Keith Moon / Two Sides Of The Moon
Two Sides Of The Moon Spielzeit: 74:01 (CD 1), 65:45 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Sanctuary Records , 2006
Stil: Rock

Review vom 15.09.2006


Markus Kerren

Anfang der 70er Jahre begann die große Zeit der Soloalben. Es scheint heute fast so, dass damals (fast) jeder Musiker, der auch nur ein kleines Stück auf sich selbst hielt und in einer einigermaßen angesagten Band spielte, mindestens einen solchen Selbstverwirklichungstrip fuhr. Die Ergebnisse waren manchmal sehr erfreulich, sehr oft aber auch enttäuschend und überflüssig.
Im Falle von The Who-Drummer Keith Moon war dieses Unterfangen aber wohl weniger geplant, als vielmehr eine, im wahrsten Sinne des Wortes, Schnapsidee, die während eines nächtlichen Saufgelages mit seinen Kumpels Ringo Starr, John Lennon und Harry Nilsson entstand.
Dazu waren wohl noch weitere Punkte ausschlaggebend: Zum Ersten waren The Who 1974 mehr oder weniger auf Eis gelegt, da die meiste Zeit des Jahres damit verbracht wurde, die Rockoper Tommy zu verfilmen. Was zu allergrössten Teilen ohne Moon stattfand. Zweitens war ihm kurz zuvor seine Ehefrau davongelaufen und ohne seine bessere Hälfte und seine Band hatte Mooney vor allem emotionale Probleme und außerdem war ihm auch noch langweilig.
Drittens hatte ihn der Erfolg von Ringo Starrs Album "Ringo" (1973) beeindruckt und schließlich hatten alle anderen Who-Kollegen ja auch schon ein oder mehrere Solo-Alben am Start. Der Fakt, dass sich seine 'schlechten Angewohnheiten' mittlerweile in Süchte gewandelt hatten, wirkte sich sicherlich nicht unerheblich auf die Entscheidung aus, auf dem Album selbst zu singen und kaum (nur auf drei Songs) selbst das Schlagzeug zu übernehmen.
Wie dem auch sei, die Plattenfirma war von der Idee begeistert und stellte ein 'Open Budget' zur Verfügung. Keith hatte ein dickes persönliches Telefonbuch und so verwundert es nicht, dass eine Unzahl an Musikern auf dem Album vertreten sind. Und da Moon nun so viele seiner Freunde um sich hatte, glichen die Sessions zu "Two Sides Of The Moon" dann auch eher einer exzessiven Dauerparty, als einem ernsthaften Arbeiten.
Dennoch (oder gerade deshalb?) startet das Werk mit einem kräftigen, druckvollen Rocker namens "Crazy Like A Fox", der musikalisch zwar vollkommen in Ordnung ist, den Gesang aber irgendwo im Niemandsland zurücklässt. Der ist nämlich viel zu weit in den Hintergrund gemischt und hört sich irgendwie auch leicht daneben an. Beim folgenden "Solid Gold" wird dann deutlich, dass unser 'Moon The Loon' das Gesangsmikro besser niemals angefasst hätte.
Der überzeugte Beatles- und Beach Boys-Fan ließ es sich auch nicht nehmen, sein erklärtes, absolutes Lieblingslied aller Zeiten, Brian Wilsons "Don't Worry, Baby", aufzunehmen. Als eben dieser Brian Wilson diese neue Version hörte, brach er laut Augenzeugenbericht in Tränen aus. Es soll sich allerdings nicht um Freudentränen gehandelt haben...
Es gibt auf dem Album keine Eigenkompositionen zu verzeichnen, vielmehr bedient sich Moon bei Harry Nilsson ("Together"), John Lennon ("Move Over, Ms. L."), The Who ("The Kids Are Alright") oder den Beatles ("In My Life"), sowie weiterer Songlieferanten, ohne bei den Coversongs jemals aber auch nur annähernd an die Qualität der jeweiligen Originale zu kratzen. Und auch die verwirrende Stilvielfalt aus straightem Rock, 50's Bubblegum-Pop, Surf Music, einem Beatles-Cover und gar Reggae-lastigem hilft nicht unbedingt, das Album kompakter erscheinen zu lassen.
