtstag im Fernsehen. Die gleichen Worte könnten auch von dem Mann stammen, der an diesem Sonntagabend nach über vier Jahren mal wieder auf der Bühne des Capitols in Hannover stand. Inzwischen auch schon 75 Jahre alt könnte John Mayall schon lange den Ruhestand genießen und sich auf den Lorbeeren ausruhen, die er in über vier Jahrzehnten mit seiner Musik erworben hat. Mit seinen Bluesbreakers setzte er unauslöschliche Akzente in Sachen Blues und brachte dabei jede Menge Leute ins Rampenlicht, die heute den Superstar-Status genießen und ganz oben in der Liga der handgemachten Sounds angesiedelt sind.
Und was macht dieser Rentner in spe stattdessen? Er löst die letzte, seit Jahren erfolgreiche Bluesbreakers-Besetzung auf, tut sich mit anderen Musikern zusammen, um eine neue Herausforderung zu suchen und geht mit dieser Truppe als John Mayall And The New Band auf Deutschland-Tour. Mit dabei ist Rocky Athas an der Gitarre, der unter anderem bei den Southern Rockern Black Oak Arkansas den Sechssaiter bediente, sowie Greg Rzab am Bass, der kurzzeitig bei den Black Crowes die dicken Saiten zupfte und in der Band von Buddy Guy den Rhythmus vorgab.
Auch die beiden restlichen neuen Bandmitglieder sind nicht zu verachten. Mit dem dunkelhäutigen Schlagzeuger Jay Davenport konnte einer der gefragtesten Drummer Chicagos verpflichtet werden, der neben zahllosen Studio-Jobs auch mit Junior Wells und Pinetop Perkins zusammenarbeitete und auf Tour ging.
Wirft man einen Blick auf die Musiker, bei denen Keyboarder Tom Canning unter Vertrag stand, so wird schnell klar, dass auch er zu einem erlauchten Kreis von Künstlern gehört, die als Garanten für gute Arbeit immer wieder gerne engagiert werden. Denn wer kann schon auf ein gemeinsames Musizieren mit T-Bone Burnett, Freddie King, Robbie Robertson, Glenn Frey und Joe Walsh zurückblicken? Das sind sicherlich nicht die schlechtesten Empfehlungen!
Als um Punkt 20:00 Uhr die Spots angingen und John Mayall, zunächst alleine, die Bühne betrat, wurde sofort klar, dass der 'Vater des weißen Blues' topfit an der Start gehen würde. Nach wie vor gertenschlank und nun wieder mit längerer Matte, schien er auch mental sehr gut drauf zu sein und wirkte wesentlich relaxter als bei seinem letzten Besuch in Hannover. So wurde schon der einleitende Boogie-Woogie, bei früheren Gigs immer im Zugabenteil vertreten, zu einem Ohrenschmaus, zumal sich sofort herausstellte, dass John Mayall auch stimmlich voll auf der Höhe war. Schon nach diesem ersten Titel war der Kontakt zwischen Künstler und Publikum hergestellt. Und das sollte sich während der folgenden 100 Minuten auch nicht ändern.
Und dann startete die komplette Band durch. Diesmal gab es keine Eröffnung ohne den Bandleader. John Mayall war vom ersten bis zum letzten Ton dabei und vermittelte so den großen Zusammenhalt dieser neuen Truppe. Die Spielfreude war jedem einzelnen Musiker förmlich ins Gesicht geschrieben. John gab immer wieder launige Kommentare zu den einzelnen Songs ab und zeigte sich auch während des Spiels absolut gut aufgelegt, wenn er seine Kollegen ein ums andere Mal anfeuerte oder nach gelungenen Solo-Einlagen beglückwünschte.
Als weise Entscheidung erwies sich die Hereinnahme von Tom Canning als zweitem Keyboarder, denn so konnten viele Titel mit schönen Duellen zwischen Piano und Orgel bereichert werden. Außerdem hatte Mayall dadurch wesentlich mehr Gelegenheiten, sich an der Harmonika und seiner Gitarre auszutoben, ohne auf die einfach dazu gehörende Tastenarbeit zu verzichten. Auch diese Tatsache wirkte sich äußerst positiv auf das Konzert aus.
