Elektromagnetissimus ist das, was den Ton der Elektrogitarre in den Verstärker reinfrunselt.
Cliff Jackson
Magnetissimus Elektros "Flankensteilheit" war für mich DIE Überraschung des Oktobers. Scherzhaft merke ich damals an, dass es sich um das beste deutschsprachige Album handeln würde, das Pink Floyd jemals aufgenommen habe - ein hochintelligent arrangiertes, aber niemals 'verkopft' wirkendes Konzeptwerk. Der 'cremig' warme Sound dreht sich nach wie vor auf angenehmste Weise in die Gehörgänge. RockTimes hatte die Möglichkeit, mit 'Mastermind' Michael Bartel aka Fanfan La Tulipe per E-Mail ein Interview zu führen.

Alle Bilder von Fanfan authorisiert - besten Dank dafür!

Interview vom 04.12.2010


Steve Braun
RockTimes: Zunächst macht einmal der Name Magnetissimus Elektro stutzig und hellhörig. Wie bist Du auf diesen Bandnamen gekommen? Darf der Leser/Hörer eine gewisse Affinität der Musiker zur Physik annehmen?
Fanfan: Nein, Elektromagnetissimus ist das, was den Ton der Elektrogitarre in den Verstärker reinfrunselt. Ansonsten haben wir mit Physik nicht viel am Hut... abgesehen von den physikalischen Tatsachen, die unsere diffusen Ziele bestimmen.
RockTimes: Fanfan La Tulipe - Was inspiriert zu einem solchen Künstlernamen?
Fanfan: 1983 habe ich für das Dance-Label USS einen Acid-House Titel produziert und brauchte noch schnell einen Künstlernamen. Nun ist Fanfan La Tulipe eigentlich nicht Fanfan der Husar aus dem berühmten Film, sondern der Held aus einem französischem Kinderlied. Ähnlich "Hänschen Klein" - das gefiel mir irgendwie und gefällt mir noch heute.
RockTimes: Beschreibe mal Eure Anfänge - da war doch 1979 ein Album mit dem Titel "Antipol"?
Fanfan: Wie soll ich das beschreiben? Wir waren jung, hatten lange Haare, was zu rauchen, das nicht genmanipuliert war und wurden mitgenommen von der Welle, die Can, Kraftwerk oder z.B. Michael Rother damals gestartet hatten. Naja, was soll man noch über die Anfänge sagen - es gab keine Computer, jeder fuhr einen R4 und das Ampex-1-Zoll-Band war ganz schön teuer und man musste sich ganz gut überlegen, was man jetzt darauf aufnimmt.
RockTimes: Ende der Siebziger - die Heydays von Pink Floyd... Wart Ihr damals von deren Sound und dem ganzen Art Rock-Kram inspiriert?
Fanfan: Natürlich! Pink Floyd und ähnliche Bands inspirieren uns noch heute. Interessant finde ich allerdings die Kategorisierung in Art Rock. Damals bildeten alle diese Bands eine eigene Kategorie, keine Band war wie Pink Floyd, keine wie Gentle Giant, keine wie Genesis, die ja auch bereits '68 ihr erstes Album herausgebracht haben. Ein Jahr nachdem die Beatles "Sergeant Peppers..." veröffentlicht hatten - das muss man sich einmal vorstellen. Dabei fällt mir Yes ein: Das war auch eine coole Band. Ich weiß noch, wie ich tagelang "Mood For A Day" geübt habe.
RockTimes:Ludwig Fanfan Warum hat man so lange nichts von M.E. gehört? Welche musikalischen Projekte bist Du in der Zwischenzeit angegangen?
Fanfan: Das waren dann die 80er Jahre und die waren insofern etwas schwierig, als dass die Herstellung von Musik weitgehend von Maschinen übernommen und der gepflegte Gitarrist vom Erdball verbannt wurde. Das Zeitalter der Produzenten und Sänger hatte begonnen und bis zum Erscheinen des ersten Nirvana-Albums brauchte man in den Studios niemanden, der ein analoges Instrument spielen konnte. Am schlimmsten allerdings traf es aber die Schlagzeuger, die jetzt alle auf TR-808 umschulen mussten. Lustig war jedoch, im Black Music-Bereich; da waren plötzlich coole Bassisten gefragt. Also habe ich schnell angefangen, Bass zu lernen und bin Mitte der 80er auf Mousse-T getroffen, für den ich bis heute auf etlichen Produktionen mitgewirkt habe. Angefangen mit Inner Circle, über En Vogue, Moloko bis hin zu Tom Jones. Mit anderen Worten: Ich habe viele Jahre im Peppermint Park Studio verbracht und tue das auch noch heute. Natürlich haben wir zwischendurch immer mal wieder irgendwelche Magnetissimus Elektro-Retro-Sessions gemacht, aber bis jetzt nicht an eine Veröffentlichung gedacht.
RockTimes: Meine ersten Assoziationen während des Hörens von Flankensteilheit waren
Dark Side Of The Moon und Animals. Was war die Triebfeder für Dich, im neuen Jahrtausend ein Album zu machen, das auch locker dreißig Jahre früher hätte erscheinen können?