Immerhin haben sich Castle Music bei dieser Neuauflage des original im April 1975 erschienenden Werkes sehr viel Mühe gegeben. Im Anschluss an das ursprüngliche Album folgen drei Outtakes von ebendiesem, die den Gesamteindruck aber eher noch trüben. Die damalige Plattenfirma MCA war übrigens von ersten Hörproben so geschockt, dass sie umgehend den Produzenten Mal Evans feuerte und stattdessen Skip Taylor einstellte, der die Arbeit dann beendete.
Nun bekommen wir sechs Songs des Silberlings in seiner ursprünglichen Abmischung von eben jenem Mal Evans zu hören. Der größte Unterschied besteht darin, dass der Gesang hier wesentlich weiter im Vordergrund ist. Verbunden mit dem Nachteil, dass die Gesangsmisere noch deutlicher wird. Die witzige Weihnachts-Single "We Wish You A Merry Christmas" wurde damals erst gar nicht veröffentlicht.
"Two Sides Of The Moon" verkaufte sich sehr schlecht und so ist es erstaunlich, dass MCA damals grünes Licht für ein zweites Album gaben.
Diesmal allerdings unter anderen Voraussetzungen. Als Produzent wurde der alte Studiohase Steve Cropper engagiert, der als erste Grundregel auslegte: »Keine Drogen oder Drinks im Studio«. Nun, diese zweite LP kam nie zustande, es konnten aber wenigstens drei Nummern davon für die Nachwelt gerettet werden. Und kaum zu fassen: Diese drei Songs, die CD 1 des Doppeldeckers abschließen, sind besser als alles, was auf "Two Sides Of The Moon" enthalten ist.
CD 2 bietet dann insgesamt 25 Tracks der Studio-Sessions, bei denen irgendwas schief ging, oder die noch nicht als gut genug befunden wurden.'Work in Progress' sozusagen, bei der es hier und da auch mal sehr lustig zugeht.
Letztendlich ist die CD für The Who- und Keith Moon-Fans natürlich unverzichtbar und für den geneigten Rockmusik-Liebhaber zumindest interessant, aber aufgrund vieler durchschnittlicher Songs und einem oft unterirdischen Gesang alles andere als essentiell.
Tracklist
CD 1:
01:Crazy Like A Fox
02:Solid Gold
03:Don't Worry Baby
04:One Night Stand
05:The Kids Are Alright
06:Move Over, Miss L.
07:Teenage Idol
08:Back Door Sally
09:In My Life
10:Together
11:Lies (Outtake)
12:I Don't Suppose (Outtake)
13:Hot Rod Queen (Outtake)
14:Don't Worry Baby (Single Version)
15:Teenage Idol (Single Version)
16:Backdoor Sally (Mal Evans Mix)
17:One Night Stand (Mal Evans Mix)
18:Crazy Like A Fox (Mal Evans Mix)
19:In My Life (Mal Evans Mix)
20:Mover Over, Miss L. (Mal Evans Mix)
21:Solid Gold (Mal Evans Mix)
22:We Wish You A Merry Christmas (unreleased Single)
23:Do Me Good (The 1975 Clover Sessions)
24:Real Emotion (The 1975 Clover Sessions)
25:Naked Man (The 1975 Clover Sessions)
CD 2:
01:Keith & Ringo "Together" (Take 1)
02:Don't Worry Baby (Take 1)
03:Don't Worry Baby (Keith lead vocal from track 21)
04:Teenage Idol (Take 1)
05:Crazy Like A Fox
06:Solid Gold
07:A Touch Of Moon Madness
08:Move Over, Miss L. (Take 9)
09:Lies
10:My Generation
11:The Kids Are Alright
12:Keith & Ringo "Together" (Take 2)
13:Together (Take 1)
14:Together (Take 9)
15:Together (with Harry Nilsson)
16:I'm Not Angry (Edit Version)
17:Hot Rod Queen (Take 1)
18:Solid Gold (Ad lips #1)
19:Teenage Idol (with Dick Dale)
20:Solid Gold (Ad lips #2)
21:Real Emotion (Take 2)
22:OK Mr.Starkey
23:Do Me Good (Take 3)
24:Keith & Ringo "Together" (Again)
25:In My Life (Untracked)
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