Im Hintergrund donnerte Schlagzeuger Jay Davenport aus vollen Rohren und brachte sein ziemlich beeindruckendes Drum-Kit immer wieder zum Beben. Dabei kam ihm seine große Routine in Sachen Blues natürlich sehr zu Gute, denn er setzte seine Attacken immer auf den Punkt genau und baute damit ein sehr solides Grundgerüst für die Songs des Meisters auf. Dieser Mann hat das nötige Bluesfeeling und versteht es großartig, seine Schießbude genau so einzusetzen, wie es nötig ist, um die Titel perfekt zu interpretieren. Ein in jeder Hinsicht beeindruckender Mann!
Direkt vor meiner Nase bearbeitete Rocky Athas seinen Sechssaiter. Ein wirklich guter Standort für einen Redakteur, dem es immer wieder richtig Spaß macht, den Gitarristen aus nächster Nähe genauer auf die Finger zu sehen. Rocky zauberte wunderschöne Soli aus seinem Instrument und unterstützte die Intensität der Töne durch sein ausgeprägtes Mienenspiel. Ein Highlight war sein Part beim Otis Rush-Song "All Your Love", den er herrlich in die Länge zog und sich dabei immer mehr steigerte. Auch ihm konnte man die Spielfreude vom Gesicht ablesen. Jeden Zwischenapplaus quittierte er mit einem freundlichen Lächeln. Der Gig schien ihm sichtlich viel Spaß zu bereiten. Da machte es auch nichts, dass er im Gegensatz zu seinem Vorgänger Buddy Whittington gänzlich auf das Metallröhrchen verzichtete. Es ging eben auch so.
Auch in der Setlist gab es einige Veränderungen zu den letzten Gigs der Bluesbreakers, die sich natürlich im Wesentlichen auf Songs der damals aktuellen Alben beschränkten. Hier nun ging man mit einigen Ausflügen weit in die Vergangenheit zurück. Freddie King wurde erfolgreich gecovert und auch etliche Titel aus der Zeit, als noch ein gewisser Eric Clapton an der Seite von John Mayall seine Arbeit tat, gab es auf die Ohren. Außerdem wurde auch das Kult-Album "Blues From Laurel Canyon" wieder berücksichtigt, das für mich auch nach über vierzig Jahren das ultimative Werk der Bluesbreakers ist. So war eine schöne lange Version von "The Bear", Johns Tribute an den legendären Frontmann von Canned Heat, Bob Hite, für mich der Höhepunkt des Konzertes, denn diesen Song hatte ich bislang überhaupt noch nicht live gehört.
Nicht zu vergessen der Überflieger "Room To Move". In manchen Sets wirkte der Titel schon irgendwie tot gespielt. Heute aber wurde er zum Mittelpunkt des Gigs. So war ein abwechslungsreiches Bass-Solo von Greg Rzab eingebaut, das man durchaus auf eine Stufe mit den legendären Tieftöner-Ausflügen von Golden Earring beim Song "Eight Miles High" und Steamhammer in "Riding On The L & N/Hold That Train" stellen kann. Doch damit nicht genug, schloss sich direkt danach ein Schlagzeug-Solo von Davenport an, das auch nichts zu wünschen übrig ließ. Nun brodelte der Saal.
John selbst stellte sich ganz in den Dienst der Gruppe, war aber trotzdem der absolute Mittelpunkt. Seine ständigen Wechsel zwischen Tasten, Harp und Gitarre, sowie seine intensiven Vocals forderten die Zuhörer immer wieder zu spontanem Zwischenapplaus heraus, den er auch sehr gerne entgegen nahm. Selbst bei den Songs aus seiner jazzigen Phase, die etwas mehr Konzentration erforderten, überzeugte er mit seinem sehr gekonnten Pianospiel.
John Mayall ist auch mit 75 Jahren noch immer ein Garant für starke Konzerte und hat mit seiner aktuellen Band wieder mal Top-Musiker zusammen gebracht. Somit hat sich auch dieser Einschnitt in seiner Karriere gelohnt. Meine Hochachtung John! Well done!
Wir danken Patrik Mertens von A.S.S. Concert & Promotion ganz herzlich für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
John Mayall (harp, vocals, keyboards)
Rocky Athas (guitar)
Greg Rzab (bass)
Tom Canning (keyboards)
Jay Davenport (drums)
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