Fanfan: Gute Frage... im Grunde einfach die Lust ein Album ohne Regeln, und damit meine ich die Strophe-Bridge-Refrain-Regeln der Popmusik 'handmade' zu produzieren. Außerdem hat sich meines Erachtens im Zeitalter Web 2.0 der Mainstream überholt.
Inzwischen suchen sich die Hörer ihre Nischen jenseits der Hitparade, und viele junge Leute entdecken die Musik von früher neu. Es gibt ja inzwischen unendlich viele Indie-Bands (komischer Begriff übrigens), die den Sequenzer weggeschmissen haben und in Badewannen, Hausfluren, Hinterhöfen und Wohnzimmern ihre Songs aufnehmen.
RockTimes: In wie weit haben Bands wie Can oder Kraftwerk die Kompositionen von "Flankensteilheit" beeinflusst?
Fanfan: Ich meine, Musik machen kommt durch das Musikhören, und jeder, der ein Instrument spielt und komponiert, steht selbstverständlich unter dem Einfluss der Musik, die er zur Zeit gut findet und früher gern gehört hat. Denn wenn man als Musiker etwas gut findet, dann möchte man auch wissen, wie es geht. Dinge, die man einmal gelernt hat, bleiben anscheinend abrufbar, so habe ich eben nochmal nach fast dreißig Jahren versucht, "Mood For A Day" zu spielen, und hey: es ging noch!
RockTimes: Die Aussage in Eurem MySpace, 'Umwelteinflüsse' hätten zur Entstehung von "Flankensteilheit" beigetragen, hat mich schmunzeln lassen. Kannst Du sie uns erläutern? Es war sicherlich nicht nur das Magnetfeld der Erde und die 'Ausdünstungen' von Brokdorf?
Fanfan: Mit Brokdorf hat das nichts zu tun, sondern mit Rockdorf... (grinst)
RockTimes: Man kann den Eindruck gewinnen, bei "Flankensteilheit" handele es sich um ein Konzeptalbum - ist das so? Wenn ja: Warum gerade dieser Titel als 'Klammer'?
Fanfan: Ja, es ist ein Konzeptalbum im klassischen Sinne, da die Stücke zueinander gehören und den Hörer hoffentlich mit auf eine kleine musikalische Reise nehmen.
Aufnehmen musste man das Ganze natürlich im Studio, und 'Flankensteilheit' ist - unter uns gesagt - nichts weiter als ein Ausdruck aus der Tontechnik. Aber man muss doch zugeben: Der Ausdruck klingt einfach spannend.
RockTimes: Der Gesang der großartigen Jenni Böttcher weckt beim Hörer Assoziationen zu Clare Torry, die Floyds "Great Gig In The Sky" so atemberaubend untermalt hat. Kannst Du einmal beschreiben, wie die Zusammenarbeit mit ihr zustande kam?
Fanfan: Da kann ich eigentlich nur sagen, dass ich Jenni schon sehr lange kenne und als Sängerin schätze. Witzig finde ich in diesem Zusammenhang, dass sie die Tochter von Bernd Wippich ist, dem Gitarristen von Randy Pie - auch so eine Band aus dem Krautzeitalter.
RockTimes: Wie war die Vorgehensweise bei den Aufnahmen? Seid ihr mit 'fertigen' Songs ins Studio gegangen oder haben sich die Strukturen erst dort entwickelt?
Fanfan: Alle Songs sind beim Machen im Studio entstanden. Natürlich haben wir viel mehr aufgenommen, als am Ende auf das Album gekommen ist.
RockTimes: Mir persönlich hat dieser überaus warme, fast 'cremige' Sound von "Flankensteilheit" gefallen. Wie lange habt Ihr an dem Album getüftelt?
Fanfan: Alles in allem haben wir fast ein dreiviertel Jahr mit "Flankensteilheit" verbracht, natürlich nicht täglich...
RockTimes: Kommerziell ist damit sicherlich nicht der berühmte 'Blumenpott' zu gewinnen - leider, aber that's the bizz... Was war dann die Triebfeder für eine derart ungewöhnliche Scheibe?
Fanfan: Wie schon gesagt ging es uns in erster Linie um das Musikmachen, aus dem Bauch, und nicht um kommerzielle Ideen. Ich wollte mir das Album hinterher einfach selbst anhören können, oder anders gesagt: Wir wollten mal sehen, ob es noch geht.
RockTimes: Und nun? Wie geht es mit Magnetissimus Elektro weiter? Gibt es Pläne für eine Tour oder ein neues Album?
Fanfan: Pläne für eine Tour gibt es nicht, aber wir nehmen zur Zeit das zweite Album auf, über das ich jetzt noch nichts verraten möchte.
RockTimes: Du bist aus Hamburg. Die ganze Republik schüttelt derzeit über die Hamburger Kulturpolitik den Kopf. Hast Du Lust, abschließend dazu ein Statement abzugeben?
Fanfan: Ich glaube, ein Statement dazu würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Vielleicht nur soviel: Mein Kopf schüttelt sich zu vielen Bereichen der Politik, und das nicht im Takt.
RockTimes: Danke für das E-Mail-Interview - es hat überaus Spaß gemacht, sich mit "Flankensteilheit" zu beschäftigen.
Fanfan: Sehr gern geschehen. Es freut mich natürlich, wenn dir die "Flankensteilheit" Spaß gemacht hat.
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